Lodenwalker Lodenweste

Ich mag Westen. Und ich mag mittlerweile Naturstoffe wie Wolle, Loden und dergleichen. Eine Lodenweste löst deshalb bei mir gleich doppelte Sympathien aus, zumal, wenn sie aus einem Familienbetrieb mit jahrhundertelanger Tradition kommt. Auftritt: die Lodenweste von Lodenwalker.

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Ich mag Westen. Das heißt, ich mag die Westen als Kleidungsstücke. Über den Westen als – als was eigentlich? – Wertesystem? Wirtschaftlich-politischen Oberbegriff für alles Mögliche und Unmögliche mag ich nicht schreiben, sonst wird’s noch politisch. Naja, und der Westen als Himmelsrichtung ist sowieso da.

Die Weste als Oberbekleidung sei also hier das Thema.

Und ich mag, wie der geneigte Leser weiß, mittlerweile Naturstoffe wie Wolle, Loden und dergleichen. Eine Lodenweste löst deshalb bei mir gleich doppelte Sympathien aus, zumal, wenn sie aus einem Familienbetrieb mit jahrhundertelanger Tradition kommt. Auftritt: die Lodenweste von Lodenwalker.

Des Englischen mächtige Zeitgenossen werden möglicherweise einen starken Drang verspüren, den Namen Lodenwalker englisch auszusprechen, wohl wissend, dass Walking soviel wie Gehen bedeutet. Und hierfür scheint die Weste trefflich geeignet, oder?

In der Tat, das ist sie.

Nachdem ich meinen inneren Drang (den von oben) überwunden hatte, erinnerte ich mich and die Herstellungsart von Loden, das Walken (deutsch ausgesprochen, also Wallken). Die Familie Steiner betreibt in Ramsau am Dachstein eine Lodenwalke – das tut sie, wie die Website weiß, seit 1434 (!). Wir können gespannt sein, ob die Geschäfte der Familie Zuckerberg von ähnlicher Dauer sein werden.

Aus der Lodenwalke entstammt besagte Weste, die man mir netterweise zur Verfügung gestellt hat. Wie es meiner Art und dem Charakter solcher Outdoor-Bekleidung entpricht, durfte sie mich zu allen möglichen Einsätzen begleiten: zum Laufen (ja, das muss fast immer sein!), Wandern, auf Spaziergänge – in den Bergen, im Büro und auf dem Rad habe ich sie getragen.

Aber zunächst will ich ein paar Worte zur Weste selbst verlieren. Der Stoff ist erstens sehr weich und anschmiegsam, zweitens angeraut, und damit überaus warm. Der Süddeutsche gebraucht in solchem Fall den Fachbegriff sakrisch. Zwei seitliche Taschen und die Napoleontasche in Brusthöhe (genial für’s Handy, schön dass sowas mittlerweile fast zum Standard zählt!) verfügen über Reißverschlüsse mit sehr wertig aussehenden Griffen. Oder wie nennt man die Dinger, an denen man zum Öffnen und Schließen anfasst?
Saugeil: der hohe, anliegende und doch anschmiegsame Kragen. Angenehm weich an der Kehle.

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Zurück zu meinen Erfahrungen. Am besten sind Westen bei kühler Witterung über einem T-Shirt oder Longsleeve getragen. Kühl bedeutet zum Beispiel, dass ich mich spazieren gehend in kurzer Hose, T-Shirt und Lodenweste auch bei zehn Grad am Morgen wohl gefühlt habe. Laufend darf’s dann schon noch ein paar Grade weniger haben. Mit dünnem, langärmligem Baselayer drunter erweitert sich der Temperaturbereich noch ein gutes Stück nach unten.
Superklasse macht sie sich in der Fahrradtasche oder im Rucksack, wo sie ihres Einsatzes in der Pause harrt, wo dann durchaus ein leichter Wind gehen kann.

Jetzt, im Winter, freut mein Rumpf sich über die zusätzliche Schicht unter einer wärmeren Jacke, zum Glück trägt eine Weste nicht groß auf.

Wenn ich zurückdenke, taucht als Lieblingserinnerung ein morgendlicher Spaziergang in kurzer Hose auf. Es war im sonnigen Herbst, leichter Morgendunst im Sonnenlicht erfreute mein waches Auge (das andere schlief noch), während die schon angesprochene, zehn Grad kühle Luft meine nackten Waden umzärtelte. Dank Flausch-Loden über’m T-Shirt bewegte sich mein Leib im seelischen Komfortbereich, den ich am besten als zwischen ja, eigentlich könnten einige Körperteile frösteln wollen und es ist so mollig warm am Bauch liegend beschreiben möchte.

Das Wissen um einige Jahrhunderte Handwerkskunst in der Lodenmanufaktur wirkt obendrein wie der Gedanke an ein flackerndes Kaminfeuer.

Ich sag’s ja: ich mag Westen!

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“non olet” – es stinkt nicht – soll Kaiser Vespasian gesagt haben, als man ihn fragte, ob ihm die Latrinensteuer nicht etwas anrüchig vorkäme. Er sprach vom Geld. Auch Merinowolle sagt man nach, sie würde keine Gerüche annehmen. Nichts leichter, als das herauszufinden, dachte ich mir: dreißig Grad, fünf Tage, ein T-Shirt.

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Den römischen Kaiser Vespasian kennen die meisten, wenn sie ihn kennen, von seinem Ausspruch “Pecunia non olet”. Und er hatte natürlich recht, denn auch bei anrüchigen Geschäften eingenommenes Geld stinkt nicht. Für ihn war die Latrinensteuer eine saubere Sache, um die zu seiner Zeit recht leeren Staatskassen zu füllen. Heutzutage würden wir von der Pipi-Tax sprechen, die uns trotz des niedlichen Namens gewaltig stinken würde.

Nicht stinken soll angeblich auch Merinowolle, der man nachsagt, sie würde Gerüche ähnlich ungern annehmen wie der srichwörtliche schweizer Beamte ein Bestechungsgeld: allenfalls, wenn der Drang groß genug wird.

Nun denn, ich habe meine neu entdeckte Freundschaft zu Merino anlässlich eines Kurzurlaubs genutzt, um meine Neugier zu befriedigen. Zu diesem Behufe griff ich (mental gestärkt, doch hauttechnisch immer noch äußerst sensibel) zum weichsten Merino-Shirt im Schrank, welchselbiges mir vom Hersteller Lodenwalker netterweise zu Testzwecken zur Verfügung gestellt wurde. Übrigens: Egal wie gut die englischen Sprachkenntnisse sein mögen, Walker wird genau so ausgesprochen, wie es hier steht: Walker. Der Name rührt von der Verarbeitung des Materials her, und manch ein Mensch, der in den zweifelhaften Genuss autoritärer Erziehung gekommen ist, kennt den davon abgeleiteten Begriff Durchwalken. Wer sich jetzt verstohlen an die Backe gefasst hat – das ist jene, auf der er / sie sitzt, nicht die Wange – darf gerne in Kindheitserinnerungen schwelgen.

“Schläge haben mir nicht geschadet!”

Ach nee. Und wieso fasst du dir dann trauma-induziert an den Arsch?

Walken ist jedenfalls für Loden gedacht, Lodenwalker walkt seit ein paar hundert Jahren, eben Loden. Und produziert T-Shirts aus Merino. Eines davon durfte mich in den Kurzurlaub begleiten: Fünf Tage in die Vulkaneifel.
Ich hatte zwei Dinge im Gepäck: erstens Wechselklamotten, und zweitens den festen Vorsatz, das Shirt täglich zu tragen. Die Wechselshirts wären nur zum Einsatz gekommen, wenn meine Ausdünstungen die Blätter hätten welk, den Asphalt weich und Menschen bewusstlos werden lassen.

Damit der olfaktorische Selbstversuch nicht an allzu günstigen Temperaturen scheitern möge, hatte ich in der Vulkaneifel ordentlich einheizen lassen: Sonne mit locker dreißig Grad machte es unnötig, auf die vulkanische Fußbodenheizung zurückzugreifen.

Allabendlich, wenn ich mich des Leibchens entledigte, führte ich einen Schnüffeltest durch, bei dem ich mich aus Sicherheitsgründen anfangs auf das Bett setzte. Sollte ich ob des Miefs rücklings umkippen, würde ich wenigstens weich fallen.

Jedoch: nichts.

Gar nichts.

Im Sinne von: überhaupt nichts.

Weder am ersten, noch am zweiten auch nicht am dritten Abend. Nun muss ich einschränkend dazusagen, dass ich nicht gerade olfaktorisch hochbegabt bin. Höchste Konzentration war also angesagt, sämtliche anderen Sinne blendete ich aus, um eventuell ein kleines Gerüchlein zu erhaschen.

Wirklich nichts.

Erst nach dem fünften Tag ununterbrochenen (ok, nachts nicht) Tragens, als ich wieder zuhause war, konnte ich mir einreden, es könnte eventuell das Versprechen auf die Andeutung eines Quäntchens Aroma vorliegen.

Ich ließ das Shirt über Nacht draußen hängen. Am nächsten Morgen: keinerlei Geruch außer der Nachtfrische.

Non olet.

Es stinkt wirklich nicht.