Wirklich nicht. Gedanken auf dem Rad.

Über schönes Wetter und Radlust. Aufpassen auf und für andere nebst kräftiger Selbstzügelung. Mein komisches Knie. Erinnerungen sowie kaum veränderte Fahrweise. Es segelflogen Segelflieger! Noch reizt sie nicht, die Hupe…

Ein wunderbarer Tag ließ mich das geliebte Gravel Bike aus dem Keller holen, auf dass ich mir eine genussreiche Runde auf dem Fahrrad gönne. Neben der herrlichen Luft – mit knapp zwanzig Grad und ein paar Wolken genau in meinem wettrigen Beuteschema – findet mein rechtes Knie in letzter Zeit ohnehin, dass ich weniger laufen sollte. Bin gespannt, was die anstehende Untersuchung ans Licht bringt. Es mag viel, das Knie. Sogar Kniebeugen, insofern kann ich mich nicht beklagen, bis es (möglichst bald!) wieder ans Laufen geht. Neben dem Radeln, denn das macht Freude. Hach!

Natürlich sind mir die alten Reflexe und Gewohnheiten aus meiner Jugend, in der ich noch sehr viel auf dem Drahtesel unterwegs war, erhalten geblieben. Warum ich viel fuhr? Nun, ohne Führerschein bleibt nur das Rad, sowie Bus und Straßenbahn. Für mich ist alles attraktiver, als in einem Bus zu hocken, selbst wenn es nur ein paar Grade über Null hat und kräftig regnet. Allein der Zeitfaktor: In die Schule brauchte ich mit dem Rad rund zehn Minuten; würde ich den Bus genommen haben, wäre ich mit einer Dreiviertelstunde dabei gewesen. Also entweder um dreiviertel Acht aus dem Haus, oder kurz nach Sieben. Dazu die Alternative von Bewegung und frischer Luft im Vergleich mit Herumstehen im Gedränge.

Noch Fragen?

Offenbar hat man mir den Individualverkehr in die Wiege gelegt, erfreulicherweise zusammen mit einer ausgeprägten Neigung zum Acht geben. Wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, passe ich besonders gut auf. Auch mich und andere. Mehr auf die anderen und das, was sie tun. Manche Leute sind ja unberechenbar, blind gegenüber ihrer Umgebung und obendrein gedankenlos. Als Radfahrer fehlen mir außerdem jegliche Knautschzonen oder Airbags, was dazu führt, dass letztlich ich selbst das bin, was da geknautscht wird. Am Kopf trage ich einen Helm, nur sind mir die anderen Körperteile im Laufe der Zeit gleichermaßen ans Herz gewachsen, so dass ich sie mir in gesundem und einwandfreien Zustand erhalten will. Also aufpassen, und wenn es noch so schön dahinrollt, wobei mir eine Episode aus meiner Schulzeit einfällt.

Ich hatte seinerzeit mein standardmäßig gefahrenes Rad mit den damals üblichen zehn Gängen, aber Gepäckträger usw.. Und ein älteres mit Dreigangnabe – erinnert sich jemand an die Torpedo Dreigangnabe von Fichtel & Sachs? So eine war das! Selbiges machte ich im Laufe der Zeit zu einem recht minimalistischen Gerät ohne überflüssigen Tand wie Schutzbleche oder Lampen. Eines Tages erwarb ich einen BMX-Lenker, montierte ihn und fuhr damit am nächsten Tag in die Schule. Vorne hatte das Rad keine Bremse, da der Bowdenzug leider zu kurz gewesen war, um sie zu montieren. Was soll’s, Rücktritt reicht ja.

Es fuhr sich gut, das Rad. Eine abschüssige Straße hinunter, hinter einem Auto, welches an einer etwas engeren Stelle anhielt (!), bloß weil ein anderes entgegenkam. Warum in alles in der Welt bremst man, obwohl genug Platz ist? Noch dazu bis zum Stillstand? Ich verstehe es bis heute nicht. Jedenfalls tat ich es dem Wagenlenker nach, indem ich ebenfalls bremste, nahm dann meinen Einschlag wahr und den Flug, in diesem elegant Salto schlagend, in Höhe der etwas mehr als mannshohen Mauerkrone, welche die Straße rechts begrenzte. Dann landete ich vor dem Auto auf meinen Füßen, unverletzt und guter Dinge. Das Rad war hin (nur die Gabel gebrochen), das eine Auto hinten verbeult – um den Entgegenkommer hatte sich meine Büchertasche gekümmert, indem sie in dessen Kühlergrill geflogen war. Was das angeht, waren die Aufgaben zwischen Tasche und mir gut verteilt gewesen, denn über den Renault Trafic, einen Lieferwagen mit entsprechender Höhe, hätte ich nicht fliegen können.

Soweit eine Geschichte, die sich nett erzählen lässt. Warum tue ich das? Das ist leicht berichtet: Als ich auf einer abschüssigen Straße in einen Ort hinein fröhlich vor mich hin radelte, wurde ich von einem Pick-Up überholt. Diese bremste allen Ernstes vor einem die Straße dekorierenden Schild ab, welches ein Tempo von dreißig vorschlägt.

Habe ich erwähnt, dass es bergab ging? Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich wahrlich nicht schnell fuhr und fahre, dass ich kein Radsportler bin. Aber es ging halt bergab und so unfit bin ich auch wieder nicht. Und er bremste. Ich auch, Abstand haltend, siehe meine Erfahrung von damals. Dachte ernsthaft ans Überholen, warum auch nicht? Klar, etwas weiter wollte ich ohnedies abbiegen, aber das ist doch kein Grund, um nicht noch das Tempo auszunutzen, wenn es denn schon so schön rollt. Schlussendlich blieb ich dahinter, weil ein paar Meter weiter auf der rechten Seite ein Auto parkte (und wer weiß, ob der Typ in den Rückspiegel schaut, wenn ich an ihm vorbeiwill). Ich hatte vielleicht zu lange über das „ob“ nachgedacht.

Nächstes Mal überhole ich ihn.

Schnarchsack!

Versteht mich bitte richtig, ich fahre nicht schnell. Dynamisch vielleicht, worunter ich verstehe, dort zu fahren, wo Platz ist und mich rasch auf neue Situationen einzustellen. Mitdenkend und rücksichtsvoll im Sinne zügigen Vorankommens für alle. Das Gleiche erwarte ich auch von allen anderen, wohl wissend, dass ich damit zuviel erwarte. Spaziergänger auf Schotterwegen sind auch so ein Fall für sich. Meine zart klingende Glocke ist für sie mehr eine Aufforderung zum Ignorieren als der Hinweis „es kömmt ein Radl geradelt, welches Durchlass begehrt“. Gemächliches Umdrehen, leerer Blick, langsame, zäh fließende Erkenntnis, bevor ein Schrittchen zur Seite erfolgt. Früher hatte ich mir eine Pressluftfanfare an den Lenker montiert gehabt, der hat Wirkung gezeigt!

Kinder dagegen finde ich auf solchen Runden cool, besonders solche, deren erste Gehversuche auf dem Fahrrad (hey, Wortspiel…) noch nicht allzu lange zurückliegen. Manchmal werden sie vom Ehrgeiz gepackt und treten selbst kräftig rein, andere finden ihre Linie auf dem Weg. Da fahre ich besonders vorsichtig vorbei, Kinder lernen schließlich noch. Erwachsene sollten gelernt haben.

Ich betone den Konjunktiv.

Klingt nörgelig, was ich schrub? Ach was, ich nehm’s mit Humor! Es macht mir aber auch Spaß, hier vom Leder zu ziehen – wobei mich manches Verhalten schon verständnislos den Kopf schütteln lässt, wie gewisse Bremsvorgänge. Überdies bietet jede einzelne Runde Genussmomente erster Sahne!

An der Schwanner Warte (wer mag, mag dies googeln) konnte ich dabei zusehen, wie Segelflugzeuge auf die Landewiese einschwebten1. Direkt neben meiner Strecke, was daran liegen mag, dass die Strecke am Landeplatz entlangführt. Auf der Höhe hielt ich erstens kurz an und zweitens inne, wie ich es dort immer tue, um ein paar Sekunden lang die Aussicht zu genießen. Fernblick inmitten blühender Wiesen links und rechts der Straße. Mein Kopf spielt mir Gimme That Boom von Skindred, und ich frage mich, welche Titel mit Boom mir noch in den Sinn kommen: Click, Click, Boom von Saliva, Boom, Boom von John Lee Hooker und Boom von P.O.D.. Kennt wer weitere Stücke?

Auf den letzten Kilometern vor daheim zieht im Wald der Duft irgendwelcher Blumen in meine Nase. Herrlich! Ich sauge ein, freue mich – bis der Geruch von Ausscheidungen durchfallgeplagter Säugetiere alles überlagert. Ich hielt bereits nach verräterischen Tempotaschentüchern am Wegesrand Ausschau, als ich mich dem Kuhstall nebst Weide näherte. Sudel mieft doch anders…können Kühe solchen Gestank produzieren?

Welch wunderbare Runde. Es ist angebracht, ein herzliches Hach auszusprechen.

Hach!

Übrigens blieb meine Fahrt trotz am Horizont dräuender Wolken trocken. Wenn’s während der Runde regnet, kratzt es mich überhaupt nicht, nur beim Losfahren bleibe ich Weichei. Und witzigerweise freue ich mich auch Jahre nach dem Kauf meines Gravel Bikes noch immer darüber, diese Art passt zu meiner Fahrweise, die, wenn ich mich zurück erinnere, mein damaliges Rad mit Rennlenker und ohne diese ganz schmalen Reifen, auch schon weitgehend klaglos mitmachte.

Meine Fahrweise hat übrigens nichts damit zu tun, dass mein Rad, anders als mein Auto, kein Nummernschild trägt.

Wirklich nicht.

  1. Mehrere Synapsen wollen unbedingt, dass ich das Wort sanft verwende. Sanft landen, sanft den Boden touchieren, sanft einschweben (ist das nicht ein Pleonasmus?). Aber den Gefallen tue ich ihnen nicht. Sanftes Yoga, gewaltfreies Stricken, achtsames Bei-der-Sache-Sein. Nein, es wurde ohne zusätzliches Attribut eingeschwebt. Basta! ↩︎

2 Gedanken zu „Wirklich nicht. Gedanken auf dem Rad.“

  1. Ach, lieber Mr. Kettlebell, hier bin ich schon, wie versprochen !

    Ich finde mich in deinen Worten oft wieder, genieße das Radfahren mittlerweile fast täglich, habe gerade gestern wieder eine Tour von 38 km in herrlicher frischer Luft und traumhafter Umgebung genießen können !

    Besonders gut gefällt mir, dass du auch mit Helm fährst, denn auch ich fahre keinen Meter ohne. Der Kopf – unser wertvollstes Gut – muss einfach geschützt sein, nur sind sich die meisten unserer Mitbürger dessen leider nicht bewusst, du schon – und das gefällt mir.

    Dein Sturz ist ja zum Glück gut verlaufen, wir müssen schon achtsam sein, weil wir – wie du auch schreibst – keinerlei Schutz auf dem Rad haben, ausgenommen unser wertvollstes Teil , und das wollen wir ja weiterhin nutzen, so wie du und ich !!

    Bei Pleonasmus musste ich erst mal nachblättern, bin zwar gut unterwegs mit Fremdwörtern, aber ab und an……………wieder was dazugelernt !

    Gute Besserung – und was ist jetzt mit dem Knie ??????????

    Grüße von ganz oben, ich liebe Bewegung – habe ich es schon gesagt ???????????

    1. Liebe Margitta,
      schön, dass du dich wiederfindest in dem was ich schrub. Helm ist, zumindest auf dem Gravel, bei mir Standard. Auf meinem „legalen Rad“, also dem mit Schutzblechen, Gepäckträger usw. lasse ich ihn in seltenen Fällen weg, nämlich dann, wenn ich Lust habe, mir den Wind nicht nur um die Nase wehen zu lassen. Und das dann vorrangig, wenn ich wenig auf Straßen unterwegs bin, sprich in Wald und Flur. Ich kann mich ja nicht immer auf meine Flugeigenschaften von damals verlassen!

      Das Knie…tja…nächsten Dienstag geht’s zum Röntgen, dann weiß ich mehr.

      Bewegung ist einfach schön, derzeit erfreue ich mich an der Bewegung meiner Arme, das Knie hat mir letzten Mittwoch den Versuch, ein paar Laufschritte zu machen, sehr übel genommen.
      Grüße von unten! 🙂

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