Ich finde, aus den meisten Büchern lässt sich irgendein Nutzen ziehen, etwas lernen. Im Sinne von „so schlecht kann man nicht schreiben“. Das gilt für die meisten, wohlgemerkt, denn „Siegen ist Kopfsache“ ist eines von den anderen.
Dabei verspricht der Untertitel „Die mentalen Erfolgsstrategien der Ausnahme-Athleten“ ziemlich viel, wie mich auch der Umschlagtext neugierig gemacht hat. Voller Vorfreude griff daher ich an meinem ersten Urlaubswochenende zum frisch erstandenen Buch, bereitete mir eine Kanne Tee, um mich in genussreichen Lesestunden von den Erkenntnissen, die der Autor Fitzgerald aufbereitet hatte, belehren zu lassen.
Leider hielt die Freude nur kurz.
Es begann im ersten Kapitel, beim Einführungsbeispiel.
Gegen ein solches ist nichts zu sagen, schließlich sind diese ein probates Mittel, um den Leser an das Thema heranzuführen. Viele Bücher illustrieren ihren Inhalt anhand von Beispielen, was ich an und für sich gut finde. Verstand und Emotion, sozusagen: Geschichten bedienen die Emotion, während der Verstand mit sachlichen Informationen gefüttert wird. Solcherart wird mensch über zwei unterschiedliche Informationsverarbeitungssysteme befüttert – passt!
Vielmehr passt es dann, wenn beides geliefert wird – und wenn, anders als in diesem eigenartigen Druckwerk, die Beispiele ihre Rolle erfüllen, welche darin besteht, den theoretisch-informativen Inhalt leichter verdaulich zu machen.
Nicht nur beim ersten, sondern auch bei jedem anderen Kapitel werden die Beispiele derart ausschweifend dargestellt, dass jedweder Bezug zum Thema verloren geht. Über (zu) viele Seiten hinweg werden Leben und Wirken der Sportler beschrieben und ihre Wettkämpfe mit dem Gegner und sich selbst en Detail ausgebreitet. Ich fragte mich oft, ob ich den entscheidenden Hinweis verpasst habe. Hatte ich nicht, weil es keinen gibt.
Außerdem folgen die Beispiele ausnahmslos einem simplen Muster:
Ein guter Sportler erkennt sein herausragendes Talent.
Er stellt fest, dass er unter seinen Möglichkeiten bleibt.
Tiefe Krise, Hinwendung zu anderen Aktivitäten.
Schlüsselerlebnis.
Neuer Anlauf und – schwupps! – wie von Zauberhand bricht der Bann und alles ist gut.
Und das in jedem Kapitel. Spätestens beim zweiten Beispiel hörte ich die Stimme in meinem Kopf, die dem Autor genervt zurief: „ja doch, ist gut, ich hab’s kapiert. Was ist jetzt anders? Wo ist der Punkt?“. Eine solche lustlose Aneinanderreihung stets desselben langweilt mich zutiefst.
Um meine Kritik an einem Beispiel zu illustrieren: Würde Fitzgerald ein Kochbuch verfassen, so erführe der Leser von einem sehr guten Koch, dem allerdings leider das letzte Quäntchen zum perfekten Rezept fehlt. Er stürzt ob des Ungemachs in eine tiefe persönliche Krise, in deren Folge er sein Tun anderen Feldern widmet. Als Postbote, Rechtsanwalt oder Programmierer beispielsweise. Natürlich lässt ihn seine alte Leidenschaft nicht los, weshalb er
– nach dem Gespräch mit einer Bezugsperson
– einem tiefen Sturz
– Handauflegen durch sich selbst
(etc., hier kann beliebig ausgewählt werden)
geläutert an den Herd zurückkehrt und fortan sein herausragendes Potenzial zu nutzen versteht.
Diese Geschichte bildet einen großen Teil jedes Kapitels. Jedes einzelnen Kapitels. Immer derselbe Ablauf.
Ach ja, ich hatte mich für ein Kochbuch als Beispiel entschieden. Der Leser wird leider enttäuscht, denn Rezepte der neu geborenen Meisterköche stehen keine drin. Bestenfalls erfährt er: mehr Salz.
Was war gleich wieder der Kern, um den es gehen soll?
Der Umschlagtext behauptet, viele Sportler würden im Wettkampf unter ihren Möglichkeiten bleiben – und, wenn zwei Athleten dasselbe Potential haben, gewinnt derjenige, der näher an seine Grenzen geht. Die Psyche also wieder mal. Ein hochinteressantes Thema mit plausibler These, die, denke ich, jeder nachvollziehen kann.
Es ist nur schade dass Fitzgerald viel ankündigt, ohne zu liefern. Dabei wäre es ein Leichtes, den Bogen zum Belastungs- / Beanspruchungsmodell aus der Arbeits- und Organisationspsychologie zu schlagen, um hier Ansatzpunkte oder Vergleichsmöglichkeiten zu suchen; Ähnlichkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten.
Ebenso hätte er auf bekannte Werkzeuge verweisen können.
Weshalb kratzt er im gesamten Buch dermaßen an der Oberfläche?
Ich muss mich korrigieren: er kratzt nicht. Kratzer hinterlassen schließlich Spuren, gehen also in die Tiefe (wenn auch nur wenig). Diesem Vorwurf muss sich Fitzgerald nicht aussetzen, er berührt nichts. Nicht die Oberfläche, und schon gar nicht den Geist des Lesers.
Mit dem fehlenden Tiefgang könnte ich ja noch leben, wenn die Lektüre halbwegs kurzweilig wäre. Zur Not könnte sich ein Leser die wichtigen Punkte aus den Beispielen und dem Fülltext zwischen diesen herausfiltern. Wenn, ja wenn etwas wie eine inhaltliche Struktur zu erkennen wäre. Von Stichpunkten, Zwischenüberschriften oder gar Diagrammen, die einen roten Faden, oder Landmarken verdeutlichen könnten, will ich gar nicht reden (jedes Kapitel besteht aus einer Überschrift und Fließtext. Immerhin mit Absätzen). Weshalb das Buch überhaupt in Kapitel aufgeteilt ist, hat sich mir nicht erschlossen, jedes einzelne folgt dem gleichen Aufbau und transportiert nach der Lebensbeichte der Hauptfigur dasselbe Geblubber.
Aber meinetwegen, wenn es keine Zusammenfassungen oder prägnant formulierte Zwischenergebnisse gibt, geht es auch ohne – ich filtere selbst. Mein Filter blieb jedoch leer.
Schlussendlich handelt es sich bei „Siegen ist Kopfsache“ um mehr als dreihundert Seiten Nichts; eine Nullnummer, die mich vor allem deswegen ärgert, weil das Thema so viel hergibt.
Ich tröstete mich durch den Kauf zweier weiterer Bücher; aus einem der beiden* zitiere ich gerne, denn es gibt die Richtung vor, die Fitzgerald hätte nehmen können:
Das Ziel des Mentalen Trainings besteht darin, sich in einen psychischen Zustand zu versetzen, der es ermöglicht, unter allen denkbaren Bedingungen die eigenen realistischen Leistungsmöglichkeiten zu entfalten.
In diesem einen kurzen Satz steckt mehr, als in dreihundert Seiten Papiermüll von Fitzgerald. Wäre das Buch unbedruckt, hätte es gleich viel Inhalt, ich könnte es aber wenigstens als Notizbuch verwenden!
* das rezensiere ich auch noch, soviel Spannung gönne ich mir! 🙂