Lippenbekenntnisse – das Schmalzbrot

Fragte ich eine Gruppe von Menschen, welche typische Sportnahrung ihnen  spontan einfiele, so würde wohl hauptsächlich Gels, Riegel und  vielleicht noch Bananen genannt. Schmalzbrot käme, wenn überhaupt, nur aus den Mündern derjenigen, die konkrete Erfahrungen vorzuweisen haben. So wie ich zum Beispiel.
Nur damit wir uns recht verstehen: Ich meine natürlich, dass das Wort  dem Munde entweicht, nicht das Schmalzbrot selbst.
Doch zurück zum Thema. Schmalzbrot für Sportler? Ist das sein Ernst? Ja, in der Tat. Ich springe, um mich zu erklären, zurück ins Jahr Zweitausendunddrei, eventuell auch Zweitausendundvier. Jenes Jahr, in welchem ich am Rennsteiglauf teilnahm. Wer den Lauf nicht kennt: Es handelt sich dabei um einen Landschaftslauf, der von Eisenach nach Schmiedefeld führt. Damals rund 73 km, ein paar Höhenmeter und rundum eine sehr schöne Strecke. Die wunderbaren Verpflegungsstellen bieten neben dem, was der erfahrene Läufling bei solchen Veranstaltung gewöhnt ist, zwei Besonderheiten: "Schleim", also trinkbarer Haferbrei, teils mit Fruchtgeschmack und ein wahrhafter Genuss, der schon manch übellaunigen Läuflingsmagen wieder ins Lot gerückt hat, und eben  Schmalzbrote. Mit Gurke drauf.
Wie gesagt, bis dato befanden Schmalzbrote und Laufen sich in zwei von einander getrennten Bereichen meines Gedächtnisses, ohne jegliche mentale Brücke dazwischen. Bis zu eben jenem Rennsteiglauf.
Damals war ich in Sachen Landschaftslauf - von Trails wusste ich noch überhaupt nichts! - überaus unerfahren, und so ging ich konsequenterweise unausgerüstet an den Start. Angetan mit kurzer Tight und T-Shirt (Nein, weder Mütze noch Buff) stand ich bei unangenehm luftfeucht-schwülen 15 Grad um sechs Uhr früh am Start. Das Höhenprofil des Laufes ist so halbwegs trapezförmig, d.h. erst geht's hinauf, dann wellig, aber leidlich horizontal und gegen Ende hinab. Hinauf ist ein wichtiges Stichwort, denn oben war's diesig und deutlich kühler als unten, was mir zunächst sehr recht war. Das änderte sich indes nach ein paar Stunden, und um die 40 km-Marke war ich platt und fror erbärmlich, so dass ich aus meinen Klamotten das Maximum an Dämmung herausholte, was eben ging: Ich steckte das Shirt in die Hose.  
Als ich schlappen Schrittes dem Verpflegungsstand bei km 45 entgegenwankte, hielt ich zunächst nach einem Heißgetränk Ausschau. Selten war mir ein Tee derart willkommen gewesen. Dann nahm mein Auge das ausgelegte Futter war, und ich hörte eine Stimme in meinem Inneren gebieterisch rufen:
Junge, nimm ein Schmalzbrot!
Da ich meinem Leib vertraue, wenn es um die bestmögliche Bearbeitung der Aufgaben geht, die ich ihm stelle (sprich: Er wird schon wissen, wie er sie am besten löst), griff und biss ich zu.
Ich erinnere mich noch gut an den Anblick der halbrunden Brotscheibe mit der mitteldicken Schmalzschicht und der kleinen, halbierten, Gewürzgurke drauf. Wozu die wohl dienen mag?
Nachdem ich das Brot inhaliert und noch ein Cola hinterhergekippt hatte, machte ich mich wieder auf den Weg.
Auf der restlichen Strecke ging's mir großartig, und da frage ich mich doch: Wie kam's?
Gewiss will ich auch dem zuckerbombenhaften Cola einen Einfluss auf die schnelle Wirkung meiner Mahlzeit zugestehen, jedoch dürfte bekannt sein, dass dieser Effekt ähnlich schnell verpufft, wie er eintritt. Es hilft über den Berg, aber auch nur das. Wobei das oft genügt, wenn andere Nahrungsmittel ihre Energie verzögert und dafür dauerhafter bereitstellen.
Schmalzbrot also.
Alle zuvor denkbar gewesenen Zweifel, wie sich eine so fettige Mahlzeit beim Laufen anfühlen könnten, traten gar nicht erst auf, denn, wie gesagt, ging es mir super.
Im Nachhinein reimte ich mir zusammen, dass die Kombination aus sofort verfügbarer Energie durch die Cola-Kohlenhydrate, gepaart mit den langsamer verarbeiteten Nährstoffen des Brotes nebst dem noch mehr verzögert wirkenden Schmalz vielleicht genau die richtige Dosierung der rechten Substanzen war, um meine Beine wieder flügge werden zu lassen. Darüber hinaus ist es auch gut gewesen, dass ich etwas im Magen hatte.
Eine genauere Analyse könnte sich wirklich lohnen, ich bin seitdem jedenfalls vom Schmalzbrot als ernstzunehmender Nahrung bei Ausdauerwettkämpfen überzeugt, denn ich habe den Nutzen des Schmalzbrotes am eigenen Leib verspürt.
Vielleicht war's auch nur die Gurke.

4 Gedanken zu „Lippenbekenntnisse – das Schmalzbrot“

  1. Hi, Haraldo, auch ich war am Rennsteig, auch mir wurden Schmalzbrote angeboten, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dieses Angebot während eines solchen langen Laufes anzunehmen, habe ich bei sehr langen Kanten sowieso meist mit Magen-Probleme zu rechnen.

    Prima, wenn sie dir schmeckten und vielleicht auch ihren Zweck erfüllten, dich wieder zu Kräften zu bringen, aber es ist nun mal nicht jedermann’s Sache.

    Habe mich schon ein Leben lang von derartigen Aufstrichen distanziert, weil sie mir garantiert nicht bekommen wären.

    Vielleicht war es doch die Gurke – qui sait ?

    Stürmische Grüße von ganz oben 😎

    1. Hi Margitta,

      vor (!) besagtem Lauf wäre mir der Gedanke auch fremd gewesen. Jedoch trug es sich genau so zu, wie ich es beschrieben habe. Ich weiß nicht mal mehr, ob es geschmeckt hat, wirken tat es allemal!

      Stürmisch-regnerischer Gruß zurück in den Norden!
      Harald

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