Jeff Martone „Kettlebell Rx“

„Ein Amateur übt, bis er es richtig macht. Ein Profi übt, bis er es nicht mehr falsch machen kann.“
Mein Lieblingssatz aus Jeff Martones Buch „Kettlebell Rx“, den ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufe, wenn ich beim Erlernen neuer Techniken vorschnell zur nächsten Übung schreiten will.
Martone gilt als renommierter Kettlebellträner, dessen Website tacticalathlete.com auf einen recht erfolgreichen Instruktor mit fundierter Ausbildung deutet.
Mit seinem Buch, dessen Aufmachung an einen Ratgeber für die Medikamenteneinnahme erinnert, spannt er einen Bogen von grundlegenden Bewegungsmustern über Kettlebell-Übungen zum Kettlebellsport.
Es ist von seinem didaktischen Aufbau her eines der besten, die ich bisher in Händen hielt. Die vorgestellten Übungen bauen auf einander auf, so dass man sich im Verlauf des Buches von den einfacheren Swings zu komplexeren, anspruchsvollen Übungen wie den Snatches hocharbeitet. Wem das nicht genügt, der wird voller Freude auf Kombinationen stoßen, die, nebenbei bemerkt, unheimlich viel Spaß machen.

Damit der Lernerfolg beim „Technikerwerbstraining“ nicht lange auf sich warten lässt, stellt Martone jeweils vorbereitende Übungen an den Anfang eines jeden Kapitels.
Strecksprünge bereiten zum Beispiel den Swing vor, denn die richtige, explosive Hüftstreckung ist in beiden Fällen identisch. Nach ähnlichem Muster wird jede Kettlebell-Übung grundlegende einzelne Teilabschnitte aus grundlegenden Bewegungsmustern zerlegt, die es einzuschleifen gilt. Wenn die richtig sitzen (er nennt es „Drill“), setzt man aus ihnen die komplette Übung zusammen.
Wer mit einem Partner träniert, über hinreichend Selbstwahrnehmung verfügt, oder anderem das „Bellen“ beibringen möchte, profitiert davon, dass Martone ausführlich auf typische Fehler und ihre Korrektur – auch dafür gibt es spezielle, korrigierende Übungen – eingeht.
Anstelle des häufig anzutreffenden Schemas – eine Handvoll Fotos mit mäßig Text dazu – geht Martone einen gründlichen Weg: Die wesentlichen Schritte einer Bewegungssequenz werden, hübsch durchnummeriert, aus zwei Perspektiven (frontal und seitlich) dargestellt, zu jeder Nummer beschreibt er, was der Sportler tun muss.

Martone legt großen Wert auf korrekte Ausführung. Wie gesagt: solange üben, bis man es nicht mehr falsch machen kann.
Zuweilen liegt es nicht nur im Interesse des Sportlers, wenn die Übung richtig durchgeführt wird, denn weil Kettlebells eben auch „nur“ irgend ein Gewicht sind, lassen sie sich unter Umständen durch ein anderes Objekt ersetzen. Und so findet sich im Buch eine nette Bilderfolge, in der Martone einen Turkish Get-Up durchführt. Anstelle der Kettebell kommt er mit einer jungen Dame am ausgestreckten Arm vom Liegen zum Stehen.

Inhaltlich konzentriert Kettlebell Rx sich auf grundlegende Techniken. Wer mehr variieren will, oder gar den Anspruch hat, einen vollständigen Katalog aller Kettlebell-Übungen vorzufinden, wird enttäuscht sein. Allerdings ist das kein Manko, denn weitere Übungen bauen auf den vorgestellten Grundlagen auf. Mit etwas Phantasie lassen sich weitere Variationen leicht integrieren. Und, glaubt mir, wer alles beherrscht, was Martone zeigt, hat genug Auswahl um sich fit zu machen.
Was mir fehlt, sind Hinweise zum Aufbau eines Träningsprogramms, denn über die Drills zum Einschleifen der einzelnen Übungen hinaus enthält das Buch nur wenige Informationen. Ein paar grundlegende Prinzipien stehen drin, ebenso finden sich eine Handvoll Seiten mit Träningsprogrammen zu den ballistischen Übungen (Swings etc.) und den Hand-to-Hand Drills, also alles, wobei man die Kettlebell von einer Hand in die andere übergibt. Eine Prise Crossfit Workout nehme ich gern zur Kenntnis, für ein echtes System bleiben die dargestellten Programme zu isoliert voneinander. Ich vermisse den übergeordneten Kontext. So bleibt das Buch in diesem Punkt hinter den Erwartungen zurück.

Wie liest sich „Kettlebell Rx“? Man kennt das ja aus manchen Büchern zum Thema „Bewegungsausführung“. Trocken wie die Sahara. Kettlebell Rx gehört zu den erfreulichen Ausnahmen. „Locker im Ton, aber deutlich in der Sache“ trifft es sehr gut, wobei auch der Humor nicht zu kurz kommt.

Girevoy, der reine Kettlebell-Sport, auf den Martone gegen Ende des Buches eingeht, ist zwar nicht mein Thema, ich anerkenne aber, dass das Buch ohne dieses Kapitel unvollständig wäre. So als würde in einem Buch zum Thema Laufen nicht irgendwo stehen, dass es auch Wettkämpfe gibt.

Fazit: erstklassiges Referenzwerk zum Technikerwerb. Kein Buch zur Träningsplanung.

Jeff Martone
Kettlebell Rx: The Complete Guide for Athletes and Coaches
ISBN-10: 1936608995

Projekt Phönix (1): Ich will besser werden!

Eigentlich, liebe Läuflinge, war 2012 keine schlechte Saison. Die beiden Highlights – Zugspitz Ultra und UTMB – habe ich erfolgreich beendet. Dennoch machte sich eine gewisse Unzufriedenheit breit.
Irgend etwas fehlte mir, musste sich ändern. Nur was?
Zum Glück dauern Ultratrails recht lange, und so hatte ich während des UTMB genug Zeit zum Nachdenken, auf dass aus der diffusen Unzufriedenheit etwas Greifbares werde.
Heraus kam: ich will ein besserer Läufling werden!

„Besser“, das heißt für mich zum Beispiel, ich will weniger im touristischen Modus laufen. Dass ich hundert Kilometer Trail in vierundzwanzig Stunden bewältigen kann, ist ja nicht das Thema. Thema ist aber, ob es nicht auch schneller geht. Muss es denn immer so gemütlich zugehen? Immer knapp vor Zielschluss? Wo bleibt denn da die Herausforderung?

„Besser“, dass ist auch: mehr Träningsdisziplin, und spezifischeres Träning.

Und „besser“ bedeutet: mehr Biss. Biss wohlgemerkt, nicht Verbissenheit. Genießen, aber von Zeit zu Zeit darf Wettkampfgedanken im Vordergrund stehen. Siehe oben: Nur „Wandern“ ist öde, den genussvollen Flow-Zustand gibt’s nur mit Anstrengung!

Nachdem mir das klar geworden war, kreisten meine Gedanken um das „Wie“. Vielmehr darum, an welchen Stellschrauben ich wie drehen muss.
Das Ergebnis meiner Überlegungen ist „Projekt Phönix“. Genau, Phönix. Der aus der Asche. Man möge mir den abgeschmackten Titel nachsehen, der Begriff kam mir spontan in den Sinn, wo er sich seither festgesetzt hat.

Als erstes habe ich das Jahr 2013 zum Konsolidierungsjahr erklärt. Das bedeutete zunächst einmal, dass ich auf Wettkämpfe mit größeren Umfängen als ich sie bisher gelaufen bin, verzichte. Bei rund hundert Meilen ist Schluss. Außerdem kein Start bei der Brocken Challenge. Während ich das schreibe, muss ich grinsen. Liegt die Chance, einen Startplatz zu ergattern, doch ähnlich hoch wie eine Begegnung mit dem Yeti. In der Sahara.
In diesem Wissen sollte ich schreiben: ich habe nicht an der Startplatz-Lotterie teilgenommen.
Der Wibolt ist ebenfalls gestrichen. Obwohl es mich in sämtlichen Fingern und Füßen juckt, bei einem Nonstoplauf über 320 km eine Schlafstrategie zu planen. Um dann zu erfahren, dass ich die Planung schon in der ersten Nacht vergessen kann. Dessen ungeachtet, liegen meine Prioritäten für die kommende Saison anders.

Projekt Phönix startete am 5. November, direkt nach der wohlverdienten sportlichen Fast-Nulldiät im Anschluss an den letzten Lauf der Saison.

Ich werde euch von Zeit zu Zeit über meine Erfahrungen, Erfolge und Rückschläge berichten. Über Irrwege, Korrekturen und neue Erkenntnisse. In diesem Artikel sollen die wesentlichen Elemente in Stichpunkten genügen.

– mentales Träning
– andere Haltung: ich trenne konsequent zwischen Wettkämpfen (da strenge ich mich an, riskiere etwas) und Genussläufen
– Aufbauträning ab 5. November. Schwerpunkt Athletik (Kettlebells, Seilhüpfen und Gelenkmobilisation, vier- bis sechsmal wöchentlich). Wenig Laufen, vielleicht zweimal in der Woche.
– ab Anfang Januar wird mehr gelaufen
– ich differenziere stärker zwischen Tempoläufen, Grundlagenausdauer und trail-spezifischem Träning
– ich bilde einen Träningssockel. Darunter verstehe ich die tägliche Dosis Träning, die ich zu mir nehme. Lieber wenig und regelmäßig statt mit großen Abständen umfangreich tränieren.
– schöne Saisonplanung. Das Zeug mit den Mikro- und Makrozyklen…
– ganz wichtig: ich führe wieder ein Träningstagebuch!

Die Maßnahmen von Projekt Phönix sind, wenn man sich die Liste anschaut, also weder besonders originell, einfallsreich oder ambitioniert. Stinknormales systematisches Träning wie es in jedem besseren Ratgeber steht. Machen muss man’s halt.

Und wie das klappt, wenn man macht, darüber halte ich euch auf dem Laufenden.

Übrigens: auch wenn der Artikel kurz vor der Jahreswende erscheint, sind es keine „guten Vorsätze“!

John Vonhof „fixing your feet“

Rezension „Fixing Your Feet“ von John Vonhof

Fußprobleme dürften den meisten Läufern aus eigener Erfahrung geläufig, wenn nicht in schmerzlicher Erinnerung sein. Blasen, Hagglundsferse, Fersensporn, Muskelschmerzen, Sehnen und Bänder, und, und, und.
Wenn ein Körperteil beim Laufen besonders beansprucht wird, sind es sicher die Füße. Wir trampeln mit ihnen hunderte Kilometer auf Asphalt, Steinen, im Sand und Schnee herum. Sie werden heiss, kalt, nass – und sind nicht immer allzu sauber. Wen wundert es also, wenn unsere Füße im harten Dauereinsatz Probleme bereiten.

Während es jedoch etliche Bücher mit Trainingstipps gibt, vom Laufeinstieg über Dehnübungen, Tempotraining bis zur Marathonvorbereitung, gibt es kein einziges, das sich mit genau diesem Thema beschäftigt.
Kein einziges? Nicht ganz. John Vonhof hat mit „Fixing Your Feet“ ein solches Buch verfasst.
Vonhof, selbst Ultraläufer und Organisator des Ohlone Wilderness Trail Run über 50 km, hat im Laufe der Jahre als medizinischer Betreuer von Sportveranstaltungen, und nicht zuletzt als Läufer, einen riesigen Fundus an praktischer Erfahrung und theoretischem Wissen erworben. Kurzum: der Mann weiss, wovon er spricht.

Zunächst vermittelt er ein grundlegendes Verständnis von Füßen, Schuhen, Socken, Einlegesohlen und ihrem Zusammenspiel.
Schon dieses Grundlagenkapitel führte mir meine Ignoranz vor Augen, denn bis dahin hatte ich mir in dieser ausführlichen, analytischen Form weder Gedanken über Socken, noch über die anatomischen Besonderheiten von Füßen gemacht. Und das, obwohl ich sehr breite Füße habe, die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten sind mir wohlbekannt.

Vonhof führt zu Beginn aus, für jedes mögliche Problem gäbe es mehrere Lösungen. Dabei wird er nicht müde zu betonen, dass nicht jeder Ansatz in jeder Situation funktionieren muss. Was tatsächlich hilft, muss man schon selbst herausfinden. Das bedeutet, der Läufer muss auf ein möglichst großes Repertoire an Maßnahmen zurückgreifen können, um sich – und anderen – zu helfen.
Hier liegt für mich (auch) ein wesentlicher Verdienst Vonhofs: Er gibt die Gewissheit, dass die meisten Probleme an Füßen vermeidbar sind. „Meine Füße und ich, wir schaffen das!“, würde ich die Haltung des Buches in einem Satz zusammenfassen.

Diese Haltung wird, wie gesagt, durch ein riesiges Repertoire gestützt, welches Vonhof dem Leser kompetent nahebringt.

Dabei gliedert sich das Buch in je einen großen Abschnitt mit Aktionen zur Prävention, und solchen zur Behandlung. Vonhof nennt das proaktiv bzw. reaktiv.
Alleine das Thema „Blasen“ umfasst in den Abschnitten über Vorbeugung und Behandlung rund fünfzig Seiten. Wie entstehen Blasen? Was kann ich tun, um Blasenbildung im Ansatz zu erkennen – und zu stoppen? Wie beuge ich Blasen vor?
Dazu gibt es eine hübsche Liste: „175 Wege, um Blasen zu vermeiden“.

Auch andere Blessuren, etwa an der Achillessehne, beschreibt Vonhof nicht nur anhand der Symptome, sondern er legt anhand der Entstehungsmechanismen dar, welche Präventivmaßnahmen und Therapien sich eignen. Er nennt Mittel und Wege, die zur Linderung beitragen, zum Beispiel geeignete Dehnübungen oder Änderungen am Schuhwerk. Was mir besonders gut gefällt: Er scheut sich nicht, Grenzen der (Selbst-)therapie zu nennen.

Inhaltlich lässt das Buch keinerlei Wünsche offen; selbst Läufer, die sich bereits mit der Thematik auseinandergesetzt haben, werden wertvolle Tipps abgreifen können. Dabei bleibt der Text sehr gut verständlich, viele Abbildungen tragen dazu bei, Vertrauen in sich selbst, seine Füße und vor allem in die Lösbarkeit eventueller Schwierigkeiten herzustellen.

Wie für amerikanische Autoren typisch, untermauert auch Vonhof seine Kapitel mit Erfahrungsberichten von Läufern und Betreuern. Die reichhaltig vorhandene Materialkunde, die viele Abschnitte abschliesst, muss man sich für europäische Verhältnisse zurechtbiegen, beispielsweise ist mir Compeed geläufiger als 2ndSkin. Wobei es in Zeiten des Internets nicht allzu schwer sein dürfte, auf den entsprechenden Webseiten der Hersteller nach Bezugsquellen zu fahnden.

Über das Buch hinaus betreibt John Vonhof eine Website und einen Blog gleichen Namens unter www.fixingyourfeet.com
Für viele ist es sicher schade, dass das Buch nur auf Englisch erhältlich ist. Es hätte eine Übersetzung ins Deutsche wirklich verdient.

Mein Tipp: unbedingt kaufen!

John Vonhof
Fixing Your Feet
ISBN-10: 0899976387

Fahrtspiel-Spielereien

Pi
Fahrtspiel-Rhythmus nach Pi

Tempoträning, liebe Läuflinge, ist bekanntlich anstrengend und bisweilen öde. Öde jedenfalls dann, wenn Intervalle gelaufen werden. Womöglich gar solche Sachen wie „sechs mal Tausend Meter auf der Bahn“. Sehr wirkungsvoll, aber langweilig. Wie schön, dass in den 1930er Jahren ein Schwede namens Gösta Holmér eine weit kurzweiligere Methode erdachte: das Fahrtspiel, auf schwedisch Fartlek.

Das Fahrtspiel gilt als äußerst effektive Methode des Tempotränings, dessen Grundidee in der Variation der gelaufenen Geschwindigkeit liegt. Der Läufling spielt mit dem Tempo.
Träningsratgeber nennen meist zwei Varianten des Fartlek: einerseits das völlig freie Spiel mit dem Tempo, bei dem nach Lust und Laune schneller oder langsamer gelaufen wird. Zum anderen gibt es eine strukturiertere Form als Abwandlung des Pyramidentränings. wikipedia nennt als Beispiel 2-4-7-5-3-1, dazwischen je 1–2 Min locker traben.

Beide Varianten gefallen mir gut, alleine keimte in mir der Wunsch, mir eine wenig strukturierte Struktur vorzunehmen. Bitte den letzten Halbsatz nochmal lesen.
Ich meine damit, dass ich es witziger finde, wenn ich mir eine wilder gemischte Folge von schnell und langsam zu laufenden Abschnitten vornehme. Denke ich mir selbst was aus, schleicht sich vielleicht eine Art Pyramide durch die Hintertür ein, ohne dass ich es merke.

Was also tun? Ich will mir eine Folge von zu laufender Strecke vorgeben, ohne sie mir auszudenken. Nach kurzer Grübelei fiel es mir wie Schuppen vom Fisch. Ich brauche nichts ausdenken, wozu gibt es schließlich die Mathematik, die so trefflich wilde Zahlenfolgen liefert!
Für den Anfang zog ich d Pi, und die Eulersche Zahl heran (Komma interessiert mich hier nicht), jeweils die ersten 8 Stellen.
Pi: 3,1415926
Euler: 2,7182818

Nach kurzem Nachdenken habe ich beschlossen, die einzelnen Ziffern als Minuten anzusehen, und den zu laufenden Rhythmus daran auszurichten.
In der Pi-Variante laufe ich daher 3-1-4-1-5-9-2-6 Minuten schnell, dazwischen mit zwei bis vier Minuten Trabpause. In der Summe macht das 31 Minuten Tempo. Die kürzeren Abschnitte laufe ich natürlich zügiger als die längeren. Euler liefert mir sogar 37 Minuten, so vollkommen unstrukturiert ist der Wechsel von ziemlich kurzen, und ziemlich langen Teilstrecken allerdings nicht. Insofern ist mir Pi sympathischer.
Timer der Uhr auf eine Minute gestellt, und los geht’s. Nur mitzählen muss ich die Minuten, weil die Uhr leider nur das klassische Intervallträning kennt.

Was bringt’s? Vom Träningseffekt her sicher genauso viel oder weniger wie jedes andere Fahrtspiel. Es macht Spaß, wenn ich mich beim Fahrtspiel an den beiden Zahlen orientiere! Was ist heute dran? Pi oder laufe ich nach Euler?

Ausgleichssport (3): Swingstick

Als Mensch, der stets auf der Suche nach neuen Träningsmitteln zum ausprobieren ist, bin ich vor einiger Zeit auf den Swingstick (Flexi-Bar, Bioswing…) gestoßen. Vor ein, zwei Jahren hatten sie noch mehr Medienpräsenz, mittlerweile ist es ruhiger darum geworden. Gut für mich, denn der Aldi meines Vertrauens bietet Swingsticks zu einem Preis an, der mich nicht lange nachdenken lies. Kaufen und ausprobieren!

Was genau ist ein Swingstick, wie wirkt er auf den Körper – und, vor allem: kann ich mich damit anfreunden?
Der Swingstick – darf ich den Begriff übersetzen? – also: der Schwingstab ist eine eineinhalb Meter lange Stange aus glasfaser verstärktem Kunststoff. An den Enden befinden sich Gewichte, in der Mitte ein Griff. Wer in der Schule mit seinem Plastiklineal gespielt hat, wird sich noch daran erinnern, dass es damals lustig vibrierte, wenn man es mit der einen Seite auf den Tisch gedrückt hat, während man die andere antippte.

Beim Schwingstab ist es nicht anders. Einmal in Schwingungen versetzt, muss man zwei Dinge tun: erstens diese Bewegung aufrecht erhalten, und zweitens festhalten.
Das strengt an, und darin liegt auch das Träningsprinzip dieser Geräte: der Körper, vor allem die Rumpfmuskeln, halten die Position des Körpers gegen eine von außen wirkende Schwingungsbelastung stabil. In den Anleitungen ist immer von der Tiefenmuskulatur die Rede, jenen kleinen Muskeln entlang der Wirbelsäule.

Zu Beginn fiel es mir schwer, den Stab auch nur zehn Sekunden so schwingen zu lassen, dass ich an irgendwelche weiter gehenden Übungen denken konnte. Nach ein paar Versuchen ging es dann auf einmal. Im Nachhinein betrachtet hatte ich den Rumpf nicht stabil genug gehalten. wieder was gelernt, genau darum geht’s schließlich.
Im Spiegel schaut es übrigens sehr ulkig aus: ein mehr oder weniger ruhig stehender Mensch, der ein wild oszillierendes Etwas festhält. Seither nenne ich den schwingenden Stab nur noch „Das Rote Wibbel-Wibbel“.

Und wie träniert es sich mit dem Ding? Es gibt, wie könnte es anders sein, unzählige Übungen, die sich mit dem Stab durchführen lassen. Wobei ich präziser sagen müsste: man kann viele verschiedene Haltungen einnehmen, in welchen man stabil bleiben muss. Halteübungen mit zusätzlicher Erschwernis, wenn man so will.
Vieles kennt man daher schon, zum Beispiel jene Position, in der man am Boden sitzt, Beine und Oberkörper befinden sich in Schräglage in der Luft. Geht auf die Bauchmuskeln, und der rote Schwinger setzt noch einen obendrauf.
Und so ist es kaum erstaunlich, wenn die Swingerei tatsächlich anstrengt. Wenn ich den Berichten in Zeitschriften und auf Webseiten Glauben schenke, so scheint der Träningseffekt beim langfristigen, regelmäßigen Swingen mit anderen Methoden vergleichbar zu sein. Ich drücke mich absichtlich vorsichtig aus, denn ich habe weder Studien recherchiert, noch habe ich selbst ausreichend träniert, um einen persönlichen Eindruck erhalten zu haben. Eine positive Wirkung ist zumindest plausibel.

Nicht ausreichend mit dem Swingstick träniert? In der Tat. Nach anfänglicher Experimentierfreude finde ich es praktisch, den Stick mal eben in die Hand zu nehmen, wenn ein paar Minuten Zeit sind. Er ist also nicht das Träningsgerät meiner Wahl geworden, Begeisterung würde sich anders äußern.
„Mal eben schnell zwischendurch“ ist etwas anderes, als den Swingerstock ernsthaft in das Träningssystem einzubinden. Ich vermag mich nicht vollkommen auf ihn einzulassen, ihn ernst nehmen.

Mir geht es ebenso wie mit den „klassischen“ Halte- und Rumpfübungen (Liegestütz, Frontstütz, Sit-Ups…), die mir Pflichtveranstaltung sind. Die Vernunft gebietet mir, es zu tun, also tue ich es, weil ich um den Nutzen weiß. Spaß macht es mir, offen gestanden, nicht. Für die Ergänzung favorisiere ich stattdessen nach wie vor meine Kettlebells, denn das Träning mit ihnen macht mir Freude. Ein Swingstick ist gewiss ein gutes Träningsgerät, mit dem der Läufling seine Defizite effektiv abbauen kann. Für mich selbst aber nur sporadisch als Lückenfüller zum Auflockern. Und auch das nur, weil er ohnedies herumsteht.

Mein persönliches Fazit lautet also: Swingen? Nicht mein Ding.