Das Buch zum Shirt

Früher war alles weniger. Vielleicht mehr Lametta, aber, global gesehen, insgesamt weniger. Wenn man ein neues Laufshirt kaufte, bekam man, nun, eben ein Shirt. Ohne Optionen. Und weil das alle so taten, entstand bei den Herstellern der Druck, besser oder wenigstens anders zu erscheinen als die anderen. Wie soll man sich von der Konkurrenz abheben? Mit einer netten Dreingabe vielleicht?
Als ich jüngst ein neues Laufleibchen erwarb, lag diesem ein Buch bei! Gut, es war kein vornehmer, in Schweinsleder gebundener Foliant, nichmal Hardcover. Wenn ich es recht bedenke, hatte das Buch überhaupt keinen Einband. Aber ich will nicht unken, als Leseratte freue ich mich über ein nettes, achtseitiges Buch.
Es ist ein überaus lehrreiches Werk, welches man mir mitgab, denn ich weiss zum Beispiel, dass besagtes Leibchen komplett aus Polyester hergestellt wurde. Das erfreut mich, denn ich will weder mit irgendeinem Bastard aus Polyester und Elastan, noch mit irgend so einem Plastikkram herumlaufen. Stattdessen: einhundert Prozent feinstes Polyester! So beruhigt, bleibt die sogenannte „Kaufreue“ aus. Ein kluger Schachzug des Herstellers.

Des Weiteren gibt man mir Ratschläge, wie das Shirt denn zu waschen und zu pflegen sei. Ich soll es bei dreißig Grad Celsius waschen, nur auf Weichspüler muss ich verzichten. Das ist schade, denn ich mag gerne weiche Klamotten an meinem zarten Leib. Zum Ausgleich zeigt der Produzent sein Herz für jene Läuflinge, die lieber laufen als waschen, denn Maschinenwäsche ist vollkommen in Ordnung. Sagt das Symbol. Wenn ich es eilig habe, kann ich sogar schleudern, und in den Trockner darf es auch. Toughes Teil, das muss an dieser Stelle mal gesagt werden!
Chemische Reinigung geht gar nicht, dafür ist es gestattet, mit dem Bügeleisen bei niedriger Temperatur etwaige Knitterfalten sanft zu glätten. Auch daran sehe ich, dass sich die Produktplaner intensiv mit den Bedürfnissen ihrer Kunden beschäftigt haben. Denn natürlich will kein Läufling ungebügelt durchs Ziel. Mir ist das nicht so wichtig, aber es ist doch schön, zu wissen, dass ich Bügeln könnte, wenn ich denn wollte.

Ein großes Manko des Werkes besteht meiner Ansicht nach darin, dass die Autoren sich nur unvollständig über die Art der Trocknung äußern. Sie sprechen zwar den Wäschetrockner an, aber was ist mit anderen Trockenarten? Kann ich es auf die Leine hängen oder muss es liegen? Wie ist es mit Sonne: darf ich mein Leibchen in der Sonne trocknen? Ich nehme zwar an, dass mir alle Möglichkeiten offen stehen, trotzdem wäre mir irgend eine Information dazu willkommen. Meinetwegen kann man ja ein Symbol anfügen, welches sagt „mach es, wie du es für richtig hältest, dem Produkt ist das egal“.
Hatte ich überhaupt erwähnt, dass diese Pflegeanleitung nicht in Textform, sondern in einer schönen, leicht zu entschlüsselnden Symbolsprache abgefasst ist?
Nun, jetzt wisst ihr es.

Und jetzt kommt das Beste: das Buch leistet einen Beitrag zur Volksbildung, denn es ist mehrsprachig verfasst! Sämtliche Angaben kann ich auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch oder Portugiesisch nachlesen. Ich weiss jetzt, was Polyester auf Japanisch bedeutet, und kann „Made in China“ in kyrillischen Buchstaben schreiben.
Wer weiss, wofür es gut ist. Vielleicht komme ich bei einem Ultratrail mal mit einem Malaien ins Gespräch, und irgendwann geht uns das Thema aus. Betretenes Schweigen. Unangenehm für beide. Bis uns einfällt, Waschtipps in seiner Muttersprache Bahasa Malayu auszutauschen: „Bügelst du deine Armlinge?“ „Ja, wenn ich sie nicht im Trockner hatte.“ „Sei aber vorsichtig mit der Temperatur. Ich kann meine nur relativ kühl glätten.“

Bei einer solchen Fülle an Wissen ist es jammerschade, dass das Buch nicht in einer Form beiliegt, die es mir gestatten würde, es gemeinsam mit anderen Werken industrieller Prosa in ein Regal zu stellen. Denn das Buch ist am Shirt angenäht. Sehr gut angenäht. Ich meine keine Fadenheftung, sondern ich rede davon, dass es mit der Seitennaht in Taillenhöhe vernäht ist.
Und das bedeutet, ich muss es entfernen. Einerseits aus Gewichtsgründen, denn bei einem luftig-leichten Shirt fällt ein mehrseitiges Buch ins Gewicht. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Außerdem piekst es.
Manche Hersteller setzen auf gewebeverstärktes Papier, was sich zwar für ein Buch ziemt, dafür aber die Haut peinigt. Mein spezielles Leibchen zählt zu den Premiumprodukten, und hat folglich ein Buch aus Stoff, dessen raue Kanten unangenehm reiben. Also weg damit, ich will schließlich nicht leiden.
Dieses „weg damit“ ist leichter gesagt, als getan, denn das Buch wurde in der Fabrik mit der Seitennaht sehr sorgsam befestigt. Ergo kostet es mich das Entfernen einige Mühe. Wenn ich die Hauptnaht nicht beschädigen will, schneide ich zunächst das Buch entlang der Naht ab. Es bleibt ein rechteckiger Rest in und unter der Naht. Weil ein Rechteck naturgemäß Ecken hat, pieksen diese ebenfalls. Somit geht der Griff zur Nagelschere, um die Ecken abzuschrägen. Immer mit der unter allen Umständen zu schützenden Naht im Hinterkopf. Nur keinen Faden durchschneiden! Nach getaner Arbeit stelle ich fest, dass ich aus vier Ecken nunmehr derer acht gemacht habe. Weniger spitz, aber immer noch fühlbar. Also versuche ich, eine Rundung hinzukriegen. Eine halbe Stunde und zwei, drei mittelschwere Tobsuchtsanfälle später habe ich ein wunderbares Laufshirt.

Fertig. Zeit für erbauliche Lektüre.

Nachdem ich das herausgetrennte Buch ein paar Mal durchgelesen hatte, warf ich es schlussendlich weg. Nicht ohne ein schlechtes Gewissen, denn ich anerkenne die Mühe, die man sich gemacht hat. Ohne das Buch würde ich mein neues Leibchen einfach in die Waschmaschine geworfen haben, hätte diese auf 30° gestellt, und das Ding später zum Trocknen auf die Leine gehängt. Ohne das Buch könnte ich nicht mehrsprachig über Textilpflege parlieren. Ohne das Buch wäre mir nicht bewusst, welch globale Präsenz die Marke meines Vertrauens hat. So aber gehe ich sehr bewusst mit meiner Kleidung um. Ich glaube, ich könnte mich noch mehr mit ihr identifizieren, wenn man dem Beispiel von Woolpower folgen würde. Der schwedische Hersteller schreibt bei jedem Kleidungsstück den Namen der Näherin dazu, die es zusammengenäht hat. Und, übrigens: nennt bitte noch den Verfasser. Auch wenn es wohl nicht zum Friedenspreis des deutschen Buchhandels reicht, selbst Autoren von Gebrauchsliteratur haben ein Recht auf Öffentlichkeit.

Zwischenzeitlich gibt es bei den meisten Marken Bücher, wenn man Laufkleidung kauft. Deshalb müssen sie sich etwas Neues einfallen lassen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Wie wäre es zum Beispiel mit einem passenden Regal?

Kombigeräte

Die Versuchung war groß. Sehr groß. Ich stand vor einem höchst attraktiven Laufleibchen, welches nicht nur bodygemapped war, sondern dazu noch an Schultern und Oberkörper eine wind- und wasserabweisende Hülle hatte. Also exakt dort, wo ich sie mir wünsche! Vorne konnte man zwei Eckchen aufklappen, um Lüftungsöffnungen freizugeben. Damit die Stoffteile dort bleiben, wo sie nicht stören, hatte man eine Befestigung nicht mit Klettverschluss, sondern per Magnet vorgesehen. Eine wahrhaft ingenieuse Lösung! Den kurzen Reißverschluss muss ich wohl nicht extra erwähnen, wohl aber die in Rückenmitte verlaufende Lüftungsöffnung. Und dieses herrliche Traumleibchen, dieses Wunderwerk der textil gewordenen Kreativität bot man zu einem beinah lächerlich günstigen Preis feil! Ich habe es nicht gekauft.

Ich besitze auch weder Laufsocken mit integrierten Gamaschen, noch Windstopper T-Shirts oder Vergleichbares. Und das, obgleich mich für diese Dinge begeistern kann. Es würde mir gefallen, wenn ich bei etwas Wind nur ein Kleidungsstück aus dem Fundus greifen müsste; ein Kleidungsstück, welches mehrere Schichten des Zwiebelschalenprinzips in sich vereint. Mein einziger Besitz, der so einigermaßen in diese Richtung geht, ist ein per Schnurzug zum Beanie zusammenziehbarer Fleeceschlauch, der an Stirn und Ohren einen Windschutz aufweist.

Aber, werden viele Läuflinge nun fragen, wenn er das so toll findet: weshalb kauft er’s dann nicht?
Nun, eigentlich ist es ganz einfach. Beziehungsweise nicht.
Nehmen wir ein T-Shirt als Beispiel. Beinah jeder Wettkampf beschert dem aktiven Läufling ein weiteres, hochwertiges Funktionsshirt. Dazu gibt die in Schichten organisierte Garderobe noch Langärmelige Leibchen verschiedenster Dicke her, sowas sammelt sich im Lauf (sic!) der Jahre einfach an. Obendrüber, je nach Witterung, Windweste, Regenjacke undsoweiter.
Angenommen, ich lege mir ein Windstoppershirt zu. Und wäre entzückt! Nach einigen Einsätzen nimmt es dann ein Aroma an, welches einen Waschgang nahelegt. Also griffe ich zu einem der anderen Shirts, das ich wetterbedingt mit einer mich vor dem Wind schützenden Weste ergänzen müsste.

Was mache ich eigentlich, wenn es mir mit dem Windschutz mangels Wind zu warm wird? Die Weste kann ich ausziehen, der Windschutz bleibt dran, da kann ich leiden, wie ich will. Davon abgesehen ist der Wind- und Wetterschutz umso wirkungsvoller, je weiter außen er in der Zwiebelschale angeordnet ist. Eine sturmfeste Basisschicht bedeutet, dass obendrüber ein, zwei Schichten liegen können, durch die es fröhlich hindurchpfeift. Ich will nicht leugnen, dass ich ein brustgepanzertes T-Shirt wahrscheinlich bei einer Witterung noch solo tragen würde, die mich ansonsten zur zweiten Lage greifen lassen könnte, dass ein Kombiprodukt, stabiles Wetter vorausgesetzt, wahrscheinlich einige Gramm Gewicht einsparen könnte.
Unterm Strich ziehe ich die größere Flexibilität des Zwiebelschalenprinzips vor, bei ich die Schichten bei Bedarf getrennt von einander einsetzen kann. Aktuell, das bedeutet: zum Zeitpunkt, zu dem ich dies hier verfasse, scheint mir die Kombination aus Zwiebel mit Bodymapping als „besonders wertvoll“.

Letzten Endes sind Verbundklamotten Spezialwerkzeuge mit einem eingeschränkten Einsatzfeld, in dem sie ein wenig besser funktionieren als gemeinsam getragene Schichten. Spezialfälle sozusagen. Vielleicht bin ich zu geizig, noch mehr spezialisierte Klamotten zu kaufen.

Der Lauf-Steg

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Immer hübsch gestyled

In Heidelberg liegt er am Neckar. In Hamburg ist es die Alster, und in München der Englische Garten: der städtische Lauf-Steg.
Um zu erklären, was das eigentlich ist, muss ich weiter ausholen: ein Lauf-Steg ist mit der Lauf-Strecke eng verwandt, und doch von ihr grundverschieden. Vielmehr: Weg und die ihn nutzenden Läuflinge machen den Unterschied aus. Nein, nicht ganz korrekt: erst durch die Symbiose von geeigneter Lauf-Strecke und Läuflingen kann ein Lauf-Steg entstehen. Beginnen wir also damit, beide etwas näher zu betrachten.

Wir lenken unseren Blick zunächst zur Laufstrecke. Eine solche hat ein jeder Läufling. Mindestens eine, die meisten gar mehrere, womöglich findet sich eine Lieblingslaufstrecke darunter. Auf ihnen widmet man sich der körperlichen Ertüchtigung, man „läuft“. Sommers wie winters, bei Tag und bei Nacht, Regen, Sonnenschein, was das Repertoire der dominierenden Klimazone eben bietet. All das finden wir auch am Lauf-Steg, der meistens in Citynähe liegt, worin sich das erste Unterscheidungsmerkmal manifestiert. Niemals wird man einen Lauf-Steg irgendwo mitten im Nichts finden, weit draußen vor der Stadt, gar im Walde mit unbefestigten Wegen. Undenkbar ein Steg im Industriegebiet, inmitten hässlicher Wohnsiedlungen. Zwar ist der Lauf-Steg eindeutig ein Element der urbanen Lauf-Kultur, direkt in der geschäftigen Innenstadt geht allerdings nicht, dort fehlt die Natur als gestaltendes, Atmosphäre gebendes Element.
Ambiente ist unerlässlich, es ist das Outfit des Lauf-Steges.

Outfit ist übrigens auch das Schlüsselwort, welches unsere Aufmerksamkeit auf die dort hauptsächlich anzutreffenden Läuflingen ebnet. Natürlich wird ein Lauf-Steg – wie auch die Laufstrecke – von einem heterogenen Publikum genutzt. Auf dem Lauf-Steg bestimmen durchgestylte Läuflinge das Bild.
Unter- und Oberkörperkleidung, selbst die Socken und Schuhe bilden ein farblich abgestimmtes, harmonisches Ganzes. Johannes Itten würde sich, entspannt auf einer Parkbank sitzend (und jetzt erzähl‘ mir keiner, es gäbe Lauf-Stege, an denen keine Bänke stehen), im offenkundigen Erfolg seiner Theorie der Farbtypen sonnen.
Das Styling macht natürlich nicht bei der Kleidung halt. Nein, Haare in und über dem Gesicht, Fingernägel und Make-Up sind ins Stylingkonzept integriert. Bevor jemand fragt: ja, für den Lauf-Steg schminkt man sich.
Ich wundere mich übrigens – wundere ich mich wirklich? – dass bei Schlamm und Nässe, selbst bei Schneematsch, weisse Klamotten auf dem Lauf-Steg weiss bleiben. Sämtliche anderen Wege beschichten Laufkleidung in Nullkommanix mit Dreck. Was einst Weiss war, nimmt nach wenigen Minuten eine dreckverkrustete Farbe an. Nicht so am Lauf-Steg. Strahlende Farben bleiben strahlend. Gibt es einen unentdeckten physikalischen Effekt, der nur auf Lauf-Stegen wirkt?
Lasst es mich anders formulieren: Lauf-Steg Läuflinge sehen nicht nur besser, vor allem aber aufwändiger aus als Läuflinge auf Laufstrecken. Oder Laufstrecken-Läuflinge, die auf Lauf-Stegen laufen.

Was mich am meisten erstaunt: Lauf-Steg Läuflinge scheinen nicht zu schwitzen. Man verstehe mich nicht falsch, natürlich zeigt ihr Antlitz Zeichen der Anstrengung. Ich meine gar, bisweilen gerötete Wangen und einmal sogar einen leichten Feuchtigkeitsfilm bemerkt zu haben. Aber sie sehen kaum angestrengt aus. Vielleicht fehlt auch der Impuls für einen ausgemergelt-gequälten Blick. Ich könnte direkt neidisch werden.

Und so bilden der Lauf-Steg und seine Läuflinge ein symbiotisch wirkendes Gesamtkunstwerk, eine im Sport verdichtete Win-Win Situation. Das Leben des Lauf-Stegs ist schön.

Ein bis zwei Mal im Jahr erlebt der typische Lauf-Steg eine Wandlung. Zwei Wochen lang kommen mehr und mehr Läuflinge zu ihm. Es ist die Zeit vor dem großen Tag des Citylaufs. Die Schönen werden noch schöner. Läuflinge jedweder Ausrichtung stellen sich ein, um herauszuholen, was sie in fünfzig Wochen versäumt haben. Und weil sich hierunter viele wenig gestählte, und kaum gestylte, Körper mischen, sinkt die durchschnittliche Schönheit des Gesamtkunstwerkes Lauf-Steg sogar ein wenig. Am Tag nach dem Event: Ruhe.
Nach zwei, drei weiteren Tagen gehört der Lauf-Steg wieder seinem angestammten Publikum. Das ist sehr schön.

Olümpia

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Olümpia...

Olümpia. Mythos und Medienereignis – jedenfalls bis vor kurzem. Olümpia, nur dem sportlichen Wettstreit verpflichtet, der Welt alle paar Jahre vom Olümpischen Kommitee dargebracht. Ich mag so gerne an etwas wie Olümpia glauben, etwas das nur von hehren Idealen getragen wird, so ganz im Gegensatz zur durchkommerzialisierten Welt. Olümpia, der idealistische Gegenentwurf zu, ach, eigentlich zu allem.
Einzig eine kleine Meldung, die vor den Spielen zu lesen war, erschütterte meinen Glauben an die tiefe Reinheit der olümpischen Bewegung ein wenig. Der Name „Olümpia“ sei geschützt, so liess das Olümpische Kommitee einige Anwaltskanzleien verbreiten, und daher könne man leider nicht dulden, dass etwa eine Bäckerei „olümpische Wochen“ ausriefe, um Zuckerwerk mit den Olümpischen Ringen feilzubieten. Nein, Ring und Name seien jenen vorbehalten, die reinen Geistes sind. Niemals dürften Wort und Symbol durch die Profitgier eines Londoner Bäckers besudelt werden.
Ebenso hieß es an die Adresse der Menschheit: du sollst kein Bild machen von den heiligen Stätten des Sportes. Es sei denn, das olümpische Kommitee – oder seine irdischen Stellvertreter – hätte die Unbeflecktheit des Fotografen festgestellt. Ein geringer Ablass könne im Zweifel die Reinigung herbeiführen. Zum Glück für die sterblichen Erdenbürger nahmen einige Medienkonzerne die Qualen der Katharsis auf sich, damit die Welt am Wettkampf teilhaben könne.

Indes: das Böse schläft nicht, und so müssen wir uns die Frage stellen, ob denn das Olümpische Komitee die Unschuld der Spiele wird bewahren können? Die prophetische Gabe des LauferEis erlaubt uns den Blick in die Zukunft.

Olümpische Sommerspiele in Rio de Janeiro 2016.
Eingedenk der Verlautbarung durch das IOC, die Nennung des Namens „Olümpia“ werde zu Exkommunikation und Armut bis in die siebte Generation führen, umschreiben ihn findige Geschäftsleute mit „jene erlauchte Feier, der wir gerade beiwohnen“. Indes erkennt ein Gericht die betrügerische Absicht. Weil der genannte Satz sich eindeutig auf die Olümpischen Spiele bezöge, sei er dem Nennen des Namens gleichzusetzen. Die Sünder werden durch die IIOC, die Inquisition des Internationalen Olümpischen Komittees, peinlich befragt, worauf sie ihre Vergehen bekennen, und Besserung geloben.
Um die konsumierende Menschheit vor dem unlauteren Anblick des lautersten aller Symbole zu schützen, plant das IOC, gemeinsam mit Google einen Chip zu entwickeln. Dieser wird den Sehnerv eines Menschen in jenem Moment unterbrechen, in dem sein Auge unrein dargestellte Olümpische Ringe wahrnimmt. Als unrein gelten dabe all jene Abbilder, für die kein gültiger Ablassbrief vorliegt.

Olümpische Sommerspiele 2024.
Knapp zwei Wochen vor der feierlichen Eröffnung erschüttert ein Erdbeben die Welt. Eine Stadt in Griechenland behauptet, sie habe den Namen Olümpia schon weit vor unserer Zeitrechnung für eine Kultstätte genutzt, selbst sportliche Wettkämpfe hätten einige hundert Jahre lang stattgefunden. Wissenschaftler sprechen von einer eindeutigen, geradezu erdrückenden Quellenlage zugunsten der Griechen.
Nach zwölf Tagen der Ungewissheit einigt man sich nur Minuten vor dem Entzünden des Olümpischen Feuers auf einen Vergleich: die Stadt gewährt, gegen Lizenzgebühren, ihren Namen weiterhin zu verwenden. Für Zeit seit den ersten Olümpischen Spielen im Jahr 1896 erhält sie die Gebühren rückwirkend. Damit das IOC finanziell handlungsfähig bleibt, werden im Laufe der folgenden Wochen unzählige Alternativen diskutiert. Das Rennen macht ein Vorschlag, der die Menschheit verpflichtet, während der Dauer der Olümpischen Spiele mindestens eine Stunde täglich gemeinsam Werbung der Sponsoren anzusehen. Schnell etabliert sich im Volksmund dafür der Name „Freudendienst“.

Und das hehre Ideal Pierre de Coubertins, die Jugend der Welt möge sich frei von Hass und Gewinnstreben im sportlichen Wettkampf messen, war gerettet.

Vogel fliegt. Nase läuft.

Laufen. Genau das ist es, was meine Nase seit zwei Tagen tut. Es ist ja nicht so, dass ich nicht letzte Woche erst drei Tage auf der Nase lag, nein: seit gestern schon wieder. Die Nase läuft, ich nicht. Es scheint, als hätten meine Beine die Aufgaben mit der Nase vertauscht. Die Nase läuft, und die Beine…? Keine Ahnung, was die treiben, ich bin mit der Konstellation jedenfalls nicht einverstanden!
Mithin befinde ich mich in einer Situation, die dem geneigten Läufling sattsam bekannt sein dürfte: nicht ganz krank – also nicht so, dass man sich siech ins Bett legt, froh, überhaupt noch irgendwas von der Welt mitzukriegen, aber eben auch nicht gesund. Ich begebe mich daher jeden Tag brav ins Büro, schneide Ingwerscheibchen von einer Knolle herunter, um hernach an ihnen herumzulutschen. Kamillentee soll ebenfalls helfen. Weil ich nicht richtig krank bin, verzichte ich darauf, meinen Ernährungsplan mit Pillen zu ergänzen. Bis auf Sinupret, falls die Nebenhöhlen zucken. Ich habe ja nur Schnupfen.
Nur Schnupfen! Ich laufe nicht, mache keine Gymnastik! Kein Seilhüpfen, keine Kettlebell, kein Rumpftraining, nichts!
Ich bin unzufrieden.

Dazu kommt natürlich der Gedanke an den nächsten Wettkampf in viereinhalb Wochen. Ich weiss schon: „jetzt reisst du eh‘ nichts mehr raus“. „was du jetzt nicht drauf hast….“. Solche Sprüche kommen mir zuweilen vor wie eine willkommene Ausrede: hurra, wenn ich bestenfalls tapern kann, mach‘ ich mir lieber einen Lenz und träniere gar nicht. Ganz so einfach ist es, wenn ich mich an die verschiedenen Träningsratgeber erinnere, auch wieder nicht. Davon abgesehen: dem Kopf hilft’s, wenn ab und an noch ein Träningsreiz gesetzt wird. Meinem Kopf zumindest.
Ich will, verdammt, wenigstens das Gefühl haben, dass sich etwas tut, dass ich etwas tue. Altbekannte Gedanken…
Was kann ich also tun, wenn ich etwas tun will, aber nicht tun kann, was ich tun möchte? (wer den Satz auf Anhieb verstanden hat, mag ihn mir bitte erklären…)

Ich befriedige meinen Träningstrieb zum Beispiel mit Fußgelenksgymnastik. Ja, ich habe oben geschrieben, dass ich keine Gymnastik mache. Damit meine ich richtige, echte Gymnastik. Mit dem ganzen Körper! Fußgelenksgymnastik, also zum Beispiel auf einem Bein stehend mit dem anderen Fuß die Buchstaben des Alphabets in die Luft zeichnen. Oder einfach nur kreisen. Oder Igelball. Das erfreut und beruhigt mich, denn ich arbeite effektiv an wenigstens einem kleinen Teil meines Körpers. Ich träniere jene Inhalte, die sonst gerne zu kurz kommen.
Zudem, und weil ich ohnedies gerne lese, ziehe ich anstelle der Träningseinheit eines der sportspezifischen Drittbücher heran. Keinerlei Reiz für den Körper, dafür mehr Wissen darüber, wie ich besser träniere, wenn ich wieder träniere.
Und das Tolle daran: meine Laune bessert sich!

Besagte Stimmungsaufhellung hilft wiederum meinem Immunsystem, die Aufgaben zwischen Nase und Beinen wieder so zu verteilen, wie die Natur es vorgesehen hat. Job Rotation gib’s bei mir nicht: Nase tut, was Nasen eben so tun – und die Beine…..Laufen!