Schmutzfuß oder auf sauberen Sohlen? Laufschuhe reinigen.

Welche Farbe haben eure Laufschuhe? Nein, nicht die Farbe, die sie beim Kauf hatten, sondern jene, die ihr seht, wenn ihr jetzt (jetzt!) nachseht. Meine sind größtenteils von einer graubraungrünen Schicht überzogen, durch die die serienmäßige Farbe gleichermaßen tapfer wie erfolglos hindurchzuschimmern versucht.
Und weil sich im Innern gerne Teile der heimischen Natur Moos, Tannennadeln, Hölzchen, Kleinlebewesen zu einem meiner Ansicht nach wenig schützenswerten Biotop zusammenfinden, sehe ich mich zeitweilig genötigt, dem Treiben ein Ende zu bereiten. Weil’s nervt, wenn Fauna sich in Füße bohrt.

Also Schuhe putzen.

Wirklich? Schuhe? Putzen?

Schauen wir uns die Dinger in ihrem natürlichen Lebensraum genauer an: artgerecht gehalten, tragen wir sie bei jedem Wetter nach draußen. Wenn ich von meiner mitteleuropäisch geprägten Läuflingsexistenz ausgehe, ertragen sie nicht nur mein Körpergewicht, sondern Temperaturen zwischen minus zwanzig, und, wenn es hoch kommt, vielleicht mal plus vierzig Grad Celsius.
Sie werden mit Sand, Staub, Erde, Dreckwasser, Schlamm und allem anderen besudelt, was der Untergrund eben so hergibt. Als ob das nicht genügen würde, helfen des Läuflings Füße durch eifrige Schweißproduktion mit, Laufschuhe in Objekte von auserlesener farblicher und olfaktorischer Zusammensetzung zu verwandeln.
Zudem dringen kleine Steine, Moos- und Graspartikel und was weis ich noch in sie ein. Wenn ich meine Latschen davon befreie, beschleicht mich zuweilen der Anflug eines schlechten Gewissens. Zerstöre ich möglicherweise ein wertvolles Biotop? Mache ich mich des Artensterbens schuldig?

Bislang hat noch jedes Mal mein Bedürfnis, in bröckchenfreien Schuhen unterwegs zu sein, obsiegt.

Also doch saubermachen, nur: wie?

Dreckkrusten außen machen nicht nur das Laufen unschön, sie neigen dummerweise auch dazu, sich dort abzulösen, wo sie Kollateralverschmutzungen anrichten. In Wohnungen, Autos, und eben sonst, wo es Teppiche gibt. Und so nehme ich mir ein Beispiel an den Wandersleuten. Die schlagen seit Generationen ihre Schuhe gegeneinander, dass der Schmutz nur so spritzt!
Und innen? Bei meinen gefühlten Anschlägen auf die Biodiversität nehme ich die Innensohle heraus, entferne alles, was stören oder gar Blasen bilden könnte, um dann das Gleiche mit dem Restschuh zu tun. Hartnäckige Grassamen, Stacheln oder Dornen, die sich in die Polsterung gebohrt haben, werden ausgezupft.

Damit wäre der mechanische Teil erledigt. Und der Rest wie Gerüche oder Farbveränderungen, vulgo Dreckschlieren? Hier scheinen sich die Geister zu scheiden. Neue Schuhe kaufen, Waschmaschine oder Handwäsche? Und welches Waschmittel? Etliche Treffer der Google-Suche nach dem Stichwort “Laufschuhe reinigen” warnen eindringlich davor, sie in die Waschmaschine zu stecken. Nienicht, auf gar keinen Fall!
Das häufigste Argument, sagt, die Temperatur sei zu hoch, möglicherweilse könnte sich der Klebstoff auflösen. Ich kann dem nicht folgen. Nehmen wir einen hübsch heißen Sommertag, sagen wir: 35°C Außentemperatur. Wir lassen außer Acht, dass der Asphalt, auf dem wir laufen, eventuell noch wärmer ist. Von innen versuchen die Füße gegenzuhalten, sagen wir, mit knapp unter 30°C (wer mehr wissen will: Temperaturverteilung menschlicher Körper. Ich kenne niemanden, Badwater Finisher ausgenommen, der jemals über temperaturgeschädigte Klebeverbindungen berichtet hätte. Sicherheitshalber werde ich ein paar Schuhhersteller fragen, für welche Temperaturen sie ihre Produkte auslegen.

Was ich sagen will: die Temperaturen in der Waschmaschine sind auch nicht höher als im normalen Leben eines Schuhs. Nein, Schuhe sind natürlich keine Kochwäsche!
Ich vermag mir weder unter mechanischen, thermischen, noch chemischen Aspekten ein Risiko für die Schuhe vorstellen, das sie mehr schädigen kann als ….. Laufen.

Stark, damit meine ich wirklich starrrrrrrk, also total verdreckte Latschen, bei welchen sich der Dreck schon in der Polsterung festgesetzt hat, um im Laufe der folgenden Monate herauszubröseln, kommen bei mir in die Waschmaschine. Separat, bei 30° ohne Waschmittel.
Handwäsche mit sanfter Seife (was auch immer das ist, vermutlich Schmierseife) wird ebenso häufig propagiert, wie man von der Waschmaschine abrät. Dazu empfiehlt die Arbeit mit einer nicht allzu harten Bürste – die Variante mit Drahtbürste in der Bohrmaschine scheidet also aus. Ich bin für derlei schlicht zu faul. Was nicht abfällt, oder in der Waschmaschine entfleucht, bleibt halt dran. Kein strahlendes Weiss, keine leuchtenden Farben. Sei’s drum.

Trocknen können die Schuhe, wenn ich sie denn einer Feuchtreinigung unterzogen habe, an ihrem angestammten Lagerort. In der Zwischenzeit, bis sie wieder einsatzfähig sind, darf eines der anderen Paare herhalten. Ich weiss nicht, was ich täte, wenn ich nur einen Satz hätte, oder wenn ich mein Lieblingspaar unbedingt und schnellstmöglich wieder nutzen wollte. Wahrscheinlich würde ich dem Vorschlag folgen, sie mit Papier auszustopfen, um das Ensemble (Innensohlen irgendwo obendrauf!) in einen trockenen Raum oder die Nähe einer Heizung zu stellen, selbstredend würde ich die Grenzen der thermischen Belastbarkeit respektieren…

Mikrowelle geht leider nicht, die ist nur für Pudel.

Glaube ich.

Ultra ohne Uhr

Zeit-los
zeit-los Laufen ohne Uhr
Würde man einen Läufling auffordern, eine “typische” Handbewegung zu machen, es würde jene kominierte Rotations- und Schwenkbewegung des zumeist linken Armes ausgeführt, welche den Blick auf die Uhr kennzeichnet. Ich kenne viele Menschen, die sich köstlich über den Uhrblick nach der Ziellinie amüsieren. Gleich nach dem Hochreißen der Arme, und stets begleitet von jenem beseelten Lächeln, das man außerhalb des Sports allenfalls mit HIlfe von bewusstseinserweiternden Substanzen hinbekommt.
Besagter Kontrollblick nach dem Ziel ist nur die Spitze des Eisbergs, denn wir nutzen die tragbaren Kleincomputer bereits während des Laufes so ausgiebig, dass ich mich manchmal frage, wann ein Modell herauskommt, das mir den Blick in die Natur / auf den Weg komplett “erspart”. Puls, Strecke, gestoppte Zeit, momentane und durchschnittliche Geschwindigkeit, Höhe (aktuell und zurückgelegte Höhenmeter), die Strecke als Grafik, das alles will vom menschlichen Gehirn erfasst und überwacht werden. Diverse Träningsprogramme mahnen mich piepsend, wenn es an der Zeit ist, mit dem Tempo rauf oder runter zu gehen. Und mit dem “Virtual Partner” bin ich nie alleine unterwegs!

Irgendwann begann ein leiser Zweifel an mir zu nagen. Der Zweifel, ob ich die angebotenen Informationen immer brauche. Muss ich, wenn ich einfach mal ein Stündchen vor mich hin traben will, wirklich wissen, ob ich dabei 9, 10, oder 11,018 Kilometer zurückgelegt habe? Brauche ich Informationen über meine Herzfrequenz, wenn ich gar nicht vorhabe, in einem definierten Pulsbereich zu bleiben? Und so wagte ich mich zaghaft an die ersten Laufeinheiten ohne Uhr. Ganz ohne Uhr. Keine Zeit, kein Puls, nichts. Wahrlich, anfangs befiel mich beim Blick auf mein nacktes, leeres Handgelenk eine innere Unruhe. Irgendwann hatte ich mich jedoch dran gewöhnt, so dass ich den Handgelenkscomputer nunmehr nur noch einsetze, wenn ich die Informationen auch wirklich nutzen will. Ja, das gilt auch für die Streckenlänge, seit ich mich von der Kilometersammelei verabschiedet habe: Mein Haus. Mein Boot. Meine Wochenkilometer.

Alsbald fühlte ich mich reif, das uhrenlose Laufen im großen Rahmen, gar im Wettkampf, durchzuführen. Beim Keufelskopf Ultratrail lies mich die Angst vor der eigenen Courage kurz vor dem Start noch einen Rückzieher machen. Weshalb nur? Welchen Halt hätte mir die Uhr geben können? Ein Beispiel, das illustriert, welch eigentümliche Blüten eine als solche empfundene psychische Abhängigkeit treiben kann. Ich schob meinen Selbstversuch daher auf, nicht ohne mich über mich selbst und über meine Feigheit zu ärgern. Wenn ich schon zunächst kalte Füße bekommen hatte, wollte ich es mir gleich bei einem anspruchsvollen Ultra zeigen: vier Wochen später, beim Zugspitz Ultratrail. So glasklar der Entschluss war, so frei blieb ich von jeglichem unguten Gefühl (huch, ohne Uhr?). Beim Zugspitz Ultra findet es statt, das zeit-lose Experiment.

Wie war es für mich?
Schön war’s! Zu keiner Zeit habe ich irgendwas vermisst, im Gegenteil: mein Kopf war frei, ich konnte mich, ganz wie geplant, auf den Lauf konzentrieren, habe mich ausschließlich auf mein Körpergefühl verlassen. Dazu fielen zwei mögliche Aspekte komplett weg: einerseits der selbsterzeugte Druck, der durch das Schielen auf die Cutoffzeiten bzw. den erst größer, dann eventuell kleiner werdenden Puffer entsteht: “was? nur noch 110 Minuten Puffer? Bei der letzten VP waren es noch 122 Minuten”. Andererseits die gemütliche Aussicht auf eben jenen Puffer: “schön, zwei Stunden Zeitguthaben, da kann ich mir Zeit lassen.” Weder das Eine, noch das Andere: einfach nur laufen!

Es war vollkommen problemlos, wobei ich mich frage, welche Probleme denn hätten auftreten können. Anders ausgedrückt: welche Informationen, die mir Garmin oder eine andere Uhr bieten, hätte mir durch ihr Fehlen denn Schwierigkeiten bereiten können?
– Puls? Ich lief ausschließlich nach Körpergefühl. Dass der Puls bergauf, in größeren Höhen oder wann auch immer etwas ansteigt, merke ich auch so. Ich muss das nicht numerisch haben.
– Strecke? Ist ausreichend markiert, also auch nicht notwendig.
– Zeit? Ich sah die Cutoff-Zeiten nicht als Problem an, ebensowenig bin ich schnell genug, als dass Best- und sonstige Zeiten für mich relevant wären.

Fazit.
Polar, Garmin & Co bieten uns Breitensportlern Möglichkeiten, von denen noch vor zehn Jahren keiner geträumt hat. Ich wechsle die Perspektive, indem ich, statt “irgendwas” mit den gelieferten Daten zu tun, die Frage stelle: Welche Informationen will ich nutzen?
Genau die sind es, die ich gezielt abfrage. Ist der Kontext ein anderer, lasse ich die Uhr weg, um befreit zu laufen.

Mein Haus. Mein Boot. Meine Wochenkilometer.

Wochenkilometer
Nicht meine Wochenkilometer

Menschen sind seit jeher Jäger und Sammler. Oder beides, wenn das Sammeln von Statistikdaten über die Jagdbeute hilft, andere zu beeindrucken. Der gemeine Läufling, stets auf der Jagd nach Bestzeiten, dem Idealgewicht, oder sich selbst, greift allzu gerne zu den Segnungen der modernen Technik, um sein Träning im Vergleich zu bewerten. Idealerweise führt der Vergleich zu einem Resultat der Form “mehr als”. Mehr als letzte Woche / Monat / Jahr, oder “mehr als du”.

Und so tut der Läufling das, was ihn die Revolution gelehrt hat. Ein kurzer Blick zurück zeigt uns, dass schon der Höhlenbewohner gerne die kahle Wand seiner Behausung mit Abbildungen der erlegten Mammuts, Mufflons oder was da sonst so kreuchte und fleuchte dekorierte. Eine Sitte, die lange vor der Raufasertapete ausstarb. In der Neuzeit adaptierten Teile der Menschheit diesen Brauch, indem sie aus gezählten Mammuts Kerben im Colt machten. Der vorläufige Gipfel solcherlei Auswertung findet sich in Form von Strichen auf Flugzeugen. Ich rede von denen aus der Ära Richthofen. Erster Weltkrieg, Abschüsse und so.
Vorläufig, denn ein sportliches Dasein lässt sich ohne Zahlen nicht denken. Und so sind es auch wir Läuflinge, die wir unsere erlaufenen Kilometer akribisch speichern, auswerten und natürlich publizieren. Garmin & Co erleichtern uns das Erfassen der Daten – vielleicht erinnert sich ein älterer Sportler an jene Zeit, in der die Länge einer Strecke dadurch ermittelt wurde, dass man sie entweder mit dem Fahrrad abfuhr, oder per auf die Karte gelegtem Bindfaden.
Heute sind wir bekanntlich weiter, also: Garmin an, Garmin auslesen. Daten bei Jogmap ablegen, kmspiel nicht vergessen. Dann GarminTrainingCenter oder SportTracks oder Excel oder Papier. Nein, kein Papier.

Nun dürfen wir nicht vergessen, dass es Situationen gibt, in denen auch der voll austränierte Läufling mental, sagen wir: instabil ist. Ernsten Schaden wird des Läuflings Psyche nämlich dann nehmen, wenn er feststellen, dass sein Garmin keine Daten aufzeichnen konnte. Weil der Akku leer wurde. Weil das Satellitensignal zwischendrin verloren ging. Dann ist die Enttäuschung zunächst groß, bis, ja bis die Erinnerung an technikarme Zeiten einsetzt, woraufhin die nicht getrackten Daten nach bestem Wissen und Gewissen geschätzt werden. Leichte Streuung nach oben oder unten (hier ringen dann Ehrgeiz und Ehrlichkeit miteinander) wird in Kauf genommen.

Was zählt, was gezählt wird, sind gerne die Wochenkilometer. Hier beginnt für mich die Grübelei mit der Definition von “Woche”. Vielmehr mit der Frage, ob ich mich an einer Kalenderwoche orientieren muss, oder ob sich eine Woche durch sieben aufeinander folgende Tage auszeichnet. Feiertage, die sich hervorragend für zusätzliche längere Einheiten eignen, lassen die Statistik nach oben ausschlagen, während sich außergewöhnliches berufliches Engagement (Träningsausfall!) entsprechend negativ auswirkt. Um diese Ereignisse auszugleichen scheint es mir sinnvoll, an jedem Tag die Summe der zurückliegenden sieben Tage zu bilden.

Wochenkilometer lassen sich ideal durch Kilometerbolzen in flachem Gelände optimieren. Jedwede Form von Tempoträning, Lauf-ABC, Athletikübungen stört dabei.
Mit den Wochenkilometern lässt sich nur renommieren, wenn der Läufling auf das Meiste dessen verzichtet, was Träningsratgeber, Vernunft und dergleichen ihm anraten. Eine Stunde Rumpfträning = 0 (NULL!) Kilometer. Täglich 15 Minuten Gymnastik – Nix! Radfahren oder Schwimmen zählt, wenn überhaupt, nur bedingt, und das noch dazu in der falschen Statistik.
Wohl dem, der in der Ebene wohnt, noch schlimmer dran ist derjenige, dessen saisonale Zielsetzung ihn zu vertikalem Träning nötigt. Neulich brauchte ich für eine Strecke von 4,29 Kilometern genau 1 Stunde und 31 Minuten, als ich die Heidelberger Himmelsleiter drei Mal lief. Mit Blick auf die Kilometersammlung völlig kontraproduktiv. Unter dem Träningsaspekt mit der Zielsetzung, etwas für Bergtrails wie den Zugspitz Ultratrail zu tun, genau richtig, waren es in Summe doch 870 Höhenmeter. In einer Statistik, die auf Streckenkilometer schielt, wirkt das eher peinlich. Man hört förmlich die Frage “weshalb hat der das überhaupt gezählt?”. Ja, wieso eigentlich?

Wieso sammeln wir Daten?
Vom Posieren abgesehen, hilft eine statistische Überwachung bei der Träningssteuerung. Diese Überwachung müsste unterschiedliche Aspekte des Tränings berücksichtigen, nur: spätestens wenn zwei Sportler verschiedene Ziele verfolgen, steht die Vergleichbarkeit in Frage. Da fällt mir die Fabel vom Hasen und dem Igel ein. Der Träningshase protzt mit 150 Wochenkilometern, um im Wettlauf vom Igel düpiert zu werden. Wetten dass Arabnora, so der “fabelhafte” Name des Igels, tempotränierte? Die Version mit dem Igelpärchen ist eine Propagandalüge der Excelverfechter!

Was wären die Alternativen?
Eine relativ objektive Größe kann der Energieverbrauch sein. Man komme mir bitte nicht mit Kalorienverbrauchszählern bei den Garminnern. Das stellt einen doch gleich in die Ecke “20 Pfund abnehmen in nur drei Tagen”. Mag ja sein, aber ich brauche das Bein noch. Und ist man erst aus der Ecke raus, wird die nächste Statistik einseitig betrachtet. Keine Wochenkilometer mehr, sondern Kalorien.
Andererseits ist die Zeit als Vergleichsgröße meiner Ansicht nach deutlich aussagefähiger als die zurückgelegte Strecke, denn sie deckt die verschiedenen Dimensionen eines systematischen Tränings besser ab. Auch die lässt sich auch die Träningszeit missbrauchen. Zwei Stunden täglich spazierengehen ist ja spätestens dann als Träning aufzufassen, wenn ich buntere Klamotten anhabe als im Büro. Und selbst da würde ich jede tippende Minute als Träning der Unterarmmuskulatur ansehen. Also auch nix. Trotzdem ist es mir, wenn ich eine Kontrollgröße für mich selbst einführe, lieber, die aufgewendete Zeit dafür heranzuziehen als die Kilometer.

Schlussendlich ist selbst einfaches Laufträning zu komplex, um es auf eine eindimensionale Betrachtungsgröße abzubilden, egal auf welche. Wenn es denn sein muss, und sei es nur für das bessere Gefühl, ist mir die Träningszeit lieber. Mein Auto. Mein Haus. Und letzte Woche waren es dreißig Stunden.

KUT 2012: teuflisch toll!

KUT 2012
KUT 2012 (Quelle: laufticker.de)
Eric Tuerlings rief nach Reichweiler, und viele Ultratrailer folgten. Kein Wunder, denn der Keufelskopf Ultra Trail bietet mehr, als das Herz begehrt. Zumindest, wenn es sich um das Herz eines Ultratrail-Läuflings handelt. Wieso “mehr”? Nun, Eric würzt den anspruchsvollen Trail mit einer erfrischenden Prise Humor. So gibt es ein Schild mitten im Wald, auf dem “beware of the chair” zu lesen ist. Während der Neuling ins Grübeln über den tieferen Sinn des Satzes kommt, geht der routinierte Ultrarunner von der üblichen Retardierung aus, die sich nach einigen Stunden des Laufens einstellt. Durchschnittstempo aus Strecke und gelaufener Zeit ausrechnen, das funktioniert nur unterhalb der Marathondistanz. Aber weit gefehlt, denn ein, zweihundert Meter weiter steht dann tatsächlich ein verlockend bequem aussehender Campingsessel an der Strecke, umsäumt von einigen Kisten Bier.

Sowas gefällt mir, und nachdem ich den KUT (es heisst wirklich Keufelskopf mit “K”) bis dato nur aus Erzählungen kannte, war ich dieses Jahr auch dabei. Teilweise jedenfalls. Das bedeutet, dass ich euch erstmal was vorjammere, bevor ich weiterschreibe.
Was mir so als Überschrift in den Sinn kommt, wenn ich nicht gefinished habe… “Scheitern als Chance” war eine Zeitlang heißer Kandidat, letztlich dann doch zu banal. Kennt man schließlich schon von diversen Lebenshilfe-Ratgebern. In der Tat, ich habe den KUT nicht beendet, weshalb ihr erstmal mein Gejammer lesen müsst. Und Jammern heißt: erstmal Ursachen finden, in ehrlichen Momenten “Ausreden” genannt. Was bietet das Repertoire denn? Am Freitag abend schon ziemlich platt angekommen, dann nur viereinhalb Stunden Schlaf (erst schwer eingepennt, dann um vier Uhr geweckt worden. Wieso steht jemand um vier auf, wenn der Start erst um 6 Uhr ist? Darüber muss ich einen eigenen Beitrag schreiben). Und definitiv zuwenig gegessen. Das merkte ich deutlich an Tempo und Kraft in den Beinen; gegen Ende – meinem Ende, nicht dem des Laufes – kam ich selbst gehend kaum Anstiege rauf. Abgesehen davon, dass ich hundemüde war, und zeitweise kaum aus dem Gähnen rauskam. Nunja, im Nachhinein lassen sich leicht Gründe finden. War eben nicht mein Tag, nächstes Jahr wieder. Genug gejammert, ihr könnt jetzt weiterlesen.

Ansonsten ist der KUT Genuss pur für jeden, der anspruchsvolle Trails mag. In einer Gegend, in der die Hügel bestenfalls knapp 600 m hoch sind – eben jener Keufelskopf – eine Trailstrecke mit mehr als dreitausend Höhenmetern zusammenzurkriegen, ist eine wahre Kunst, und Eric beherrscht sie. Natürlich sind die einzelnen Anstiege verglichen mit alpinen Trails recht kurz, und natürlich bleibt es nicht aus, dass ein und derselbe Berg mehrmals aus verschiedenen Richtungen erklommen wird. Allerdings wird dies nur einem besonders aufmerksamen Teilnehmer auffallen. Dafür freut man sich über Single Trails, Bachquerungen, vereinzelt Schotterstraßen, Wiesen und den einen oder anderen Abhang eines Steinbruchs, den man mit Hilfe eines Seils ersteigt. Zwischendrin mal wieder durch Brennesseln oder über / unter umgestürzte Bäume, und stets begleitet von Erics Spruchtafeln, die immer korrekt mit Quellenangabe versehen sind, sofern es sich nicht um Eric eigene handelt. Hat der Mann promoviert, wenn er Zitate so kennzeichnet? Oder haben gewissse Skandale schon die halbe Bevölkerung traumatisiert? Wahrscheinlich ist er nur fair und tut das, was anderen gut zu Gesichte gestanden hätte….aber lassen wir die Politik.

Was man unbedingt wissen muss, und wer sich die Ausschreibung durchliest, weiß es, ist, dass es an den Verpflegungsstellen offiziell nur Wasser gibt. Man kann als Teilnehmer Eigenverpflegung an die Labestellen bringen lassen, Eric und sein Team transportiert aber nur flüssige Nahrung. Kein Gel, das würde konsequent aussortiert. Theoretisch lässt sich auch ein Schweinebraten mit Klößen und Rotkraut pürieren, verdünnen und in Flaschen abfüllen, in der Praxis nimmt man sich eben mit, was man unterwegs essen will.
Muss man dann aber auch machen (siehe Gejammer oben). Die Kenntnis der kargen Kost erspart einem dafür die komischen Gedanken, die kurz vor der Verpflegung im Hirn kreisen. “Ein Riegel wär’ jetzt nicht schlecht, aber es kommt ja gleich die Verpflegung. Hunger hätt’ ich schon. Vielleicht ein kleiner Bissen? Aber…” Die Frage stellt sich nicht, weil es eh’ nichts gibt außer Wasser. Also herzhaft reingebissen.

Bleibt abschließend anzumerken, dass der KUT, der mittlerweile eine feste Größe im Kalender vieler Läufer ist, vom örtlichen Sportverein in Reichweiler, einer kleinen Gemeinde mit 450 Einwohnern organisiert wird; das dafür nötige Maß an Idealismus kann sich jeder vorstellen. Eric denkt sich übrigens jedes Jahr zusätzliche “Gemeinheiten” aus. Man munkelt daher, die roten Teufelshörnchen, die er am Veranstaltungswochendende auf dem Kopf zu tragen pflegt, gehörten zu seiner Anatomie.
Nächstes Jahr wird es also etwas schwerer. Ich freu’ mich darauf, die restlichen elf Kilometer der Strecke auch noch kennen zu lernen. Habe noch eine Rechnung mit dem “Keufel” offen.

Wer sich mit Bildern den Mund wässrig machen möchte:
KUT Website
laufticker.de

Unnatural Running

Da ist er schon wieder. In irgendeinem Magazin. Ein weiterer Schuhproduzent treibt die Sau durchs dorf: Natural Running. Es ist DER Super-Hyper-Mega-Giga-Tera-Exatrend der letzten Tage, Wochen, Monate, was weis denn ich. Natural Running – natürliches Rennen. Ich dachte immer, Laufen sei an sich eine natürliche Art der Fortbewegung. Bei den meisten Leuten schaut es in der Tat natürlich aus; selbst Ultraläufer wirken, trotz oft eigenwilligem Schlappschritt, immer natürlich. Beinahe, als sei “Laufen” dem Menschen per Evolution in die Wiege gelegt worden. Aber ich lasse mich natürlich gerne eines Besseren belehren.

Das Gegenteil zum Natural Running ist wohl Unnatural Running. Wir Läuflinge haben das offenkundig vor der Entdeckung des natürlichen Laufens betrieben. Unnatural Running ruft in meinem Hirn sofort Monty Python’s Ministry of Silly Walks in Erinnerung. Eine gute Idee, so ein Ministerium für Unnatürliches Laufen, dessen Sinn und Zweck darin bestünde, unnatürliche Laufstile zu entwickeln, erforschen, ihre Auswirkungen auf Konjunktur und Mensch zu untersuchen. Sollte man dem Kanzleramt vorschlagen. Noch besser, der EU. Ein EU-Ministerium für natürliches und unnatürliches Laufen! Ob John Cleese zur Verfügung stünde? Vielleicht sollte man erwägen, einen Griechen ins Amt zu bitten. Schon wegen des symbolischen Gehalts in der aktuellen Krise. Als Maskottchen böte sich Pheidippides an. Ist der damals eigentlich natürlich von Marathon nach Athen, bzw. von Athen nach Sparta gerannt? Englisch konnte er wohl nicht, andererseits blieb ihm mangels Ballen- und Fersengelpolster, ohne Mehrfachdämpfung, Pronationsstütze und Gore-Tex kaum die Alternative des Unnatural Running.

Wie dem auch sei, Running an sich ist also keinesfalls natural, es muss entdeckt, propagiert, gelernt und praktiziert werden. Und, machen wir uns nichts vor, das geht nur mit speziellen Schuhen. Die haben weniger Sprengung als andere Laufschuhe, weniger Dämpfung…. Ist es natürlich, wenn ich mit meinen natürlichen Rennschuhen auf einem unnatürlichen Untergrund – Asphalt – laufe? Geht das auch in der Stadt, oder nur in der Natur? Vom Laufband will ich nicht reden.
Wobei die Schuhkonstruktion ja nur der Anfang sein kann. Natürlicher wären natürliche oder naturidentische Materialien. Ich stelle mir Espandrille ähnliche Natur-Rennschuhe vor.
Wobei mir, vom Hype abgesehen, die Sache an sich sympathisch ist. Natural Running Schuhe sind schlussendlich einfachere Schuhe, bei denen meine Füße auch mitkriegen, was gerade läuft. Für mich gehört zum natürlichen Laufen allerdings entscheidend dazu, dies vorwiegend im passenden Geläuf zu tun. Also weniger Asphalt oder Schotter, sondern soviel wie möglich Single Trails (früher Trampelpfade genannt), Wurzelwege, oder einfach mal querfeldein.

Was mache ich eigentlich am Wochenende? Natürlich Laufen!