Lippenbekenntnisse – Ein Sportler lernt Ernährung

Essen bedeutet mir etwas mehr als bloße Nahrungsaufnahme. Gourmet bin ich gewiss nicht, weiß leckeres Futter aber durchaus zu schätzen. Noch lieber allerdings bewege ich mich. Essen und Bewegung ist eine wunderbare Kombination, die mich bislang vor Fettleibigkeit ebenso bewahrt hat, wie vor dem Hungertod.
Rückblickend erkenne ich allerdings, dass ich beim Thema "Ernährung" einen blinden Fleck habe, auf dem ich allmählich sehend werde.
Beim Sport verhält es sich seit jeher anders: Judo als Kind, gefolgt von ein paar Jahren American Football bis ich zu studieren anfing. Es folgte eine mittlerweile stabile Mischung aus Laufen (am liebsten Ultratrails) Kettlebells und seit zweieinhalb Jahren das Olympische Gewichtheben. Wobei andere Spielsachen auch zu ihrem Recht kommen, denn meinem Leib ist es vollkommen wurscht, wovon er ertüchtigt wird. Fahrrad, Clubbell und der Körper selbst sind mir genauso willkommen wie ein Springseil.
Ach, es gibt ja so viele schöne Sachen zum Sport machen!

Das "machen" kam mir sehr gelegen,
braucht' ich es doch des Reimes wegen!
Nun erscheint mir Bewegung ohne Verstehen als ein unverständiges Herumhampeln - außerdem bin ich schlicht neugierig. Deshalb befasse ich mich mit Trainingsmethoden, Trainingslehre, Trainings- undsoweiter. Schließlich will ich mich verbessern, und die Übungen in sauberer Technik ausführen was irgendwie voraussetzt, dass ich weiß, wie ich mich verbessern kann und die technisch korrekte Ausführung einer Übung kenne. Letzteres, auch das habe ich gelernt, beschreibt keine exakten Raumkurven des Körpers und seiner Teile, die als von Prokrustes inspiriertes Dogma jedem aufgezwungen werden, sondern eher einen Bewertungsrahmen, dessen Parameter sich sehr klar ableiten lassen. Kurzum habe ich mir einiges angelesen, beigebracht bekommen, erarbeitet oder auf andere Weise gelernt und noch mehr selbst erfahren.
Muss ich erwähnen, dass mein sportlicher Lernprozess immer weiter geht? Wohl kaum, oder?
Doch gibt es eben jenen blinden Fleck, denn so sehr ich über Training nachdachte, so gedankenlos blieb meine Ernährung. Ich aß, wenn ich Hunger hatte und das, wonach es mich gelüstete.  
Den größten Einfluss auf dieses Prinzip hatten die vorrätigen Nahrungsmittel. Die Lust auf Kartoffeln zu befriedigen klappt natürlich nur dann, wenn auch welche im Haus waren - falls nicht, war ich eben flexibel.
Wobei ich hervorheben will, dass ich durchaus in der Lage war und bin, mich selbst beobachtend "eigenartige" Symptome wahrzunehmen. Mir fällt meine Teilnahme am Rennsteiglauf ein, bei welchem ich an der Verpflegungsstation bei Kilometer 45 ankam, frierend, hungrig, platt. Angesichts der dort liegenden Brote hörte ich eine innere Stimme laut schreien: "Junge, iss ein Schmalzbrot!". Gehorsam, wie ich war, habe ich es gegessen - kurz danach ging es mir prächtig!
Dass ich nach dem abendlichen Genuss einer großen Portion Schinkennudeln leicht komatös ins Bett wankte, schien mir mehr oder minder normal, zumindest habe ich keinen klaren Zusammenhang zwischen dieser Mahlzeit und meiner Müdigkeit hergestellt. Auch bin ich durchaus in der Lage, einen Zusammenhang zwischen dem Genuss einer Riesenportiln Griesbrei vor dem Schlafengehen und dem nächtlichen Schwangerschaftsbauch herzustellen.
Es braucht nicht allzu viel Phantasie, um sich meine jeweilige Vorfreude auf die Entbindung von besagter Darmschwangerschaft vorzustellen.

Im umgekehrten Falle fühlte ich mich nach einem Abendessen, welches aus Salat, oder mit salatartigen Dingen (Gurke, Tomaten,...) belegtem Brot besteht, frisch und munter.
Kurzum: Wahrgenommene Symptome führten zur Reflexion, und die wiederum zur Beschäftigung mit dem Thema. Und zu Experimenten.
Überdies denke ich mir, wenn ich Bewegung ohne Verstehen als unverständiges Herumhampeln nenne - was wäre dann Essen ohne Verstand? Freilich liegt mein Interesse klar beim Sport, doch kann ich kaum von der Hand weisen, dass Ernährung einen deutlichen Einfluss auf meine sportliche Leistungsfähigkeit hat. Da will ich mich zumindest beiläufig mit diesem Gebiet befassen.
Die - zugegeben sparsame - Erweiterung meiner Kenntnisse begann mit einem Buch über Sporternährung. Verstärkte Selbstbeobachtung ließ rasch Erkenntnisse folgen, und ich wurde experimentierfreudiger. 
Beispiel gefällig? Auf einer längeren Laufrunde begleitete mich ein Beutelchen Rosinen, nachdem ich über Fructose gelesen hatte. Nach knapp drei Stunden wurde ich deutlich langsamer, die Beine schwer. Eine kleine Handvoll hochkonzentrierter Fruchtzucker (die Rosinen eben) wirkte wie eine Dose Spinat auf Popeye: Die Haxen konnten kaum schnell genug laufen, bis der Akku nach einer halben Stunde leer war. Neue Dosis Rosinen, und weiter ging's.
Es war also ein Prozess in Gang gekommen, der durch den Kontakt zu einer Ernährungsexpertin intensiviert und beschleunigt wurde. Sie hat auf alle meine Fragen, so spezifisch oder naiv sie auch sein mögen, immer eine kompetente Antwort parat, gibt mir Tipps und Anregungen. Das ließ meine Selbstversuche wiederum häufiger werden. Eine schöne Lernspirale aus Frage - Information - Experiment nahm ihren Anfang.
So kommt es, dass hier ein Sportler seinen Weg zur durchdachteren Ernährung beschreibt, einschließlich der Fehlschläge, versteht sich.
Weshalb "Lippenbekenntnisse"? Nun, durch sie schiebe ich das Essen in mich hinein.   

4 Gedanken zu „Lippenbekenntnisse – Ein Sportler lernt Ernährung“

  1. Lieber Harald, du schlägst ein Kapital auf, das ich schon lange für mich gelöst habe. Auch ich merkte in den Anfängen, dass mir das eine oder andere “ Gericht “ nicht gut tut, habe experimentiert, mich informiert, aber vor allem auf meinen Körper gehört, denn er sagt mir genau, was er wann möchte, und selbstlos wie ich nun mal bin, erfülle ich ihm seine Wünsche. Somatische Intelligenz nennt man sowas, aber das ist dir sicherlich nicht entgangen !! 😉

    Mittlerweile haben wir zwei, mein Körper und ich, keine ernährungstechnischen Probleme, er bekommt, was er möchte – und ich profitiere davon – eine Hand wäscht die andere – so geht Ernährung für Läufer ! 😎

    In diesem Sinne – guten Appetit !

    1. Liebe Margitta,

      du hast mir offenkundig was voraus. 😉
      Wir beide – also mein eigener Körper und ich – leben in ähnlicher Symbiose, wobei ich mir manchmal auch „Unfälle mit Ansage“ erlaube. Sprich: Tiefkühlpizza zum Abendessen. Ich weiß (wir wissen….), dass anschließend das Koma folgt. 😀

      Schön zu wissen, wie groß unser Einfluss auf’s Wohlbefinden ist, und wie einfach es doch gehen kann.

      Dir auch einen guten Appetit!

      Ciao,
      Harald

    1. Damit liegst du ganz bestimmt richtig. So richtig „gute“ Essensbisse erfreuen auch das Gemüt, und wenn’s nur der Stolz auf gelungenes „gutes“ Essen ist. 😉

      Ciao,
      Harald

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