Die Versuchung war groß. Sehr groß. Ich stand vor einem höchst attraktiven Laufleibchen, welches nicht nur bodygemapped war, sondern dazu noch an Schultern und Oberkörper eine wind- und wasserabweisende Hülle hatte. Also exakt dort, wo ich sie mir wünsche! Vorne konnte man zwei Eckchen aufklappen, um Lüftungsöffnungen freizugeben. Damit die Stoffteile dort bleiben, wo sie nicht stören, hatte man eine Befestigung nicht mit Klettverschluss, sondern per Magnet vorgesehen. Eine wahrhaft ingenieuse Lösung! Den kurzen Reißverschluss muss ich wohl nicht extra erwähnen, wohl aber die in Rückenmitte verlaufende Lüftungsöffnung. Und dieses herrliche Traumleibchen, dieses Wunderwerk der textil gewordenen Kreativität bot man zu einem beinah lächerlich günstigen Preis feil! Ich habe es nicht gekauft.
Ich besitze auch weder Laufsocken mit integrierten Gamaschen, noch Windstopper T-Shirts oder Vergleichbares. Und das, obgleich mich für diese Dinge begeistern kann. Es würde mir gefallen, wenn ich bei etwas Wind nur ein Kleidungsstück aus dem Fundus greifen müsste; ein Kleidungsstück, welches mehrere Schichten des Zwiebelschalenprinzips in sich vereint. Mein einziger Besitz, der so einigermaßen in diese Richtung geht, ist ein per Schnurzug zum Beanie zusammenziehbarer Fleeceschlauch, der an Stirn und Ohren einen Windschutz aufweist.
Aber, werden viele Läuflinge nun fragen, wenn er das so toll findet: weshalb kauft er’s dann nicht?
Nun, eigentlich ist es ganz einfach. Beziehungsweise nicht.
Nehmen wir ein T-Shirt als Beispiel. Beinah jeder Wettkampf beschert dem aktiven Läufling ein weiteres, hochwertiges Funktionsshirt. Dazu gibt die in Schichten organisierte Garderobe noch Langärmelige Leibchen verschiedenster Dicke her, sowas sammelt sich im Lauf (sic!) der Jahre einfach an. Obendrüber, je nach Witterung, Windweste, Regenjacke undsoweiter.
Angenommen, ich lege mir ein Windstoppershirt zu. Und wäre entzückt! Nach einigen Einsätzen nimmt es dann ein Aroma an, welches einen Waschgang nahelegt. Also griffe ich zu einem der anderen Shirts, das ich wetterbedingt mit einer mich vor dem Wind schützenden Weste ergänzen müsste.
Was mache ich eigentlich, wenn es mir mit dem Windschutz mangels Wind zu warm wird? Die Weste kann ich ausziehen, der Windschutz bleibt dran, da kann ich leiden, wie ich will. Davon abgesehen ist der Wind- und Wetterschutz umso wirkungsvoller, je weiter außen er in der Zwiebelschale angeordnet ist. Eine sturmfeste Basisschicht bedeutet, dass obendrüber ein, zwei Schichten liegen können, durch die es fröhlich hindurchpfeift. Ich will nicht leugnen, dass ich ein brustgepanzertes T-Shirt wahrscheinlich bei einer Witterung noch solo tragen würde, die mich ansonsten zur zweiten Lage greifen lassen könnte, dass ein Kombiprodukt, stabiles Wetter vorausgesetzt, wahrscheinlich einige Gramm Gewicht einsparen könnte.
Unterm Strich ziehe ich die größere Flexibilität des Zwiebelschalenprinzips vor, bei ich die Schichten bei Bedarf getrennt von einander einsetzen kann. Aktuell, das bedeutet: zum Zeitpunkt, zu dem ich dies hier verfasse, scheint mir die Kombination aus Zwiebel mit Bodymapping als „besonders wertvoll“.
Letzten Endes sind Verbundklamotten Spezialwerkzeuge mit einem eingeschränkten Einsatzfeld, in dem sie ein wenig besser funktionieren als gemeinsam getragene Schichten. Spezialfälle sozusagen. Vielleicht bin ich zu geizig, noch mehr spezialisierte Klamotten zu kaufen.