Kaufen wie Gott in Frankreich

Andere Länder, andere…Sortimente. Es ist erstaunlich, wie stark das Angebot vom gewohnten differiert, wenn man nichts weiter tut, als einen Fluss zu überqueren. Konkret handelte es sich um den Rhein, den ich gen Frankreich überschritt. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken: ich nutzte eine Brücke, die Kehl mit Straßburg verbindet.
Der Ausflug nach Straßburg bot mir die Gelegenheit, das Angenehme mit dem Erfreulichen zu verknüpfen. Konkreter Anlass war mein Bemühen um Schuhe der Marke Hoka One One, welche, in völliger Ignoranz des Trends gen minimaler Dämpfung mit satten zweieinhalb Zentimetern Sohle aufwarten. Eine kurze Recherche lieferte drei Geschäfte in Straßburg, eines davon gehört zur Kette „Au Vieux Campeur“ – zum alten Camper. Was sich wie die traditionelle Dorfkneipe liest – zum alten Wirt, zum alten Hirsch, zum alten Sack – entpuppt sich als der wahr gewordene feuchte Traum eines Trailrunners.
Mit leuchtenden Augen stand ich vor einem mit Trailschuhen prall gefüllten Regal von welchem aus Marken wie Salomon, Lafuma, Montrail, Tchnica, Dynafit und andere um meine käuferische Gunst buhlten. Allein, ich hatte mich bereits für Hoka One One entschieden (deshalb war ich ja gekommen).
Schuhmäßig gab es noch so einiges zu sehen, lag besagtes Regal doch neben dem Wanderschuh, Trekkingsandalen und sonstigen Fußbekleidungsbereich. Hübsches Zeug, angesichts des Preises meiner neuen Laufschuhe unterdrückte ich den aufkeimenden „habenwill“-Reflex mit einem gleichermaßen reaktionsschnellen wir treffsicheren „brauchichabernet…jedenfallsnetunbedingt…abervielleichtspäter….ichkommebestimmtbaldwieder…dannaber….“. Ich wandte mich geistesgegenwärtig ab, bevor mein Reflex vollends erodieren konnte.
Der anschließende Rundgang zeigte eine hübsche Abteilung für Berg-, Wander- und eben Trailrunning, wobei es mich nicht wunderte, dass RaidLight gut vertreten war. Was mich ganz besonders erfreute: an Merinowäsche, zur Zeit heftig en Vogue, findet sich nicht nur Icebreaker im Regal, sondern zusätzlich Smartwool, und sogar Woolpower.

Wer also Lust auf Marken aus dem Mutterland des Trailrunnings (jetzt lehne ich mich aber weit aus dem Fenster, eiwei….) hat, dem kann ich nur empfehlen, dem alten Camper einen Besuch abzustatten. Wo? http://www.auvieuxcampeur.fr. Hier gibt es eine Liste der Geschäfte. Webshop haben sie natürlich auch. Meine Güte, ich mache Werbung und krieg‘ nichtmal was dafür. Egal.

Ihr seht, es lohnt sich, ab und an Grenzen zu überschreiten. Schließlich ist das unsere läuferische Spezialität!

Ich hab’s getan: b2run

b2run_start
Das LauferEi am Start

Manche Dinge sind einfach peinlich. Irgendwie. Obwohl, vielleicht sogar weil, sie von vielen Menschen praktiziert werden. Masturbation zum Beispiel. Oder Firmenläufe. In Karlsruhe gibt es den b2run, an dem ich, ich oute mich, dieses Jahr schon zum dritten Mal teilnahm.
Jetzt muss ich mich wohl erklären.
Firmenläufe sind für den Läufling, was dem Literaten Groschenhefte sind: übelster Kommerz ohne jeden Anspruch. Genutzt von Banausen. Pfui!
Ja, das Ding ist kommerziell: Setze ich die Teilnahmegebühr von irgendwas um 14 Euro netto in Relation zu den 5,6km Streckenlänge, komme ich auf stolze 2,5 Euro pro km! Dagegen sind selbst die mittlerweile teuer gewordenen Städtemarathons ein Schnäppchen, von den vom Idealismus geprägten kleineren Läufen ganz zu schweigen.
Nun gut, in den meisten Fällen zahlt’s die Firma. Wenn die etwas spendabler ist, mietet sie für weiteres Geld einen Firmenstand im Zielgelände. Der Veranstalter freut sich bestimmt, wenn er dazu noch die Shirts liefern kann. Oder gleich das Premiumpaket, welches neben 100 Startplätzen auch noch 100 Fan-Tickets (In den Zielbereich gelangt man nur mit gültigem Ticket), zwei VIP Tickets und den Teamstand zum Schnäppchenpreis von knapp 1800 Währungseinheiten beinhaltet. Das gilt für den günstigen Frühlingstarif. Sommer kostet mehr. Keine Frage also, b2run will Geld verdienen.

Was aber bewegt Menschen, sich beim Firmenlauf zu bewegen? Vermutlich eine Mischung aus Teamgeist und Gruppendruck. Ich habe bei Kollegen gesehen, mit welch ungeahntem Eifer sich Leute vorbereiten, die sich selbst jedweden sportlichen Ehrgeiz absprechen. Nach dem Lauf: reine Freude, unbändiger Stolz auf die eigene Leistung. Wer hier einmal das Strahlen in den Augen eines ansonsten unsportlichen Menschen gesehen hat, weiss, wovon ich rede. Hier liegt meines Erachtens, allen Unkenrufen zum Trotz, ein Verdienst von Firmenläufen: etwas mehr körperliche Aktivität wird angeregt. Und in der Tat trägt der Vergleich gelaufener Zeiten, die Freude über das geleistete und das gemeinsame Nach-Lauf-Getränk im Ziel zur Teambildung bei. Macht Spaß.

Also nur was für Nichtläufer? Durch die sportliche Brille des Ultraläuflings betrachtet, ist ein Lauf mit 5,6 (in Worten: fünfkommasechs) Kilometern wirklich nur unter dem Aspekt einer Tempoeinheit betrachtbar. Selbst ein schneller Mittelstreckler wird in diesem Rahmen nicht nach einer neuen persönlichen Bestzeit trachten. Nicht in dieser Enge.
Vor dem Start stehen, nach Veranstalterangaben, viertausend Menschen dicht gedrängt auf einer Fläche, die, würde es sich um Legehennen handeln, sämtliche Tierschutzvereinigungen auf den Plan riefe. Aber mit Läuflingen kann man’s ja machen. Vermutlich, weil sie derlei Dinge in ihrer Freizeit tun und nicht von Berufs wegen, wie die Hennen. Mehr Raum? Da lachen ja die Hühner. Und zwar die Läuflinge aus.
Damit die sauerstoff-lose halbe Stunde bis zum Start nicht zu lang wird, lauschen wir zwei Radiomoderatoren, die auf von einer Arbeitsbühne herab ihr Bestes geben, um gute Laune zu verbreiten. Sie werden zwischendurch von einer Fitnesstränerin unterbrochen, die auf ebenjener Bühne Aufwärmübungen zu Musik vorübt. Sie übt vor, damit wir es nachmachen. Ohne Platz und Luft ist das nicht ganz einfach. Wir strecken unsere Arme nach oben, und versuchen, die Nasen unserer Nachbarn nicht zu brechen. Den meisten gelingt das.
Währendessen geriert sich die Vorturnerin als Gute-Laune-Bombe. Wie buchstabiert man eigentlich Lustschreie? „Houuuhuuuuuuuuuu“? Ihre mehrfach geäußerte Bitte um Feedback („Seid ihr gut drauf“?) wurde vom drei Meter weiter unten stehenden Volk wahrheitsgemäß mit „joooo schon“ beantwortet. Ich will endlich laufen.
Nun denn, auf- und ab Hüpfen geht ja, ist mir immer noch lieber, als stocksteif zu stehen.

Dann, ziemlich pünktlich um halb acht: der Start. Hurra!
Um sich ein Bild davon zu machen, stelle man sich vor, dass viertausend Menschen auf einer Strecke laufen wollen – müssen!, die gerade mal drei Meter breit ist. Um das gewünschte Tempo zu gehen, hätte ich mich entweder gaaaaaanz weit vorne hinstellen müssen (das ist dort, wo die Cracks sind, die weniger als zwanzig Minuten für die Strecke brauchen), oder nicht mitmachen. Aber ich wollte es ja. Und so bemühe ich mich auf den beiden ersten Kilometern, zwischen Wiese, Gebüsch und auf der Strecke, um eine halbwegs konstante Geschwindigkeit. Dann lichtet sich das Feld, weil einem noch so großen Feld auf einer noch so kurzen Strecke nichts anderes übrig bleibt, als sich auseinander zu ziehen. Das ist ein Naturgesetz.
Über die verbleibenden dreikommasechs Kilometer gibt es nicht viel zu berichten, außer vielleicht, dass mir der kleine Hügel kurz vor dem Ziel ein kleines Erfolgserlebnis bescherte, denn ich habe ihn kaum gespürt. Wir merken uns: Ultratrails helfen beim Karlsruher Firmenlauf.

Alles schlecht, oder was? Nein. Wenn dem so wäre, würde ich nicht dreimal teilgenommen haben. Ich wusste ja, was mich erwartet (erwähnte ich das schon?). Und: als Tempolauf ins Wochenprogramm eingebaut, hilft’s sogar weiter, mit 23:02 Minuten ist die Zeit recht passabel, was ich nach der Würgerei zu Beginn, und den anders gesetzten Schwerpunkten der Saison wirklich nicht erwartete. Ich endeckte gar unerwartet Wettkampfstimmung in mir, als ich einen Gedanken wahrnahm, der mir „die drei Sekunden hätteste locker noch rausholen können“ vorfaselte.
Der Reiz liegt für mich aber woanders: im gemütlichen Beisammensein mit aktuellen und ehemaligen Kollegen. Danach dann.

Ja, b2run will Geld verdienen, weshalb der läuferische Idealismus bei solchen Veranstaltungen auf der (Lauf-)Strecke bleibt. Aber das weiss man vorher. Firma zahlt, Spaß dabei, nette Gesellschaft danach. Firmenläufe muss man sportlich sehen.

Parcours Training: cooles Video auf Youtube

Jüngst entdeckte ich auf Youtube ein Video, in dem ein paar Jungs aus Manchester demonstrieren, wie sie sich für ihren Sport – Parcours – fit machen.
Und wie fit sie sind, da kann ich nur den Hut ziehen und mich tief verneigen!
Davon abgesehen finde ich die Übungen sehr inspirierend. Manche der Übungen hilft dem Läufling, besonders dem Trail-Läufling, auch weiter, und es spricht ja einiges dafür, dem Träning Würze zu verleihen. Einfach dadurch, dass man ganz banale Gegenstände an der Laufstrecke, oder geeignete Abschnitte für zusätzliche Reize (miss-)braucht. Ehrlich, von den Übungen im Clip, die wie Turnübungen aussehen, würde ich kaum eine hinkriegen (meine Lieblingsstelle ist die mit dem Pfahl, ab 2:17….). So manch andere erinnert mich an Stichworte wie „allgemeine Athletik“ oder „Sprungübungen“. Ausserhalb der gewohnten Umgebung (Turnhalle?) macht’s mehr Spaß!

Nun will ich euch nicht länger auf die Folter spannen, hier geht’s zum Clip: Strength Training and Conditioning for Parcour

Schmutzfuß oder auf sauberen Sohlen? Laufschuhe reinigen.

Welche Farbe haben eure Laufschuhe? Nein, nicht die Farbe, die sie beim Kauf hatten, sondern jene, die ihr seht, wenn ihr jetzt (jetzt!) nachseht. Meine sind größtenteils von einer graubraungrünen Schicht überzogen, durch die die serienmäßige Farbe gleichermaßen tapfer wie erfolglos hindurchzuschimmern versucht.
Und weil sich im Innern gerne Teile der heimischen Natur Moos, Tannennadeln, Hölzchen, Kleinlebewesen zu einem meiner Ansicht nach wenig schützenswerten Biotop zusammenfinden, sehe ich mich zeitweilig genötigt, dem Treiben ein Ende zu bereiten. Weil’s nervt, wenn Fauna sich in Füße bohrt.

Also Schuhe putzen.

Wirklich? Schuhe? Putzen?

Schauen wir uns die Dinger in ihrem natürlichen Lebensraum genauer an: artgerecht gehalten, tragen wir sie bei jedem Wetter nach draußen. Wenn ich von meiner mitteleuropäisch geprägten Läuflingsexistenz ausgehe, ertragen sie nicht nur mein Körpergewicht, sondern Temperaturen zwischen minus zwanzig, und, wenn es hoch kommt, vielleicht mal plus vierzig Grad Celsius.
Sie werden mit Sand, Staub, Erde, Dreckwasser, Schlamm und allem anderen besudelt, was der Untergrund eben so hergibt. Als ob das nicht genügen würde, helfen des Läuflings Füße durch eifrige Schweißproduktion mit, Laufschuhe in Objekte von auserlesener farblicher und olfaktorischer Zusammensetzung zu verwandeln.
Zudem dringen kleine Steine, Moos- und Graspartikel und was weis ich noch in sie ein. Wenn ich meine Latschen davon befreie, beschleicht mich zuweilen der Anflug eines schlechten Gewissens. Zerstöre ich möglicherweise ein wertvolles Biotop? Mache ich mich des Artensterbens schuldig?

Bislang hat noch jedes Mal mein Bedürfnis, in bröckchenfreien Schuhen unterwegs zu sein, obsiegt.

Also doch saubermachen, nur: wie?

Dreckkrusten außen machen nicht nur das Laufen unschön, sie neigen dummerweise auch dazu, sich dort abzulösen, wo sie Kollateralverschmutzungen anrichten. In Wohnungen, Autos, und eben sonst, wo es Teppiche gibt. Und so nehme ich mir ein Beispiel an den Wandersleuten. Die schlagen seit Generationen ihre Schuhe gegeneinander, dass der Schmutz nur so spritzt!
Und innen? Bei meinen gefühlten Anschlägen auf die Biodiversität nehme ich die Innensohle heraus, entferne alles, was stören oder gar Blasen bilden könnte, um dann das Gleiche mit dem Restschuh zu tun. Hartnäckige Grassamen, Stacheln oder Dornen, die sich in die Polsterung gebohrt haben, werden ausgezupft.

Damit wäre der mechanische Teil erledigt. Und der Rest wie Gerüche oder Farbveränderungen, vulgo Dreckschlieren? Hier scheinen sich die Geister zu scheiden. Neue Schuhe kaufen, Waschmaschine oder Handwäsche? Und welches Waschmittel? Etliche Treffer der Google-Suche nach dem Stichwort „Laufschuhe reinigen“ warnen eindringlich davor, sie in die Waschmaschine zu stecken. Nienicht, auf gar keinen Fall!
Das häufigste Argument, sagt, die Temperatur sei zu hoch, möglicherweilse könnte sich der Klebstoff auflösen. Ich kann dem nicht folgen. Nehmen wir einen hübsch heißen Sommertag, sagen wir: 35°C Außentemperatur. Wir lassen außer Acht, dass der Asphalt, auf dem wir laufen, eventuell noch wärmer ist. Von innen versuchen die Füße gegenzuhalten, sagen wir, mit knapp unter 30°C (wer mehr wissen will: Temperaturverteilung menschlicher Körper. Ich kenne niemanden, Badwater Finisher ausgenommen, der jemals über temperaturgeschädigte Klebeverbindungen berichtet hätte. Sicherheitshalber werde ich ein paar Schuhhersteller fragen, für welche Temperaturen sie ihre Produkte auslegen.

Was ich sagen will: die Temperaturen in der Waschmaschine sind auch nicht höher als im normalen Leben eines Schuhs. Nein, Schuhe sind natürlich keine Kochwäsche!
Ich vermag mir weder unter mechanischen, thermischen, noch chemischen Aspekten ein Risiko für die Schuhe vorstellen, das sie mehr schädigen kann als ….. Laufen.

Stark, damit meine ich wirklich starrrrrrrk, also total verdreckte Latschen, bei welchen sich der Dreck schon in der Polsterung festgesetzt hat, um im Laufe der folgenden Monate herauszubröseln, kommen bei mir in die Waschmaschine. Separat, bei 30° ohne Waschmittel.
Handwäsche mit sanfter Seife (was auch immer das ist, vermutlich Schmierseife) wird ebenso häufig propagiert, wie man von der Waschmaschine abrät. Dazu empfiehlt die Arbeit mit einer nicht allzu harten Bürste – die Variante mit Drahtbürste in der Bohrmaschine scheidet also aus. Ich bin für derlei schlicht zu faul. Was nicht abfällt, oder in der Waschmaschine entfleucht, bleibt halt dran. Kein strahlendes Weiss, keine leuchtenden Farben. Sei’s drum.

Trocknen können die Schuhe, wenn ich sie denn einer Feuchtreinigung unterzogen habe, an ihrem angestammten Lagerort. In der Zwischenzeit, bis sie wieder einsatzfähig sind, darf eines der anderen Paare herhalten. Ich weiss nicht, was ich täte, wenn ich nur einen Satz hätte, oder wenn ich mein Lieblingspaar unbedingt und schnellstmöglich wieder nutzen wollte. Wahrscheinlich würde ich dem Vorschlag folgen, sie mit Papier auszustopfen, um das Ensemble (Innensohlen irgendwo obendrauf!) in einen trockenen Raum oder die Nähe einer Heizung zu stellen, selbstredend würde ich die Grenzen der thermischen Belastbarkeit respektieren…

Mikrowelle geht leider nicht, die ist nur für Pudel.

Glaube ich.

Ultra ohne Uhr

Zeit-los
zeit-los Laufen ohne Uhr
Würde man einen Läufling auffordern, eine „typische“ Handbewegung zu machen, es würde jene kominierte Rotations- und Schwenkbewegung des zumeist linken Armes ausgeführt, welche den Blick auf die Uhr kennzeichnet. Ich kenne viele Menschen, die sich köstlich über den Uhrblick nach der Ziellinie amüsieren. Gleich nach dem Hochreißen der Arme, und stets begleitet von jenem beseelten Lächeln, das man außerhalb des Sports allenfalls mit HIlfe von bewusstseinserweiternden Substanzen hinbekommt.
Besagter Kontrollblick nach dem Ziel ist nur die Spitze des Eisbergs, denn wir nutzen die tragbaren Kleincomputer bereits während des Laufes so ausgiebig, dass ich mich manchmal frage, wann ein Modell herauskommt, das mir den Blick in die Natur / auf den Weg komplett „erspart“. Puls, Strecke, gestoppte Zeit, momentane und durchschnittliche Geschwindigkeit, Höhe (aktuell und zurückgelegte Höhenmeter), die Strecke als Grafik, das alles will vom menschlichen Gehirn erfasst und überwacht werden. Diverse Träningsprogramme mahnen mich piepsend, wenn es an der Zeit ist, mit dem Tempo rauf oder runter zu gehen. Und mit dem „Virtual Partner“ bin ich nie alleine unterwegs!

Irgendwann begann ein leiser Zweifel an mir zu nagen. Der Zweifel, ob ich die angebotenen Informationen immer brauche. Muss ich, wenn ich einfach mal ein Stündchen vor mich hin traben will, wirklich wissen, ob ich dabei 9, 10, oder 11,018 Kilometer zurückgelegt habe? Brauche ich Informationen über meine Herzfrequenz, wenn ich gar nicht vorhabe, in einem definierten Pulsbereich zu bleiben? Und so wagte ich mich zaghaft an die ersten Laufeinheiten ohne Uhr. Ganz ohne Uhr. Keine Zeit, kein Puls, nichts. Wahrlich, anfangs befiel mich beim Blick auf mein nacktes, leeres Handgelenk eine innere Unruhe. Irgendwann hatte ich mich jedoch dran gewöhnt, so dass ich den Handgelenkscomputer nunmehr nur noch einsetze, wenn ich die Informationen auch wirklich nutzen will. Ja, das gilt auch für die Streckenlänge, seit ich mich von der Kilometersammelei verabschiedet habe: Mein Haus. Mein Boot. Meine Wochenkilometer.

Alsbald fühlte ich mich reif, das uhrenlose Laufen im großen Rahmen, gar im Wettkampf, durchzuführen. Beim Keufelskopf Ultratrail lies mich die Angst vor der eigenen Courage kurz vor dem Start noch einen Rückzieher machen. Weshalb nur? Welchen Halt hätte mir die Uhr geben können? Ein Beispiel, das illustriert, welch eigentümliche Blüten eine als solche empfundene psychische Abhängigkeit treiben kann. Ich schob meinen Selbstversuch daher auf, nicht ohne mich über mich selbst und über meine Feigheit zu ärgern. Wenn ich schon zunächst kalte Füße bekommen hatte, wollte ich es mir gleich bei einem anspruchsvollen Ultra zeigen: vier Wochen später, beim Zugspitz Ultratrail. So glasklar der Entschluss war, so frei blieb ich von jeglichem unguten Gefühl (huch, ohne Uhr?). Beim Zugspitz Ultra findet es statt, das zeit-lose Experiment.

Wie war es für mich?
Schön war’s! Zu keiner Zeit habe ich irgendwas vermisst, im Gegenteil: mein Kopf war frei, ich konnte mich, ganz wie geplant, auf den Lauf konzentrieren, habe mich ausschließlich auf mein Körpergefühl verlassen. Dazu fielen zwei mögliche Aspekte komplett weg: einerseits der selbsterzeugte Druck, der durch das Schielen auf die Cutoffzeiten bzw. den erst größer, dann eventuell kleiner werdenden Puffer entsteht: „was? nur noch 110 Minuten Puffer? Bei der letzten VP waren es noch 122 Minuten“. Andererseits die gemütliche Aussicht auf eben jenen Puffer: „schön, zwei Stunden Zeitguthaben, da kann ich mir Zeit lassen.“ Weder das Eine, noch das Andere: einfach nur laufen!

Es war vollkommen problemlos, wobei ich mich frage, welche Probleme denn hätten auftreten können. Anders ausgedrückt: welche Informationen, die mir Garmin oder eine andere Uhr bieten, hätte mir durch ihr Fehlen denn Schwierigkeiten bereiten können?
– Puls? Ich lief ausschließlich nach Körpergefühl. Dass der Puls bergauf, in größeren Höhen oder wann auch immer etwas ansteigt, merke ich auch so. Ich muss das nicht numerisch haben.
– Strecke? Ist ausreichend markiert, also auch nicht notwendig.
– Zeit? Ich sah die Cutoff-Zeiten nicht als Problem an, ebensowenig bin ich schnell genug, als dass Best- und sonstige Zeiten für mich relevant wären.

Fazit.
Polar, Garmin & Co bieten uns Breitensportlern Möglichkeiten, von denen noch vor zehn Jahren keiner geträumt hat. Ich wechsle die Perspektive, indem ich, statt „irgendwas“ mit den gelieferten Daten zu tun, die Frage stelle: Welche Informationen will ich nutzen?
Genau die sind es, die ich gezielt abfrage. Ist der Kontext ein anderer, lasse ich die Uhr weg, um befreit zu laufen.