Der unbebildete Blog

Manchmal fragt man mich, wieso es auf meinem Blog kaum Fotos gibt. Die kurze Antwort auf diese Frage lautet einfach: Weil ich keinen Bock habe. Es geht aber auch länger, und dazu lade ich euch ein, mich bei einem fiktiven Fotolauf zu begleiten. Nehmen wir also an, ich würde Fotos machen wollen. Auf geht's zum "Bildersturm"! „Der unbebildete Blog“ weiterlesen

Die widerlichen kleinen Dinger

Was ein leidlich routinierter Läufer ist, wird so schnell nicht zu Fall gebracht. Welche Fallstricke die Strecke auch bereithalten mag, seien es Steine, Schnee, Eis oder Wurzeln - normalerweise wird nach elegantem Ausgleichsschritt oder kurzem Tänzeln weitergerannt. Schließlich weiß der gemeine Läufling um die Vorzüge kurzer Bodenkontaktzeiten - womit ich den Kontakt der Sohlen zum Boden meine, nicht dass wir uns hier falsch verstehen. Es geht nicht darum, nach einem Sturz rasch wieder aufzustehen. Denn der findet nicht statt, der Sturz. „Die widerlichen kleinen Dinger“ weiterlesen

Clean?

Ich bin froh darüber, dass ich mich so gut im Griff habe. Ehrlich.
Wenn ich wollte, könnte ich jederzeit damit aufhören.

Ich bin froh darüber, dass ich mich so gut im Griff habe. Ehrlich.
Wenn ich wollte, könnte ich jederzeit damit aufhören.

Es ist nur eine Frage des Willens.
Und den haben Läuflinge, das wird jeder bestätigen, der sich nur ein wenig damit befasst hat.

Wie gesagt: es ist nicht so, dass ich es brauchen würde. Ich genieße es. Weshalb also sollte ich es beenden? Das ist ja das Schöne, wenn man etwas unter Kontrolle hat: der freie Wille bleibt uns erhalten. Wenn ich mir andere ansehe, die jahre, jahrzehntelang vor sich hinsüchteln.

Es gibt wahrhaft tragische Schicksale. Erinnert sich jemand an Harald Juhnke? Showgröße der 1970er Jahre, die sich zu Tode gesoffen hat. Der arme Kerl befand sich im Teufelskreis aus Sucht, Entzug und Rückfall, aus dem ihn nichts herausbrachte.
Oder David Hasselhoff.

Auch der Alkohol.

Meine Güte wie erbärmlich muss es sein, wenn man sich in lichten Momenten den Kontrollverlust eingestehen muss. Wenn das Resthirn für den Bruchteil einer Sekunde glasklar sieht, wirklich sieht: ich schaffe es nicht. Ich bin süchtig.

Bei mir ist das zum Glück anders, weil ich weiß, dass ich keinen Sport zum glücklich sein brauche. Ich muss mich nicht bewegen. Es macht mir einfach Spaß!
Ehrlich, wenn ich wollte, also: wenn ich wirklich wollte, könnte ich aufhören. Sofort. Von einem Tag auf den anderen.

Ich will nur nicht.

Es genügt zu wissen, dass ich könnte.

Wenn ich denn wollte.

Bin keine traurige Figur, die ihre Sucht nicht im Griff hat. Unter den Läuflingen gibt es viele, die den Rubikon längst überschritten haben. Traurige Figuren, die sich selbst etwas vormachen, die ihre Abhängigkeit nicht wahrhaben wollen.
Es glauben tatsächlich welche, sie seien clean. Laufen bloß zum Spaß. Von wegen.
Amselige Kreaturen, die gegenüber der eigenen Unzulänglichkeit blind, und als Gefangene der eigenen Illusion zum ewigen Weitermachen verurteilt sind.

Es ist alles eine Frage der Persönlichkeit.

Zum Glück bin ich immun, habe einen starken Willen.

Ich kann es jederzeit lassen.

Soll ich es euch beweisen? Ich könnte, will nur nicht.

Heute?

Vielleicht morgen.

Heute geht nicht, das Wetter ist gerade so schön. Außerdem zucken meine Beine. Sie wollen laufen.

Aber morgen.

Oder nächste Woche.

Wann immer ich will, ich habe es im Griff.

Ich bin nämlich clean.

Läufst du mit Puls?

Irgendwann im Sommer letzten Jahres. Ich bin auf einer lockeren Runde unterwegs, die Sonne scheint, Vögel zwitschern. Vollkommen entspannt. Bis, ja bis mein Blick auf die Uhr fällt. Pulsschlag 0, Null, Zero, nix! Nachdem ich den ersten Schreck verarbeitet hatte, besann ich mich. Tot sein entpuppte sich als weniger einschneidend, als ich bis dahin erwartet hatte.

“Läufst du mit Puls?” Eine irritierende Frage, denn ich unterstelle bei den meisten lebenden Menschen schlagenden Puls. Auch beim Laufen. Die Vorstellung man könnte sich dieses aussuchen, wirkt befremdlich auf mich. Man könnte dann antworten: “Nein, ich bin schneller, wenn ich meinen Herzschlag während des Sports abstelle.” Oder wie?

Genug der Frotzelei, natürlich will der Fragesteller nicht wissen, ob das Herz beim Laufen schlägt. Er interessiert sich dafür, ob der Läufling stets die mannigfaltigen Überwachungsfunktionen von Polar, Garmin etc. nutzt. Mitterweile, so scheint mir, ist die Frage selten geworden. Man geht wohl davon aus, dass es selbstverständlich ist, “mit Puls” zu laufen. Das heißt: mit dem Uhrenteil.

Aber, warum nicht das Thema “Pulsuhr” ernsthaft hinterfragen? Dass ich nicht immer mit Uhr laufe, hatte ich im Artikel Ultra ohne Uhr beschrieben.
Und die Herzfrequenz?
Brauche ich sie immer?
Was fange ich damit im Träning an? Und, vor allem: wann?
Um Licht in mein persönliches Dunkel zu bringen, greife ich drei Funktionen meines multifunktionalen Handgelenkscomputers heraus: aktueller Puls und jeweils den Piepton für Unter- und Obergrenze.

Als ich eine erste Pulsuhr, ich glaube von Ciclo, mein Eigen nannte, tränierte ich im hügeligen Gelände. Was tut mein Puls, wenn es bergauf geht? Er steigt. Bergab fällt er. Das ist seine Natur. Meine Ciclo hatte aber nicht die Informationen zur Verfügung, die meine Augen lieferten, nämlich, dass ich nicht zu schnell, sondern nur einen kurzen Anstieg hinaufrenne. Dem armen Ding blieb nur, mit mit Pieptönen zu warnen. Irgendwann war ich davon so genervt, dass ich Puls 40 als Unter- und 240 als Obergrenze einstellte. Deaktivieren ging leider nicht.
Es ließe sich wohl eine Lösung mit GPS-Höhendaten denken, die Anstiege und Gefälle berücksichtigt, um Pulsgrenzen anzupassen. Andererseits: wenn ich als Läufling wirklich ernsthaft “nach Puls” träniere, müsste ich Anstiege hinaufkriechen, Gefälle….nun, ihr könnt es euch denken. Will ich das? Ich persönlich: nein.
Ich habe für mich entschieden, den Pulsbereich eher mit Körpergefühl einzuhalten (klappt ganz gut), oder, siehe oben, einfach zu ignorieren, wenn ich eine Grenze kurz überschreite. Auch wenn es flach ist.

Was ich gerne nutze, ist der Momentanpuls. Klar ist: er schwankt. Im Zusammenhang mit dem Ergebnis einer Leistungsdiagnostik kann ich damit prima tränieren, mit etwas Erfahrung deckt sich dann das Körpergefühl mit dem Zielbereich. Der ist wahrlich breit genug!
Trotzdem gefällt es mir, wenn ich die Zahl sehe, um mich zu überwachen. Das will ich nicht immer, nicht in jedem Träning – und nicht bei jedem Wettkampf. Ein gemütlicher, langer Sauerstofflauf. Ich trabe entspannt vor mich hin, genieße mich, die Landschaft, die Bewegung. Der Puls kann nur in einem niedrigen Bereich liegen. In welchem Pulsbereich bewege ich mich? Mir egal.

Ganz anders liegt der Fall, wenn ich in einer anderen Pulszone laufen möchte, um meinen Körper an höhere Intensität anzupassen. Hier wären das die Bereiche 3 und 4 (ihr könnt auch Begriffe finden wie Grundlagenausdauer 2 (GA 2) bzw. Intensivausdauer 1 (IA 1). Je nach Sportart und Quelle geistern übrigens weitere Bezeichnungen herum, gibt es andere Einteilungen. Lasst euch davon nicht verwirren.).
In solchen Fällen, wenn ich zu Träningszwecken wirklich in einem definierten Pulsbereich laufen will, schaue ich gerne auf die Uhr, um mich selbst zu prüfen. Nicht nur das. Gerade bei höherem Tempo redet man sich nach einer gewissen Zeit allzu leicht ein, man sei im Zielbereich. Ganz unbewusst versucht man jedoch, es sich doch ein wenig gemütlicher zu machen….wir Menschen sind eben Freunde der Komfortzone. Damit das nicht geschieht, hilft mir der Blick auf die Uhr.

“Läufst du mit Puls?”
“Wenn ich ihn wissen will, ja.”

Betrachte Herzfrequenzmesser als Werkzeug, sage ich mir: ich nehme das Werkzeug mit, das ich benutzen will. Schließlich schleife ich auch nur dann eine Bohrmaschine mit, wenn es ein Loch zu bohren gilt.

Abkürzungsfimmel

Manche Leute haben eigenartige Neigungen. Selbst Läuflinge treiben bisweilen Dinge, die dem Außenstehenden unverständlich oder nicht normal erscheinen.
Will er sich jetzt darüber auslassen, was normal ist und was nicht? Keineswegs. Im Gegenteil, ich gedenke, ein bemerkenswertes Beispiel für eine “eigene Art” zu skizzieren, denn, manche Menschen haben überaus komische Anwandlungen.

René (Name geändert) ist solch ein Mensch. Beschäftigt ihn ein fesselndes Buch, wird er ein gutes Viertel der mittleren Seiten überspringen. En Bloc. Man muss sich das etwa so vorstellen: er liest bis Seite zweihundertfünfzig, greift hundertfünfzig Seiten, um dann auf Seite 400 mit der Lektüre fortzufahren.
Isst René sein Lieblingseis, verschmäht er eine von drei Kugeln. Und als er neulich seinen dreiwöchigen Traumurlaub angetreten hat, überraschte es mich nicht, ihm nach zwei Wochen wieder auf der Straße zu begegnen.
“Hat es dir nicht gefallen?”
“Es war traumhaft, weshalb fragst du?”

Mir schwante Unheilvolles, als René mir vor Monaten kundtat, er hätte sich zum CityMarathon angemeldet. Mit vor Stolz geschwellter Brust, auf der die Finishermedaille prangte, berichtete er mir von seinem ersten Marathon. Akribische Vorbereitung habe ihm ein super Ergebnis ermöglicht. Ich gebe seine Erzählung zusammengefasst wieder, vielleicht fühlt sich ja jemand inspiriert…oder schockiert, je nach Neigung.

Bei Kilometer Vier nämlich schlug sich René ins Gebüsch, denn auf der anderen Seite befindet sich eine Haltestelle der Straßenbahn, welche ihn neun Kilometer weiter wieder ausspie. Durch solcherlei perfekte Abstimmung von Lauftempo und Fahrplan hatte sich René in die vordere Hälfte des Feldes vorgearbeitet.
Während sich der nächste Abschnitt auf der Strecke weitgehend ereignislos abspielte – abgesehen davon, dass René mehr als dreihundert Plätze zurückfiel, hatte sich ein gut tränierter Freund bereitgemacht, um am vereinbarten Treffpunkt bei km 23 Renés Startnummer und Chip zu übernehmen. Da zufällig aufgenommene Fotos die Leistung des Sportlers nicht schmälern sollten, trugen beide gleiche Kleidung. Auch der Kopf wurde nicht vergessen, zwei Buffs sorgten für verblüffende Ähnlichkeit.

Des Freundes stählerne Waden ließen René auf den folgenden zwölf Kilometern an hunderten der zunehmend träger trabenden Konkurrenten vorbeifliegen, bis ein kurzer Stop an geeigneter Stelle den neuerlichen Rollentausch herbeiführte. René war zwischenzeitlich per Klapprad unterwegs gewesen.

Gute Ortskenntnis gestattete es ihm, den Streckenteil zwischen km 36 und 40 auszulassen, wonach er, erstaunlich frisch wirkend, die beiden verbleibenden Kilometer bis ins Ziel zurücklegte. Lohn der Mühe: 3:06:21 Stunden, Platz 1017.

Kennt ihr auch jemanden wie René? Ich gebe zu, dass ich ihn noch nicht lange kenne, weil ich ihn mir ausgedacht habe. Anscheinend gibt es aber tatsächlich Athleten mit Abkürzungsfimmel. Ich kann’s nicht nachvollziehen. Warum sollte ich weniger (Kilometer) in Anspruch nehmen, als ich gekauft habe? Wenn’s schon nur 42,2 sind, mach’ ich die doch nicht noch kürzer!

Vermutlich haben wir es mit einer Art Optimierungsdrang zu tun. Die Renés dieser Welt streben danach, jeden Kilometer effektiv gelaufener Strecke möglichst teuer zu bezahlen. Für seine 65 Euro Startgebühr kann er rund 1,50 Euro pro km loswerden, wenn er den Marathon komplett laufen würde. Tatsächlich waren es jedoch nur ca. 17 km, macht also beinahe vier Euro für jeden Kilometer!

Oder will René Marathonläufer sein, ohne Marathon zu laufen? Kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen…