50 km Rodgau

Der 50 km Lauf des RLT Rodgau Ende Jaunuar ist so etwas wie das inoffizielle Jahrestreffen der Ultraszene. Für die einen ein langer Träningslauf, während andere, in der Nachsaison fleißiger träniert habend, schon den Saisonbeginn feiern.
Damit man auf fünfzig Kilometer kommt, muss die 5 km lange Runde nach Adam Riese zehn mal umrundet werden. Klingt langweilig? Im Grunde schon, wäre da nicht der Zeitpunkt, zu dem die Veranstaltung stattfindet. Ende Januar, das liegt bekanntlich mitten im Winter.

Und das bedeutet wiederum: In Rodgau ist es kalt und rutschig. Ich gehe einen Schritt weiter, indem ich behaupte: ein Läufling war nur dann in Rodgau, wenn er fror und rutschte.
Meistens ist noch Wind. Wer die Strecke kennt, weiss, was ich meine: auf der freien Fläche pustet es dann kräftig. Nicht dieses Jahr allerdings.
Dafür boten gut drei der fünf Kilometer eine geschlossene Schneedecke, die je nach Abschnitt fröhliche Abwechslung bot: mal festgetrampelt auf Eis, dann wieder etwas weicher, damit die Füße Löcher strampeln konnten. Wer Lust hatte, konnte die Bedeutung des Wortes Propriozeption (Eigenwahrnehmung) am eigenen Leib erfahren. Mal ein wenig rutschen, dann wieder freudig in eine Unebenheit. Für Beine und Gleichgewichtssinn gab es einiges zu tun!

Soviel, dass ich mich zu einem Adjektiv inspiriert sah: einen Lauf, bei dem es kalt, und die Strecke rutschig ist, nenne ich fortan „rodgau“. Rodgau war dieses Jahr sehr rodgau.
Was wiederum gut ist. Wäre Rodgau weniger rodgau, weil man den Lauf zum Beispiel im Mai veranstaltet, dann, ja dann würden wir von einem popeligen Fuffziger auf einer stinklangweiligen Fünfkilometerrunde reden. Da kommt doch keiner. Ultras wollen leiden. Je rodgau ein Lauf ist, desto besser.

Und Rodgau ist meistens rodgau, deshalb ist der Rodgauer Fünfziger ein fest etablierter Anziehungspunkt für Ultras, dessen Attraktivität sich in steigenden Teilnehmerzahlen zeigt.
Es erstaunt mich immer wieder, wie gut es dem RLT gelungen ist, damit Schritt zu halten. Mittlerweile starten über achthundert Läuflinge, die von den freundlichen Helfern bestens betreut werden. Sie waren eifrig damit beschäftigt, die sehr schwere Strecke mit viel Einsatz (Split streuen, Eis hacken) für die Läuflinge wenigstens einigermaßen laufbar zu machen. „Es“ war stärker als sie, der Weg wurde im Laufe des Tages eher noch rutschiger.

Parkplätze sind übrigens knapp – kein Problem, die freundlichen Einweiser geben Tipps, wo sich das Auto in der näheren Umgebung legal abstellen lässt. Es wäre schließlich zu dumm, nach fuffzich Kilometern in der Kälte zu einem längst abgeschleppten Auto zu laufen.

Laufen, genau. Von der „Infrastruktur“ zu Start und Ziel liegt ein runder Kilometer, der per Pedes zurückgelegt werden will. Die meisten legen sich warme Klamotten bereit (dafür steht etwas Grillhütten-Ähnliches im XXL-Format zur Verfügung). Umziehen gestaltet sich dank steifer Beine (vom Laufen) und Finger (von der Kälte), nun, sagen wir: interessant. So mancher Läufling erwarb seine Daunenjacke einzig zu dem Zweck, den Weg „zurück“ in leidlichem Komfort zurückzulegen. Ich phantasierte in meiner letzten Runde davon, mein Chauffeur (den ich nicht habe) stünde mit dem vorgeheizten Rolls-Royce (den ich auch nicht habe) direkt nach der Ziellinie bereit, um mich gepflegt nach Hause zu chauffieren. Ist schließlich sein Job als Chauffeur. Schon die Berufsbezeichung „Chauffeur“, die sich vom Französischen „Heizer“ (frz. chaud = heiss) herleitet, schickt warme Schauder über meinen Rücken.
Mangels Rolls und Chauffeur griff ich notgedrungen auf meine warme Kleidung zurück. Selbst das: ein Labsal!

Vor den Siegerzeiten in 3:08 (Männer) bzw. 4:04 Stunden (Frauen) kann ich nur ehrfürchtig erstarren. Ich selbst lief 5:05:26, womit ich aus meiner bescheidenen Sicht mehr als zufrieden bin, hatte ich mich im Winter doch mehr auf Athletik konzentriert.

Wie ich schon sagte: Du warst nur in Rodgau, wenn es kalt und rutschig, also rodgau, war. 2013 war Rodgau sehr rodgau. Hurra, ich war in Rodgau!

Projekt Phönix (2): wie läuft’s?

Das Projekt Phönix, das mich zu einem „besseren“ Läufling machen soll, läuft seit dem 5. November des letzten Jahres. Da kann ich kurz innehalten, und mich fragen: was hat sich geändert?

Was wollte ich überhaupt verändern?
Ein besserer Läufling werden, das war und ist mein Ziel.
Besseres Träning, mehr Träningsdisziplin. Freilich erwarte ich mir auch bessere Zeiten bei Wettkämpfen. Der Lohn der Mühen darf sich gerne in Ergebnislisten niederschlagen.

Und wie sollte das gleich wieder vonstatten gehen?
Ich zitiere den ersten Artikel der Serie zum Projekt Phönix, denn ich bin ein faules Stück und stehe dazu!
– Aufbauträning ab 5. November. Schwerpunkt Athletik (Kettlebells, Seilhüpfen und Gelenkmobilisation, vier- bis sechsmal wöchentlich). Wenig Laufen, vielleicht zweimal in der Woche, ab Januar dann mehr.
– ich bilde einen Träningssockel. Darunter verstehe ich die tägliche Dosis Träning, die ich zu mir nehme.
– schöne Saisonplanung. Das Zeug mit den Mikro- und Makrozyklen…
– ganz wichtig: ich führe wieder ein Träningstagebuch!

Ach wie ist es schön, wenn ich mein Träningstagebuch ansehe, das ich in einer hübschen Tabelle meines Computers pflege. Und wie ich mich freue, wenn ich etwas neu eintragen kann. Wie herrlich, wenn ich den Plan mit dem ausgeführten Träning vergleiche! Selbst wenn ich mal weniger tränierte als geplant: egal.
Denn erstens klappte es auf Anhieb, einen Träningssockel zu bilden, und zweitens habe ich eine schöne Kontrolle über die Zyklisierung: bei den Makrozyklen bedeutet das, drei Wochen langsam steigern, dann eine Woche locker. Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert, wenn ich schwarz auf weiss sehe, dass ich tatsächlich so träniert habe, wie ich sollte.

Angefangen habe ich damit, dass ich viermal in der Woche ein Kettlebellprogramm absolvierte. Nicht immer die gleiche Abfolge, schließlich will ich Spaß dabei haben. Darüber, was ich genau treibe, schreibe ich in einem eigenen Artikel. Dazu kommt ein bis dreimal Laufträning wöchentlich.

Was ich als Morgenmuffel nur empfehlen kann: erstmal mit Gelenkmobilisation hübsch aufwärmen. Mein träger Leib lässt sich austricksen, wenn ich schon im Bett mit leichten Übungen beginne.
Ob es daran liegt oder am Bellen, ich bin weniger verspannt als sonst. Bürojobs lassen Nackenmuskeln gerne aushärten wie Beton im Sommer. Eine Woche vor dem Computer, und der Rücken ist hart wie Siegfrieds Haut nach dem gemeinsamen Bad mit dem Drachen. Und jetzt? Locker und luftig. Meistens jedenfalls.
Klar, dass ich kettlebelltechnisch Fortschritte mache. Ist nicht das primäre Ziel, aber ich nehm’s gerne mit! Genauso übrigens beim Seilhüpfen. Meine Güte, wenn ich mir vorstelle, wie krampfig das zu Beginn nicht funktioniert hat. Mittlerweile wage ich gar herumzuspielen.

Was bringt’s?
Das wichtigste zuerst: ich spüre wieder Leidenschaft! Wenn ich an das Träning der beiden letzten Jahre zurückdenke, kommen mir eher Gedanken an „Einheitsbrei“ in den Sinn als Erinnerungen an Würze und Abwechslung. Mal zwischendrin Gas zu geben, die Sau rauslassen! Dann wieder fröhlich Bellen! Und den Fortschritt dokumentieren. Tief durch, ein, ausatmen. Die Vögel zwitschern…nein, das nicht, wir haben noch Winter.

Höheres Tempo scheint mir zumindest auf kurzen Strecken leichter zu fallen. Ich drücke mich absichtlich vorsichtig aus, weil ich keine Ahnung habe, ob das Bellen alleine einen Beitrag geleistet hat, ob ich mehr Biss entwickelte, oder, oder, oder.
Wieso das Bellen? Vor drei Wochen habe ich bei den Swings meinen Pulsgurt getragen. Ich staunte nicht schlecht, dass die Herzfrequenz in dem Bereich lag, in dem ich Tempoträning mache. Gepaart mit Seilhüpfen wird es sich zumindest nicht nachteilig ausgewirkt haben.
Wo ich mir sehr sicher bin: Bellen hilft bergauf und bergab. Sonntag im hügeligen Odenwald merkte ich deutlich, dass mich die Kraftanstrengung bergauf weniger anstrengte als sonst. Ich mache mir ein Kompliment für den letzten Satz: „die Kraftanstrengung strengt mich weniger an“. Da klopf‘ ich mir selbst auf die Schulter und frage mich, ob ich eine Fußballkarriere anstreben soll. Die nötige Rhetorik bringe ich mit.

Aber ich schweife ab. In der nächsten Zukunft will ich den Anteil des Laufens am Träning steigern. Ich bin mir noch unschlüssig, wie weit ich das Ergänzungsträning reduziere. Ob ich das Ergänzungsträning reduziere. Bis jetzt hatte ich allenfalls sieben Stunden in der Woche träniert, da ist genug Raum nach oben. Bellen und Laufen, eine schöne Kombination für eine Träningseinheit mit großem Nachteil: es dauert länger. Und das bedeutet, noch früher aufzustehen. Ich bin Morgenmuffel.

Beim Laufen selbst ist sicher, dass ich stärker differnziere. Hatten wir ja schon: ein Bergträning sei ein Bergträning, Tempo sei Tempo und herumgekaspert wird sowieso. Wenn ein hübsches Hügelchen in der Landschaft herumsteht, werde ich ihn mir gönnen!

Morgen ist in Rodgau ein erster Test kurz vor Saisonbeginn. Lange Läufe hatte ich kaum gemacht, der längste vor einer knappen Woche. Und selbst das keine drei Stunden. Andererseits meine ich, dass ich insgesamt besser vorbereitet bin als, sagen wir: letztes Jahr. Ist das „gefühltes Träning“?
Egal, ich werde sehen was passiert. Freu‘ mich drauf. Und werde berichten.

Über die Pflichtausrüstung

Ende August, irgendwo im Mont-Blanc-Massiv, irgendwann mitten in der Nacht. Es ist mit rund 5 Grad lausig kalt und diesig. Schneeregen und Wind verleihen dem Wetter das Prädikat „usselig“, wie der Kölner es ausdrücken würde. Mit Regenhose und Poncho über den Laufklamotten ist mir zumindest warm. Im Rucksack wartet ein trockenes Laufleibchen vergeblich darauf, dass es noch kälter wird. Gut zu wissen, dass ich im Falle des Falles noch nachlegen könnte.
Wir springen in der Zeit drei Tage zurück. In herrlichem Sonnenschein warte ich mit etlichen anderen Läuflingen bei der Startnummernausgabe des UTMB darauf, dass man unsere Pflichtausrüstung kontrolliert.

Pflichtausrüstung ist bei Ultra-Trails üblich. Pflichtausrüstung. Pflicht! Ich kann es auf den Tod nicht leiden, wenn man mir Vorschriften macht. Vor allem dann, wenn die Ausrüstungsliste (nur) das enthält, was ich sowieso mitnehmen würde. Weshalb muss das denn Pflicht sein? Und dann wird sie auch noch kontrolliert! Das gibt mir ein déjà-vu, schließlich war ich beim Bund. Hamse jedient? Jawoll! Und jetzt wollen wildfremde Menschen schon wieder einen Blick in mein Allerheiligstes werfen? Als wüsste ich nicht selbst, was ich brauche. O warum nur, warum?

Tja, wieso gibt es diese Pflichtausrüstung? Ich wortklaube, zerlege das Wort in seine Bestandteile, das hilft mir meist bei der Suche nach Erkenntnis. Ich grübele über „Ausrüstung“. Und über die „Pflicht“, sie mitzunehmen. Grobe Pflichtverletzungen werden ja bekanntlich sanktioniert mit Fegefeuer und Startverbot.

Die Frage, mit der ich mich dem Thema „Ausrüstung“ annähern will, stelle ich mir im Kontext dieser Situation:
Ich gedenke, mich im Gebirge sehr, sehr lange zu bewegen. Sagen wir, über eine Distanz von hundert Kilometern. Ich werde auch bei Nacht unterwegs sein.

Was nehme ich mit?

Mir fallen die Survival-Ratgeber wieder ein, die ich als Teenie verschlungen habe. Gebirge, das heisst, es kann kalt werden, das Wetter kann schnell umschlagen. Ich kann mich verletzen, und muss vielleicht auf Hilfe warten.
Nein, das ist kein City-Marathon, wo sich im schlimmsten Fall zwanzig Zuschauer um mich kümmern. Bei Trails wie dem Ultra Trail du Mont Blanc liegen die Verpflegungsstellen rund zehn Kilometer auseinander, teilweise mehr. Auch wenn Rettung naht: es kann dauern, bis sie nah genug ist.

Was nehme ich mit?

Nachts wird es bekanntlich dunkel. Mit leeren Batterien macht die Sache wenig Freude. Noch weniger, wenn der Weg schlecht und holprig ist. Soll in den Bergen ja vorkommen. Also Lampe und Ersatzbatterien.
Was haben wir bisher in der Bilanz möglicher Unannehmlichkeiten? Scheißwetter, ziemlich weit weg vom Schuss, Wege bieten die Chance auf Umknkicken, Abstürzen, und dergleichen mehr. Ich könnte Hunger haben. Der Abstand zwischen zwei Verpflegungspunkten kann sich ziehen. Und wo ich schonmal dabei bin, gleich ein Erste-Hilfe-Set; das Fußplege-Kit ist sowieso dabei.
Im Notfall jemanden anrufen, das wär’s natürlich! Gesegnet sei der Mobilfunk. Einschließlich geeigneter Nummer. Nein, nicht die von Tante Elsa, mit der sich so trefflich plaudern lässt. Hoffentlich gibt’s Netz da oben. Und wenn nicht? Trillerpfeife. Man weiss ja nie.

Ach ja, das Wetter. Soll im Gebirge zickiger sein als jede Tussi. Warme Klamotten wiegen fast nix, und dann noch was gegen Regen.

Also nochmal: Was nehme ich mit?
In meinen Rucksack packe ich all das, was mir der angewandte gesunde Menschenverstand eingibt. Am Ende steht eine Liste, die sich kaum von dem unterscheidet, was im Reglement unter „Pflichtausrüstung“ aufgeführt ist.

Von der Kür gelangen wir zur Pflicht. Wieso sagt man den Teilnehmern nicht, worauf sie sich einlassen, um dann eine Ausrüstungsempfehlung zu geben? Wenn dann jemand meint, er müsste unbedingt in kurzen Hosen und Singlet nächtens von Pass zu Pass springen, mag er das gerne tun. Auf eigenes Risiko. In dieser Hinsicht bin ich bekennender Darwinist.

Die Krux scheint mir darin zu liegen, dass Veranstalter von der öffentlichen Meinung abhängig sind. Falls etwas passieren sollte, liegt die Schuld nicht bei dem Vollpfosten ohne vernünftige Ausrüstung, sondern wir dürften Schlagzeilen erwarten in der Art von „wieder Katastrophe bei einem Berglauf“. Dann kommt unweigerlich jemand darauf, dass „Ultra“ weiter ist als ein Marathon. Und schon der ist ja eine ganz extreme Sache. Mithin ist Ultra per se Wahnsinn. Noch dazu in den Bergen.
Schuld hat natürlich wer? Genau, der Veranstalter. Weil er den Teilnehmern keinen beheizten Ruheraum hinterherträgt. Oder weil er zulässt, dass diese Wahnsinnigen ihren Wahnsinn betreiben. Und, vor allem, weil er der Veranstalter ist. Auf Eigenverantwortung hinzuweisen, ist ja leider aus der Mode gekommen.

Ich gebe es ungern, und nur protestierend mit den Zähnen knirschend, zu: ich kann den Zwang, bestimmte Dinge mit sich herumzutragen, nachvollziehen. Auch die Kontrollen.
Nun ist jedes System höchstens so gut, wie das System, welches es schlägt. Deshalb wird es Leute geben, die viel Überlegung dareinstecken, wie sie einen Teil ihrer Pflichtausrüstung zur Nichtausrüstung machen können. Wenn es dann unterwegs kalt und usselig wird, wenn Hunger und Kälte nagen, wenn gar die körperliche Unversehrtheit gefährdet ist: selbst schuld. Der Veranstalter kann auf sein Reglement verweisen und ist zumindest halbwegs aus dem Schneider.

Pflichtausrüstung? Angewandter gesunder Menschenverstand. Über einzelne Positionen lässt sich diskutieren. Die Sache mit dem Zwang aber…
Ich fürchte, der ist nicht für uns Läuflinge gedacht (auch nicht für die ohne Ausrüstung). Sondern für die Medien konsumierenden Sportmuffel. Ich höre mich wieder knirschen.

Tabata – das Wunderträning?

Tabata. Klingt in meinen Ohren wie ein Klamottenladen. Das mag daran liegen, dass ich früher öfter an einem solchen mit Namen Zapata vorbeikam. In Wahrheit handelt sich bei Tabata jedoch weniger um die hohe Kunst, sich trendig zu kleiden, sondern um, so der Anspruch, eine hoch wirksame und sehr effektive Trainingsmethode. Über Tabata wird viel geschrieben, zum Großteil gleichermaßen euphorisch wie unreflektiert.
Erdacht wurde die Methode nach dem Japaner Izumi Tabata, womit die Herkunft des Namens erklärt wäre.

Was ist Tabata?
Tabata zählt zur Gruppe der HIIT (high-intensity interval training) Verfahren. Die Methode geht auf eine Studie des namensgebenden Izumi Tabata zurück, die anno 1996 die Effekte ebensolcher HIIT-Trainings untersuchte. Zusammenfassung Tabata Studie
Darin tränierte eine Gruppe viermal wöchentlich nach der Tabata-Methode (die damals noch nicht so hieß), am fünften Tag waren 30 Minuten „zügig“ angesagt, bevor wiederum vier Tabata-Einheiten folgten. Was tat die Kontrollgruppe? Fünfmal bei 70% der Sauerstoffkapazität. Also Vollgas gegen „zügig“.
Wichtigstes Ergebnis: die Tabata-Tränierenden konnten ihre Sauerstoffkapazität deutlicher steigern.

Wie funktioniert Tabata?
20 Sekunden volle Kanne im Wechsel mit 10 Sekunden aktiver Erholung. Izumi Tabata schlägt vor, diese Sequenz 8 Mal durchzuführen, nach vier (!) Minuten wäre das Träning vorbei.
Lohnt kaum, sich umzuziehen. Wenigstens kann man sich vorher noch aufwärmen. Kann? Muss! Volle Kanne heisst wirklich: alles was geht. In der Studie triezten sich die Sportler bei 170% VOmax! Das bedeutet: mehr Leistung, obwohl der Körper keinen weiteren Sauerstoff mehr verarbeiten kann.

Tabata – ein Mythos hinterfragt
Wenn wir genau hinsehen, was damals untersucht wurde, werden wir keinen Hinweis auf Fettverbrennung finden. Addieren wir außerdem die Zeit, in der die Tabata-Tränierenden sich aufgewärmt haben (10 Minuten vor jeder Sitzung), plus 2 Minuten zum Abkühlen danach, kommen wir zusätzlich auf über 70 Minuten „normales“ Träning in der Woche. Versprechungen (damit meine ich auch solche, die man sich selbst macht) in der Art „viermal Tabata in der Woche, das sind 16 Minuten in denen ich mich anstrenge. Flugs werde ich topfit“ zieht das logischerweise den Boden unter den Füßen weg.
Und: hochintensives Träning ist offenkundig wirklich hochintensiv. Siehe oben: Hundertsiebzig Prozent. Das ist, mit Verlaub, an der Kotzgrenze.

Davon abgesehen: die Wirkung hängt davon ab, wie fit man schon ist. Mein Vorteil an dieser Stelle: ich bin schlecht genug, dass ich mich leicht steigern könnte. Wenn, ja wenn ich lupenrein HIIT tränieren würde. Ich habe keine Ahnung, ob und wie der gemeine Läufling von weniger als vier Einheiten in der Woche profitiert.

Zuweilen stolpere ich über Träningsprogramme, die ebenfalls das Schlagwort „Tabata“ tragen. Oft auch im Zusammenhang mit Kraftträning, Kettlebell Workouts, und was es sonst noch gibt. Man präsentiert gerne eine Übersicht: 20 Sekunden Arbeit gefolgt von 10 Sekunden Pause. Dieses 8 Mal durchführen.
Wie war das gleich wieder in der Studie? Tabata setzt auf 20 Sekunden an der Kotzgrenze! Kurze Intervalle mit Pausen sind bestimmt anstrengend, keine Frage. Aber eben nur dann „Tabata“, wenn, ja wenn entsprechend träniert wird. Nicht überall, wo Tabata draufsteht, ist auch Tabata drin.

Tabata und vergleichbare HIIT-Träningsmethoden wirken also innerhalb der Rahmenbedingungen, für die sie untersucht wurden. Ein System des Körpers wird durch den Träningsreiz überlastet, folglich reagiert es durch Anpassung.

Tabata, ein Wundermittel? Nein. Kein Wunder, oder?
Tabata, nur ein fauler Zauber? Auch nicht. Wer es konsequent umsetzt (und wenn die Rahmenbedingungen stimmen), darf sich aber freuen, wenn sich andere über erstaunliche Steigerungen „wundern“.
Mich deucht, diese „Weisheit“ kann man auf die meisten Träningsmittel, -methoden und was weiss ich noch übertragen: Kaum macht man es richtig, wirkt es. Ein Wunder, ein Wunder!

Jeff Martone „Kettlebell Rx“

„Ein Amateur übt, bis er es richtig macht. Ein Profi übt, bis er es nicht mehr falsch machen kann.“
Mein Lieblingssatz aus Jeff Martones Buch „Kettlebell Rx“, den ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufe, wenn ich beim Erlernen neuer Techniken vorschnell zur nächsten Übung schreiten will.
Martone gilt als renommierter Kettlebellträner, dessen Website tacticalathlete.com auf einen recht erfolgreichen Instruktor mit fundierter Ausbildung deutet.
Mit seinem Buch, dessen Aufmachung an einen Ratgeber für die Medikamenteneinnahme erinnert, spannt er einen Bogen von grundlegenden Bewegungsmustern über Kettlebell-Übungen zum Kettlebellsport.
Es ist von seinem didaktischen Aufbau her eines der besten, die ich bisher in Händen hielt. Die vorgestellten Übungen bauen auf einander auf, so dass man sich im Verlauf des Buches von den einfacheren Swings zu komplexeren, anspruchsvollen Übungen wie den Snatches hocharbeitet. Wem das nicht genügt, der wird voller Freude auf Kombinationen stoßen, die, nebenbei bemerkt, unheimlich viel Spaß machen.

Damit der Lernerfolg beim „Technikerwerbstraining“ nicht lange auf sich warten lässt, stellt Martone jeweils vorbereitende Übungen an den Anfang eines jeden Kapitels.
Strecksprünge bereiten zum Beispiel den Swing vor, denn die richtige, explosive Hüftstreckung ist in beiden Fällen identisch. Nach ähnlichem Muster wird jede Kettlebell-Übung grundlegende einzelne Teilabschnitte aus grundlegenden Bewegungsmustern zerlegt, die es einzuschleifen gilt. Wenn die richtig sitzen (er nennt es „Drill“), setzt man aus ihnen die komplette Übung zusammen.
Wer mit einem Partner träniert, über hinreichend Selbstwahrnehmung verfügt, oder anderem das „Bellen“ beibringen möchte, profitiert davon, dass Martone ausführlich auf typische Fehler und ihre Korrektur – auch dafür gibt es spezielle, korrigierende Übungen – eingeht.
Anstelle des häufig anzutreffenden Schemas – eine Handvoll Fotos mit mäßig Text dazu – geht Martone einen gründlichen Weg: Die wesentlichen Schritte einer Bewegungssequenz werden, hübsch durchnummeriert, aus zwei Perspektiven (frontal und seitlich) dargestellt, zu jeder Nummer beschreibt er, was der Sportler tun muss.

Martone legt großen Wert auf korrekte Ausführung. Wie gesagt: solange üben, bis man es nicht mehr falsch machen kann.
Zuweilen liegt es nicht nur im Interesse des Sportlers, wenn die Übung richtig durchgeführt wird, denn weil Kettlebells eben auch „nur“ irgend ein Gewicht sind, lassen sie sich unter Umständen durch ein anderes Objekt ersetzen. Und so findet sich im Buch eine nette Bilderfolge, in der Martone einen Turkish Get-Up durchführt. Anstelle der Kettebell kommt er mit einer jungen Dame am ausgestreckten Arm vom Liegen zum Stehen.

Inhaltlich konzentriert Kettlebell Rx sich auf grundlegende Techniken. Wer mehr variieren will, oder gar den Anspruch hat, einen vollständigen Katalog aller Kettlebell-Übungen vorzufinden, wird enttäuscht sein. Allerdings ist das kein Manko, denn weitere Übungen bauen auf den vorgestellten Grundlagen auf. Mit etwas Phantasie lassen sich weitere Variationen leicht integrieren. Und, glaubt mir, wer alles beherrscht, was Martone zeigt, hat genug Auswahl um sich fit zu machen.
Was mir fehlt, sind Hinweise zum Aufbau eines Träningsprogramms, denn über die Drills zum Einschleifen der einzelnen Übungen hinaus enthält das Buch nur wenige Informationen. Ein paar grundlegende Prinzipien stehen drin, ebenso finden sich eine Handvoll Seiten mit Träningsprogrammen zu den ballistischen Übungen (Swings etc.) und den Hand-to-Hand Drills, also alles, wobei man die Kettlebell von einer Hand in die andere übergibt. Eine Prise Crossfit Workout nehme ich gern zur Kenntnis, für ein echtes System bleiben die dargestellten Programme zu isoliert voneinander. Ich vermisse den übergeordneten Kontext. So bleibt das Buch in diesem Punkt hinter den Erwartungen zurück.

Wie liest sich „Kettlebell Rx“? Man kennt das ja aus manchen Büchern zum Thema „Bewegungsausführung“. Trocken wie die Sahara. Kettlebell Rx gehört zu den erfreulichen Ausnahmen. „Locker im Ton, aber deutlich in der Sache“ trifft es sehr gut, wobei auch der Humor nicht zu kurz kommt.

Girevoy, der reine Kettlebell-Sport, auf den Martone gegen Ende des Buches eingeht, ist zwar nicht mein Thema, ich anerkenne aber, dass das Buch ohne dieses Kapitel unvollständig wäre. So als würde in einem Buch zum Thema Laufen nicht irgendwo stehen, dass es auch Wettkämpfe gibt.

Fazit: erstklassiges Referenzwerk zum Technikerwerb. Kein Buch zur Träningsplanung.

Jeff Martone
Kettlebell Rx: The Complete Guide for Athletes and Coaches
ISBN-10: 1936608995