Vogel fliegt. Nase läuft.

Laufen. Genau das ist es, was meine Nase seit zwei Tagen tut. Es ist ja nicht so, dass ich nicht letzte Woche erst drei Tage auf der Nase lag, nein: seit gestern schon wieder. Die Nase läuft, ich nicht. Es scheint, als hätten meine Beine die Aufgaben mit der Nase vertauscht. Die Nase läuft, und die Beine…? Keine Ahnung, was die treiben, ich bin mit der Konstellation jedenfalls nicht einverstanden!
Mithin befinde ich mich in einer Situation, die dem geneigten Läufling sattsam bekannt sein dürfte: nicht ganz krank – also nicht so, dass man sich siech ins Bett legt, froh, überhaupt noch irgendwas von der Welt mitzukriegen, aber eben auch nicht gesund. Ich begebe mich daher jeden Tag brav ins Büro, schneide Ingwerscheibchen von einer Knolle herunter, um hernach an ihnen herumzulutschen. Kamillentee soll ebenfalls helfen. Weil ich nicht richtig krank bin, verzichte ich darauf, meinen Ernährungsplan mit Pillen zu ergänzen. Bis auf Sinupret, falls die Nebenhöhlen zucken. Ich habe ja nur Schnupfen.
Nur Schnupfen! Ich laufe nicht, mache keine Gymnastik! Kein Seilhüpfen, keine Kettlebell, kein Rumpftraining, nichts!
Ich bin unzufrieden.

Dazu kommt natürlich der Gedanke an den nächsten Wettkampf in viereinhalb Wochen. Ich weiss schon: „jetzt reisst du eh‘ nichts mehr raus“. „was du jetzt nicht drauf hast….“. Solche Sprüche kommen mir zuweilen vor wie eine willkommene Ausrede: hurra, wenn ich bestenfalls tapern kann, mach‘ ich mir lieber einen Lenz und träniere gar nicht. Ganz so einfach ist es, wenn ich mich an die verschiedenen Träningsratgeber erinnere, auch wieder nicht. Davon abgesehen: dem Kopf hilft’s, wenn ab und an noch ein Träningsreiz gesetzt wird. Meinem Kopf zumindest.
Ich will, verdammt, wenigstens das Gefühl haben, dass sich etwas tut, dass ich etwas tue. Altbekannte Gedanken…
Was kann ich also tun, wenn ich etwas tun will, aber nicht tun kann, was ich tun möchte? (wer den Satz auf Anhieb verstanden hat, mag ihn mir bitte erklären…)

Ich befriedige meinen Träningstrieb zum Beispiel mit Fußgelenksgymnastik. Ja, ich habe oben geschrieben, dass ich keine Gymnastik mache. Damit meine ich richtige, echte Gymnastik. Mit dem ganzen Körper! Fußgelenksgymnastik, also zum Beispiel auf einem Bein stehend mit dem anderen Fuß die Buchstaben des Alphabets in die Luft zeichnen. Oder einfach nur kreisen. Oder Igelball. Das erfreut und beruhigt mich, denn ich arbeite effektiv an wenigstens einem kleinen Teil meines Körpers. Ich träniere jene Inhalte, die sonst gerne zu kurz kommen.
Zudem, und weil ich ohnedies gerne lese, ziehe ich anstelle der Träningseinheit eines der sportspezifischen Drittbücher heran. Keinerlei Reiz für den Körper, dafür mehr Wissen darüber, wie ich besser träniere, wenn ich wieder träniere.
Und das Tolle daran: meine Laune bessert sich!

Besagte Stimmungsaufhellung hilft wiederum meinem Immunsystem, die Aufgaben zwischen Nase und Beinen wieder so zu verteilen, wie die Natur es vorgesehen hat. Job Rotation gib’s bei mir nicht: Nase tut, was Nasen eben so tun – und die Beine…..Laufen!