Sport macht Worte

Sprache lebt. Eigentlich bedarf es keines weiteren Beispiels dafür, dass neue Worte hinzukommen, während andere in Vergessenheit geraten. Dieses besondere Wort scheint mir jedoch eine Erwähnung wert, denn es deutet viel darauf hin, dass es seinen Ursprung in der Welt des Sports hat.
Ich rede von einem Begriff, der die deutsche Sprache, seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts bereichert: dem „sehrsehr“.
Der Urheber dieses wunderschönen Neologismus liegt im Dunkel der Geschichte verborgen; ich meine mich zu erinnern, dass es zuerst in Interviews mit Sportlern auftauchte: „es war ein sehrsehr harter Wettkampf“.
Sehrsehr ähnelt dem vervielfältigten Dank (vielen, vielen Dank) und dem verstärkten Lob (ganz, ganz toll), wird jedoch wie ein einzelnes Wort ausgesprochen.

Mittlerweile ist „sehrsehr“ sehrsehr weit verbreitet. Über alle Bevölkerungsgruppen hinweg.
Ich habe im Duden nachgelesen. Der sagt mir, „sehr“ zählt zur Wortart der Modaladverbien. Die dienen dazu, eine Sache oder einen Vorgang zu erweitern oder einzuschränken.
„Wie war dein Marathon?“ „Sehr hart.“

Haare spaltend mag man auf der Sachebene einwenden, dass Marathons immer hart sind. Steht der Läufling besser im Training vielleicht nicht ganz so hart. Hat er einen schlechten Tag, wird’s härter.
Demnach müssen Härtegrade benannt werden können, wofür es Modaladverbien gibt, und zwar nicht nur eines, sondern sehrsehr viele, daher auch der Plural.

Der Online-Duden liefert alleine für „sehr“ eine Fülle von Synonymen, in die unser Bauchgefühl eine Abstufung hineindeutet. „äußerst“ hart scheint mir härter als „arg hart“, wenn auch nicht ganz so hart wie „mörderisch hart“. Und ein unsäglich harter Marathon war gewiss härter als ein sehr harter.
Wie hart ist sehrsehr hart? Härter als sehr hart. Sagen wir: äußerst hart.
Und wenn es ganzganz hart war? So hart wie noch nie?
Wende ich dann ein anderes Modaladverb an, und sage „mörderischmörderisch hart“? Alternativ kann ich meinen Wortschatz weiter eingeschränkt lassen, indem ich weiter über die Vervielfachung steigere:
„ein sehrsehrsehr harter Lauf.“

Eventuell können wir uns dem Phänomen von einer anderen Seite annähern, indem wir fragen, wie wir einen Diminutiv einführen würden. Was wäre das Gegenteil von sehrsehr? Lasst uns „weniger“ als dem „sehr“ entgegen gesetzt annehmen. Wenigersehr ist mithin nicht nur schwächer als sehrsehr, sondern auch schwächer als sehr, denn der erste Teil einer Doppelung wirkt nicht auf das Adverb, sondern auf das Modaladverb „sehr“. Die Verdoppelung steigert daher nicht linear, sondern sie potenziert!

Bevor ich nun weiter sinniere, sage ich vielenvielen Dank fürs Lesen. Es hat mir argarg Spaß gemacht, über sehrsehr nachzudenken: zum Beispiel weiss ich jetzt, was ein Modaladverb ist.
Das gefällt mir sehrsehr gut.