Ich rede von der musikalischen Untermalung bei Laufveranstaltungen. Dem Klangteppich. Ein- und Ausstimmung. Stimmungsmacher oder -töter, je nach Deckungsgrad von Musik, persönlichem Geschmack und Gemütsverfassung.
Nach einer breit angelegten Studie unter reger Beteiligung des laufenden Teils der Weltbevölkerung (na gut, ich habe ein wenig nachgedacht) können wir Klang-Lauf-Veranstaltungen in drei Kategorien einteilen:
a) der volkstümlich-zünftige Lauf
b) der vereinsmäßig-rockige Lauf
c) der kommerziell-glamouröse Lauf
Der volkstümlich-zünftige Lauf
Angelehnt an Volkswandertage unterhält man den geneigten Starter im Rahmenprogramm mit volkstümlicher Musik, wobei auch der deutsche Schlager nicht zu kurz kommt. Das bedeutet zumindest für diejenigen unter uns, die mit der ZDF-Hitparade, dem Blauen Bock und Musikantenstadl aufgewachsen sind, ein freudiges Wiederhören mit den Traumata der Kindheit. Allzu hohe Ansprüche an die Kohärenz zwischen Musik und sportlichem Kontext muss man nicht stellen; mir fällt es jedenfalls schwer, inmitten von sportlich-gestählten Leibern an die Wildecker Herzbuben zu denken. Mit wieviel „X“ vor dem L gibt es eigentlich Kompressionsshirts? Nur für den Fall, dass die beiden mal mitlaufen wollen…
Der vereinsmäßig-rockige Lauf
Kleinere, von Vereinen liebevoll organisierte Läufe zeichnen sich meist durch „das Beste der 70er und 80er und 90er Jahre“ aus. Je nach Laufstrecke ist die Trefferquote ziemlich gut, deckt sich der Altersdurchschnitt der meisten Marathons doch mit Ü30-Parties. Eine Zielgruppe, die AC/DC, Stones, Queen, gerne auch Nirvana zu schätzen weiss. Die musikalische Bandbreite ist hier besonders groß; möglicherweise, ich sage „möglicherweise“, will ja keinem was unterstellen, also: möglicherweise nimmt man im Eifer des Gefechts auch die Sache mit den GEMA-Gebühren nicht allzu genau, wenn der Musikwart zufällig die von ihm so geliebten Bootlegs aus Studizeiten herauskramt. Wenn der Laufsport weiter so wächst wie in den letzten Jahren, müsste man sich nicht wundern, dass die Medienindustrie dem Untergang geweiht ist. Müsste, denn zum Glück für die GEMA gibt es den Trend zum Kommerz, und damit sind wirbeim fließenden Übergang angelangt, ebenso fließend wie die Musikauswahl, denn das Beste aus… finden wir auch hier:
Der kommerziell-glamouröse Lauf
Städtemarathons mit zigtausend Teilnehmern, Kult-Landschaftsläufe und alles was sonst noch von und mit Eventagenturen überlassen nichts dem Zufall. Nicht immer, aber häufig hat der Lauf eine eigene Hymne: hört man beim Rennsteiglauf das Rennsteiglied, wurde für den Zugspitz Ultra eigens ein Song mit
reichlich, was eigentlich? Pathos? Schmalz?, komponiert.
Zum Schluss will ich auf einen besonderen Moment im Dasein einer jedweden Laufveranstaltung zu sprechen kommen: dem Start. Hier verschwimmen die sonst recht scharf gezogenen Grenzen zwischen den Veranstaltungstypen.
Beim Start immer gerne genommen: Highway to Hell. Erinnert sich da noch jemand dran? 1987? Von „Europe“, eine jener Glam-Rock Bands, bei denen mich der Verdacht
beschleicht, sie hätten mindestens soviel Zeit beim Frisör zugebracht wie im Tonstudio? Von denen gab es damals „Final Countdown“. Ich frage mich allerdings, warum man das so gerne vor dem Start spielt.
Woher wollen die den wissen, ob ich wirklich zum letzten Mal….? Stellen die sich denn nicht die Frage, wie sich das auf die Psyche, auf die Motivation eines Läufers auswirkt?
Im Anschluss an das Startlied wird dann tatsächlich heruntergezählt, bis der Startschuss knallt. Immer. Mit einer Ausnahme.
Im baden-württembergischen Oberderdingen findet seit 2010 der KuSuH statt, ein Trail über 100 Meilen, vor dessen Start die dreißig auserwählten Läufer „Stairway to Heaven“ hören. Das Ende des Songs ist gleichbedeutend mit dem Startsignal. Wo also sonst ein lautes Geräusch zum Losrennen auffordert, ist es beim KuSuH eben das Ausbleiben eines solchen. Schön.