Tabata – das Wunderträning?

Tabata. Klingt in meinen Ohren wie ein Klamottenladen. Das mag daran liegen, dass ich früher öfter an einem solchen mit Namen Zapata vorbeikam. In Wahrheit handelt sich bei Tabata jedoch weniger um die hohe Kunst, sich trendig zu kleiden, sondern um, so der Anspruch, eine hoch wirksame und sehr effektive Trainingsmethode. Über Tabata wird viel geschrieben, zum Großteil gleichermaßen euphorisch wie unreflektiert.
Erdacht wurde die Methode nach dem Japaner Izumi Tabata, womit die Herkunft des Namens erklärt wäre.

Was ist Tabata?
Tabata zählt zur Gruppe der HIIT (high-intensity interval training) Verfahren. Die Methode geht auf eine Studie des namensgebenden Izumi Tabata zurück, die anno 1996 die Effekte ebensolcher HIIT-Trainings untersuchte. Zusammenfassung Tabata Studie
Darin tränierte eine Gruppe viermal wöchentlich nach der Tabata-Methode (die damals noch nicht so hieß), am fünften Tag waren 30 Minuten „zügig“ angesagt, bevor wiederum vier Tabata-Einheiten folgten. Was tat die Kontrollgruppe? Fünfmal bei 70% der Sauerstoffkapazität. Also Vollgas gegen „zügig“.
Wichtigstes Ergebnis: die Tabata-Tränierenden konnten ihre Sauerstoffkapazität deutlicher steigern.

Wie funktioniert Tabata?
20 Sekunden volle Kanne im Wechsel mit 10 Sekunden aktiver Erholung. Izumi Tabata schlägt vor, diese Sequenz 8 Mal durchzuführen, nach vier (!) Minuten wäre das Träning vorbei.
Lohnt kaum, sich umzuziehen. Wenigstens kann man sich vorher noch aufwärmen. Kann? Muss! Volle Kanne heisst wirklich: alles was geht. In der Studie triezten sich die Sportler bei 170% VOmax! Das bedeutet: mehr Leistung, obwohl der Körper keinen weiteren Sauerstoff mehr verarbeiten kann.

Tabata – ein Mythos hinterfragt
Wenn wir genau hinsehen, was damals untersucht wurde, werden wir keinen Hinweis auf Fettverbrennung finden. Addieren wir außerdem die Zeit, in der die Tabata-Tränierenden sich aufgewärmt haben (10 Minuten vor jeder Sitzung), plus 2 Minuten zum Abkühlen danach, kommen wir zusätzlich auf über 70 Minuten „normales“ Träning in der Woche. Versprechungen (damit meine ich auch solche, die man sich selbst macht) in der Art „viermal Tabata in der Woche, das sind 16 Minuten in denen ich mich anstrenge. Flugs werde ich topfit“ zieht das logischerweise den Boden unter den Füßen weg.
Und: hochintensives Träning ist offenkundig wirklich hochintensiv. Siehe oben: Hundertsiebzig Prozent. Das ist, mit Verlaub, an der Kotzgrenze.

Davon abgesehen: die Wirkung hängt davon ab, wie fit man schon ist. Mein Vorteil an dieser Stelle: ich bin schlecht genug, dass ich mich leicht steigern könnte. Wenn, ja wenn ich lupenrein HIIT tränieren würde. Ich habe keine Ahnung, ob und wie der gemeine Läufling von weniger als vier Einheiten in der Woche profitiert.

Zuweilen stolpere ich über Träningsprogramme, die ebenfalls das Schlagwort „Tabata“ tragen. Oft auch im Zusammenhang mit Kraftträning, Kettlebell Workouts, und was es sonst noch gibt. Man präsentiert gerne eine Übersicht: 20 Sekunden Arbeit gefolgt von 10 Sekunden Pause. Dieses 8 Mal durchführen.
Wie war das gleich wieder in der Studie? Tabata setzt auf 20 Sekunden an der Kotzgrenze! Kurze Intervalle mit Pausen sind bestimmt anstrengend, keine Frage. Aber eben nur dann „Tabata“, wenn, ja wenn entsprechend träniert wird. Nicht überall, wo Tabata draufsteht, ist auch Tabata drin.

Tabata und vergleichbare HIIT-Träningsmethoden wirken also innerhalb der Rahmenbedingungen, für die sie untersucht wurden. Ein System des Körpers wird durch den Träningsreiz überlastet, folglich reagiert es durch Anpassung.

Tabata, ein Wundermittel? Nein. Kein Wunder, oder?
Tabata, nur ein fauler Zauber? Auch nicht. Wer es konsequent umsetzt (und wenn die Rahmenbedingungen stimmen), darf sich aber freuen, wenn sich andere über erstaunliche Steigerungen „wundern“.
Mich deucht, diese „Weisheit“ kann man auf die meisten Träningsmittel, -methoden und was weiss ich noch übertragen: Kaum macht man es richtig, wirkt es. Ein Wunder, ein Wunder!

Projekt Phönix (1): Ich will besser werden!

Eigentlich, liebe Läuflinge, war 2012 keine schlechte Saison. Die beiden Highlights – Zugspitz Ultra und UTMB – habe ich erfolgreich beendet. Dennoch machte sich eine gewisse Unzufriedenheit breit.
Irgend etwas fehlte mir, musste sich ändern. Nur was?
Zum Glück dauern Ultratrails recht lange, und so hatte ich während des UTMB genug Zeit zum Nachdenken, auf dass aus der diffusen Unzufriedenheit etwas Greifbares werde.
Heraus kam: ich will ein besserer Läufling werden!

„Besser“, das heißt für mich zum Beispiel, ich will weniger im touristischen Modus laufen. Dass ich hundert Kilometer Trail in vierundzwanzig Stunden bewältigen kann, ist ja nicht das Thema. Thema ist aber, ob es nicht auch schneller geht. Muss es denn immer so gemütlich zugehen? Immer knapp vor Zielschluss? Wo bleibt denn da die Herausforderung?

„Besser“, dass ist auch: mehr Träningsdisziplin, und spezifischeres Träning.

Und „besser“ bedeutet: mehr Biss. Biss wohlgemerkt, nicht Verbissenheit. Genießen, aber von Zeit zu Zeit darf Wettkampfgedanken im Vordergrund stehen. Siehe oben: Nur „Wandern“ ist öde, den genussvollen Flow-Zustand gibt’s nur mit Anstrengung!

Nachdem mir das klar geworden war, kreisten meine Gedanken um das „Wie“. Vielmehr darum, an welchen Stellschrauben ich wie drehen muss.
Das Ergebnis meiner Überlegungen ist „Projekt Phönix“. Genau, Phönix. Der aus der Asche. Man möge mir den abgeschmackten Titel nachsehen, der Begriff kam mir spontan in den Sinn, wo er sich seither festgesetzt hat.

Als erstes habe ich das Jahr 2013 zum Konsolidierungsjahr erklärt. Das bedeutete zunächst einmal, dass ich auf Wettkämpfe mit größeren Umfängen als ich sie bisher gelaufen bin, verzichte. Bei rund hundert Meilen ist Schluss. Außerdem kein Start bei der Brocken Challenge. Während ich das schreibe, muss ich grinsen. Liegt die Chance, einen Startplatz zu ergattern, doch ähnlich hoch wie eine Begegnung mit dem Yeti. In der Sahara.
In diesem Wissen sollte ich schreiben: ich habe nicht an der Startplatz-Lotterie teilgenommen.
Der Wibolt ist ebenfalls gestrichen. Obwohl es mich in sämtlichen Fingern und Füßen juckt, bei einem Nonstoplauf über 320 km eine Schlafstrategie zu planen. Um dann zu erfahren, dass ich die Planung schon in der ersten Nacht vergessen kann. Dessen ungeachtet, liegen meine Prioritäten für die kommende Saison anders.

Projekt Phönix startete am 5. November, direkt nach der wohlverdienten sportlichen Fast-Nulldiät im Anschluss an den letzten Lauf der Saison.

Ich werde euch von Zeit zu Zeit über meine Erfahrungen, Erfolge und Rückschläge berichten. Über Irrwege, Korrekturen und neue Erkenntnisse. In diesem Artikel sollen die wesentlichen Elemente in Stichpunkten genügen.

– mentales Träning
– andere Haltung: ich trenne konsequent zwischen Wettkämpfen (da strenge ich mich an, riskiere etwas) und Genussläufen
– Aufbauträning ab 5. November. Schwerpunkt Athletik (Kettlebells, Seilhüpfen und Gelenkmobilisation, vier- bis sechsmal wöchentlich). Wenig Laufen, vielleicht zweimal in der Woche.
– ab Anfang Januar wird mehr gelaufen
– ich differenziere stärker zwischen Tempoläufen, Grundlagenausdauer und trail-spezifischem Träning
– ich bilde einen Träningssockel. Darunter verstehe ich die tägliche Dosis Träning, die ich zu mir nehme. Lieber wenig und regelmäßig statt mit großen Abständen umfangreich tränieren.
– schöne Saisonplanung. Das Zeug mit den Mikro- und Makrozyklen…
– ganz wichtig: ich führe wieder ein Träningstagebuch!

Die Maßnahmen von Projekt Phönix sind, wenn man sich die Liste anschaut, also weder besonders originell, einfallsreich oder ambitioniert. Stinknormales systematisches Träning wie es in jedem besseren Ratgeber steht. Machen muss man’s halt.

Und wie das klappt, wenn man macht, darüber halte ich euch auf dem Laufenden.

Übrigens: auch wenn der Artikel kurz vor der Jahreswende erscheint, sind es keine „guten Vorsätze“!

Fartlek nach Lust und Laune

Liebe Läuflinge, jüngst beschrieb ich unter dem Titel Fahrtspiel-Spielereien meine Ideen, wie sich die Folge der geplanten Tempostrecken abwechslungsreich gestalten lässt. Abwechslungsreich und unsystematisch, wenn man es genau nimmt. Ausprobiert habe ich es aber noch nicht. Soviel zum Thema „Ideen haben und gleich in den Träningsalltag übernehmen“. Dafür habe ich in der Zwischenzeit die „andere“ Variante des Fartlek angewandt: einfach nach Lust und Laune mit dem Tempo herumgespielt.
Nach Herzenslust und bester Laune trifft es besser.

Doch ich greife vor. Letzten Samstag waren wir eingeladen, und wie es an einem müden Dezembersamstag, kurz vor Weihnachten, so üblich ist, giert der Körper nach Ruhe. Ruhe, einem guten Buch, im Idealfall zusätzlich zwanzig bis dreißig Stunden Schlaf. Pro Tag! Den nachmittag genossen, bis der Blick auf die Uhr irgendwann einen schwindenen Zeitraum erkennen lässt: Um halb acht müssen wir los. Rückgerechnet ziehe ich ab: 5 Minuten Hinweg, 10 Minuten Duschen und anziehen, 5 Minuten Cool-Down. Bis zehn nach sieben heißt es also zuhause sein. Aktuelle Uhrzeit: Genau sechs.
Sehr schön, Tempoträning stand eh‘ auf dem Plan, vorangehendes Bellen (Träning mit den Kettlebells) fällt aus, meine Schultern teilen mir höflich, aber unmissverständlich mit, dass sie Ruhe benötigen. Montag früh, besser noch Montag abend sei ein guter Zeitpunkt für den nächsten Belastungsreiz. Das sagen jedenfalls die Schultern, wobei die Rückenmuskulatur ihnen zustimmt.

Wunderbar, also nichts wie rein in die Laufklamotten. Fast vier Wochen ist es – Erkältung sei „Dank“ – her, seit ich zuletzt lief (von einem Stündchen in der Vorwoche abgesehen). Jegliche Form von Gewaltanwendung verbietet sich daher, schön brav sein und immer auf den Körper hören ist das Gebot der Stunde. Trotzdem, oder gerade deshalb, habe ich Lust auf Tempo. Mal wieder die Sau rauslassen!
Mit anderen Worten: Fahrtspiel, Variante B. Oder A. Oder 2. Oder wie man sie auch immer nennen will.
Die ersten paar Minuten joggte ich mich in lockerstem Tempo warm, vergaß dabei nicht, von Zeit zu Zeit einige Hopserlaufsprünge einzustreuen. Ohne Plan, einfach so, weil und wie ich Lust hatte. Manchmal ferste ich gar an. Das liest sich irritierend: „ich ferste an“. Grammatikalisch passt es aber, vom Substantiv Anfersen abgeleitet ferst der Läufling eben an.

Doch ich schweife ab, wenngleich es von den anschließenden 40 Minuten wenig zu berichten gibt. Ich lief einige hundert Meter schnell, dann mit leicht reduziertem Tempo, bevor ich wieder beschleunigte, um anschließend in einen gemächlichen Trab zu fallen. Wenn ich zurückdenke, wie lange ich brauchte, um zwei sich zügig fortbewegende Wandersleut‘ einzuholen: sehr gemächlich.
Und wieder Gas geben, schnelllllllllllllllllllllllllllllllll!

Dabei hatte ich nie das Gefühl, in irgendeiner Form unter Druck zu stehen. Wie auch, wenn ich das Tempo lustbetont bestimme. Zuhause angekommen, merkte ich das zwischendrin gelaufene Tempo allerdings schon. Ja, ich hatte mich angestrengt, genau wie gedacht.

Lustbetontes Fahrtspiel? Einfach geil!

Seminar Kettlebell Grundlagen

Kettlebells sind mein liebstes Sportgerät für den Ausgleichssport. Träning mit den Kugeln macht mir ähnlich viel Freude wie das Laufen. Gerade wenn nur wenig Zeit ist, belle ich lieber, als zu laufen. Um die Technik ein für allemal ordentlich zu lernen, begab ich mich zum Grundlagenseminar von Till Sukopp nach Köln.

Was wollte ich beim Seminar lernen?
– ich wollte meine Technik verbessern, sprich: irgendjemand, der sich auskennt sollte einen kritischen Blick auf meine Ausführung werfen
– Feedback, wie ich das „Bellen“ sinnvoll in mein Träningssystem einbinde
– sonstige Tipps und Tricks

Didaktisch fand ich den Workshop erstklassig. Till Sukopp, der Gründer von kettlebellfitness.de legt in seinem Blog dar, warum es in den Seminaren nicht, jedenfalls nicht ausschließlich, um Kettlebells geht. Und so war es tatsächlich. Die Tränerin Alexandra Biernat hat uns am eigenen Leib erleben lassen, wie sich ein ordentlich angespannter Rumpf anfühlt. Mit der passenden Atemtechnik (ja, auch das haben wir geübt) lassen sich erstaunliche Dinge anstellen. Und das sogar, ohne sich zu verletzen.
A propos verletzen: Sicherheit schreiben alle Kettlebell-Ratgeber groß. Dementsprechend stand das Thema am Anfang des Seminars. Wobei ich mich frage, ob es tatsächlich Menschen gibt, die schwere Eisenkugeln umherschwingen, ohne auf ihr Meißner Porzellan, ihr Aquarium oder gar Hund, Kinder, Lebensabschnittspartner zu achten. Wie dem auch sei: die Dinger sind schwer, und stabiler als alles, was sie theoretisch treffen können. Also tut man gut daran, die wenigen Sicherheitsregeln (gesunder Menschenverstand trifft es genauso) zu beachten.

Technikerwerbsträning ist ein hübscher Begriff, und genau das bildete den Löwenanteil des vierstündigen Workshops. Wer sich für die konkreten Übungen interessiert: nach dem Workshop beherrschten wir das grundlegende Sortiment der (ich sollte groß schreiben: DER) Kettlebell-Übungen. Mit Swings, Turkish Get-Up, Cleans, Military Press und Squats (früher nannte man die Dinger auch Kniebeugen) lässt sich ein wunderbares Träning gestalten, außerdem bauen alle weiteren Kettlebell-Übungen auf sie auf.

Ich träniere zwar schon seit fast zwei Jahren mit Kettlebells, weshalb mir vieles bekannt war. Trotzdem war es eine gute Entscheidung, die einzelnen Techniken von Grund auf zu lernen, Feedback zur Technik zu bekommen etc. Auch das Feedback „wie du es tust, ist ok“ ist schließlich genauso hilfreich wie die Aussage „hier gibt es noch Raum für Verbesserungen“. Als Angehöriger der Generation Youtube kommt noch dazu, dass es ohne fundierte Ausbildung nur schwer ist, zwischen korrekt durchgeführten Varianten und Fehlern zu unterscheiden. Viele Fragen, die im Laufe des Workshops gestellt wurden, hatten genau diesen Hintergrund.

Denkt übrigens bloß nicht, die vier Stunden gemeinsamen Bellens wären nicht anstrengend gewesen. O nein. Eine Erkältung hatte mich zuvor drei Wochen von jeglichem Träning abgehalten, aber das soll keine Ausrede sein. Bellen wirkt, wenn man es richtig macht, auf beinahe sämtliche Muskeln. Auch auf die, von denen der gemeine Läufling glaubt, sie seien gut träniert. Sind sie nicht. Ich hatte die nächsten Tage dermaßen Muskelkater…..O diese Schmerzen!
Mittlerweile kann ich mich wieder bewegen und freue mich auf heute abend, wenn ich wieder belle.

Fazit: ein tolles Seminar, welches den Preis und die Anfahrt allemal wert ist. Nächstes Jahr steht der Kurs für Fortgeschrittene an.
Wer mehr wissen will: Kettlebell-Seminare

Im skript findet sich übrigens die gleiche Tabelle, die auch in anderen Quellen zur Orientierung dient, welche Kettlebellgröße man denn wählen soll. Mein Satz enthält je eine mit 8, 12 und 16 Kilogramm. Das ist laut Tabelle die empfehlenswerte Kombination für eine untränierte Frau. Künftiges Bellen wird also nicht nur meinen Körper stählen, sondern auch meine mentale Stärke verbessern.

Krieg um Kuchen

Die heftigsten Kämpfe der Menschheit werden weder um Öl, noch um Land oder Wasser ausgetragen. Nein, am erbittertsten streiten Menschen um – Kuchen. Besonders dann, wenn sie vorher Sport getrieben haben.

Vor einem Jahr, liebe Läuflinge, nahm ich an einem jener wunderschönen, kleinen Marathons teil, die von einem kleinen Verein in einem kleinen Ort liebevoll organisiert werden. Ein besonderer Reiz solcher Läufe ist die reich gefüllte Kuchentheke, die auf des Läuflings hungrigen Magen wartet. Selbstgebackene Kuchen!

Meine Vorfreude auf ein, nein, mindestens zwei leckere Stücke nebst Kaffee steigerte sich im Verlaufe des Laufes derart, dass ich auf den letzten fünfzehn Kilometern jedwede Nahrungsaufnahme verweigerte. Ich kann euch sagen, die Aussicht auf Torte ließ mich auf dem Hungerast herrlich schaukeln!
Durchs Ziel, flugs geduscht und hinein in die Turnhalle, wo mir die Aussicht auf Köstlichkeiten das Wasser im Munde zusammen laufen lies.
Hin zur Kuchentheke, und: nichts. Gerade mal drei zerbröselte Stücke Sandkuchen befanden sich noch auf dem ansonsten völlig verwaisten Tisch.
Dann erblickte ich die Bündel. Hinter den netten Damen am Stand türmten sich Gebäckpäckchen. „Du hättest heute morgen auch reservieren sollen, das machen viele. Die nehmen sich dann was mit für zuhause.“. Für zuhause. Aha. Daheim hocken dann fette Verwandte auf der Couch, um sich meinen Kuchen einzuverleiben. Ja, es ist mein Kuchen, denn ich bin schließlich dafür gerannt! Verfressenes Pack!

„Nicht mehr mit mir, Freunde.“ schwor ich mir an jenem Tag. Und begann, an meinem Plan zu arbeiten, der ein Jahr später zur Ausführung gelangte. Statt Steffny und Marquardt las ich nunmehr SunZi (die Kunst des Krieges) und Clausewitz (vom Kriege).

Am Tag X hatte ich mit Schlafsack und Campingliege direkt vor dem Halleneingang übernachtet. Das verhalf mir zu einem entscheidenden Vorteil gegenüber allen, die sich eingebildet hatten, es würde ausreichen, sich um fünf Uhr morgens in die Schlange zu stellen. So sicherte ich mir ein erstes Kontingent, indem ich auf das bekannte Angebot, etwas „für später“ zurücklegen zu lassen, zurückgriff. Drei Stücke Marmorkuchen, zwei Frankfurter Kranz, zwei Donauwellen und ein Schwarzwälder Kirsch, hübsch in Alufolie verpackt, bildeten den Grundstock.

Erfolgreiche Projekte sind immer eine Folge perfekten Timings, und so tränierte ich meinen Leib auf eine Zielzeit von genau 3:45 Stunden. Ungeduscht begab ich mich flugs zur Kuchentheke.
Selbstredend hatte ich mich nicht nur auf das Aroma eines ungeduschten Läuflings verlassen, die Laufklamotten waren in der zweiwöchigen Taperingphase im Dauereinsatz gewesen. Ohne Wäsche zwischendurch. Von einem biologischen Schutzschirm umgeben, konnte ich mich auf die so erzeugten Berührungsängste meiner Gegner verlassen. Nicht, dass sie das Feld komplett frei gemacht hätten. Nein, dafür war die abschreckende Wirkung meiner Waffe doch zu gering. Aber, und das war mein Ziel gewesen, einige olfaktorisch Hochbegabte blieben auf Distanz – und ich gewann Spielraum.
Sofort drängte ich mich in die vorderste Reihe, wo ich den zaghaften Versuch der Dame neben mir, zwei Tassen Kaffee und einen Muffin zu ordern, mit meiner Bestellung niederschrie. Ohne die Sorten klar zu benennen, wandte ich eine Methode an, die man in ähnlicher Form vom Börsengeschehen her kennt: Hindeuten und die gewünschte Menge brüllen. Drei Stücke Erdbeerkuchen und vier Käse-Sahne waren mein!
Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich den gierigen Blick eines Mannes, der unverkennbar auf die beiden letzten Stücke russischen Zupfkuchens gerichtet war. Geistesgegenwärtig griff ich einen Becher kochendheißen Kaffees, denn ich auf seinem Unterarm ausleerte. Sein Schmerzensschrei übertönte meine dahingemurmelte Entschuldigung – mein gleichzeitiges Lächeln entwaffnete den Gegner – den Tumult der Ersthelfer nutzte ich aus, um mir den kompletten Rest Zupfkuchen bereitstellen zu lassen. Im gleichen Moment sicherte ich mir durch gezieltes Anhusten den letzten Bienenstich.

Natürlich bildete ich nur einen kleinen Teil der großen Schlacht am Kuchenbuffet, und für einen unbeteiligten Beobachter muss es faszinierend gewesen sein, wie der Kampf hin- und herwogte. Nein, an der Kuchentheke gibt es weder Freund noch Feind, sondern nur lohnende Ziele.

Der Abtransport meines Fangs gestaltete sich vergleichsweise einfach, denn ich hatte eine im Rugby bewährte Technik eingeübt. So bereitete es mir keine Schwierigkeiten, den Kordon grimmig blickender Tortenjunkies zu durchbrechen.

Daraufhin deponierte ich die Beute im Auto, und gönnte mir unter der Dusche eine kleine Pause. Nun galt es, den am Morgen vorbestellten Kuchen abzuholen. Frisch eingekleidet, mit Mütze und sicherheitshalber einem falschen Bart ausgestattet, bahnte ich mir einen Weg durch die stöhnend am Boden liegenden Verlierer des Kampfes, um das Päckchen mit den Worten „ich hatte reserviert“ unter ihren hasserfüllten Blicken seelenruhig entgegenzunehmen.
Lächelnd stieg ich über zertretene Brillen, Pappteller und etwas, das wie ein gebrochenes Bein aussah, während ich dem Ausgang entgegensteuerte.

Hatte ich erzählt, dass ich mich abermals einer leeren Kuchentheke gegenüber sah? Marathonläufer sind wirklich verfressen!