Vorsätzlich?

So ein Jahresswechsel ist faszinierend: ich lege mich schlafen, wache auf – und alles ist wie zuvor. Bei mir.
Andere Menschen hingegen hatten die radikale Neuausrichtung zu just diesem Datum vor Monaten vorsätzlich beschlossen. Und deshalb ist seit vorgestern alles anders. Wirklich?

So ein Jahresswechsel ist faszinierend: ich lege mich schlafen, wache auf – und alles ist wie zuvor. Wieso auch nicht, es ändert sich ja bloß die Jahreszahl im Datum, das ich schreibe. Ein banaler Vorgang, der das menschliche Konstrukt namens Kalender wiedergibt.

Nichts Besonderes also.

Für mich.

Andere Menschen hingegen hatten die radikale Neuausrichtung ihres Lebenswandels zu just diesem Datum vor Monaten vorsätzlich beschlossen. Und deshalb ist seit vorgestern, jenem Tag, an welchem sich viele der kleinen Raupen Nimmersatt über Nacht in einen wunderschöner Schmetterling verwandelten alles anders.

Wirklich?

Bleibt das auch so?

Ich hege Zweifel.

Zweifel an der Veränderung, an der Dauer des Zustands und letztlich an der Motivation, die vor Wochen oder gar Monaten zu dem geführt hatten, was der Volksmund gute Vorsätze für das Neue Jahr nennt.
Tja, diese Vorsätze.
Schon sprachlich scheinen sie mir der guten Sache – sprich: einer vom Vorsetzenden herbeigewünschten, ersehnten, erträumten, meist jedenfalls keineswegs erstrebten oder gar hingearbeiteten Änderung – eher hinderlich denn förderlich zu sein.
Nehmen wir an, ein Mensch setzt sich vorsätzlich einen Vorsatz vor. Dieser macht dann, was Vorsätze ihrem Namen nach eben tun: er sitzt. Und zwar vor besagtem Menschen, ihm deshalb im Wege herum. Das macht ihn gewissermaßen zum Vorsitzenden, vielleicht auch zum Vorgesetzten, was die Sache nicht unbedingt erleichtert, denn so ein Vorgesetzter zeichnet sich im Gegensatz zur Führungskraft dadurch aus, dass er Anweisungen gibt, die zu befolgen sind. Der Philosoph spricht hier vom normativen Ist, während sich der Bürger an die härtest mögliche Formulierung obrigkeitlicher Anordnungen erinnert fühlt, die bekanntlich ohne Wenn und Aber zu befolgen sind. Wen interessieren schon Interessen und Motive desjenigen, der zu folgen hat.

Da werfen wir einen kurzen Blick ins Lexikon, Stichwort Motivation, wo wir uns den Unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation vor Augen halten. Intrinsisch motivierte Menschen tun etwas, weil sie Lust dazu haben. Ich kenne genau einen Menschen, der von einem auf den anderen Tag mit dem Rauchen aufhörte: Ich hab’ keinen Bock mehr zu rauchen. Die halbe Schachtel Zigaretten wurde irgendwann weiterverschenkt.

Extrinsch Motivierte handeln, weil sie es müssen. Oder glauben, es zu müssen.

Ich will niemandem was unterstellen, aber diese Vorsetzerei riecht förmlich nach Ach, ich glaube ich muss was für meine Gesundheit tun. Ich bin ja so dick. Weniger Essen und mehr Sport. Ab dem ersten Januar melde ich mich im Studio an.

Äh. Nur mal angenommen, solch ein Satz fällt Anfang Oktober. Wie genau darf ich mir das vorstellen? Jemand findet sich jetzt nicht fit, und will ein Vierteljahr weiterfressen und auf der Couch herumliegen?

Das kann nicht funktionieren.

Wenn derjenige am 1.Januar wirklich den Weg zu sportlicher Betätigung findet, wird er ihn kurze Zeit später verloren haben.

Intrinsisch geht anders. Vielmehr: es geht überhaupt.

Es gibt keinen Vorsatz, der vorne herumsitzt. Was soll er ohne Beine auch anderes tun? Mit Beinen, welche ihm die Lust des Menschen an der Veränderung macht – sie ist ihrerseits tiefer Einsicht in ihre Notwendigkeit geschuldet – gibt es anstelle des Vorsatzes einen Vorgang. Und weil der Mensch Lust im Sinne von Freude empfindet, wird aus dem Vorhaben ein Vorspiel. Schließlich soll die Chose Spaß bereiten.

Ich habe leicht Reden, bin ich doch sportlich?

Klar habe ich das – was den Sport betrifft.

Nur, dass ich nicht bloß von der Bewegung spreche, sondern von Verhaltensänderungen. Dass die verflucht schwierig herbeizuführen und noch schwerer beizubehalten sind, weiß ich selber. Von außen angestoßen – ich muss Sport treiben! – wird’s nichts. Nicht, wenn du musst. Da hilft auch keine Datumskrücke. Wenn du willst, wird ein Schuh draus, in diesem Fall wahrscheinlich ein Laufschuh.

Glaubst du zu müssen – lass’ es, und genieße die anderen Dinge, die dir wirklich Spaß machen.

Wenn du willst – tu’ es. Jetzt.

Viel Spaß beim Vorspiel!

8 Gedanken zu „Vorsätzlich?“

  1. Lieber Harald,

    nun kann ich Deinen Kommentar zu meinem Blogbeitrag also besser einschätzen. 😉

    Ganz schön verschwurbelt, was Du hier von Dir gibst. Aber auch ganz schön schön.

    Auf viele Vorpiele im neuen Jahr!

    Liebe Grüße
    Rainer 😎

    1. Lieber Rainer,

      jetzt muss ich mich noch erinnern, welchen meiner Kommentare du meinst…. 😉
      Hattest du dir vorgespieltes Geschwurbel für 2016 vorgesetzt?

      ciao,
      Harald

  2. Um eine Sucht (wie das Rauchen) zu beenden, ist vermutlich noch etwas mehr als intrinsische Motivation nötig.
    Aber wenn es mit dem Sporttreiben eine Weile geklappt hat, stehen die Chancen gut, dass es zur Sucht wird.

    1. Wohl wahr: Volition braucht’s auch noch 😉
      Wahrscheinlich wäre vielen Leuten schon damit gedient, wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich wären….

  3. Guten Morgen, wertes Lauferei, ach ja, ich stimme Christian, wie so oft, voll und ganz zu hinsichtlich deiner Sprachakrobatik, aber das habe ich ja oft genug zum Ausdruck gebracht, neu ist das nicht.

    Auch was Vorsätze angeht, scheiden sich unsere Geister nicht. Wie viele nehmen sie in diesen ersten Tagen diesen Jahres vor, weniger zu essen, Sport zu treiben, nicht zu rauchen, die eigene Frau nicht mehr zu schlagen – und nix passiert.

    In den ersten Tagen des neuen Jahres, sieht man schwergewichtige, schnaubende Dampfloks eben hier auf der Piste, ich unterstütze es, aber ich weiß auch, dass sie spätestens nach einem Monat wieder von der Oberfläche verschwinden und ins alte Strickmuster verfallen.

    Anders habe ich es erlebt mit MEINEN Laufschülern, die ich durch Anfänger-Laufkurse führte. Sie bekamen von mir nicht nur Motivation in erhöhtem Maße, sondern permanente Streicheleinheiten, und das hat zum Erfolg geführt, natürlich nicht bei allen, aber bei fast allen.

    Darum erst freiwillig in eine Gruppe mit kompetenter Leitung begeben *hüstel*, dann hoch motiviert nie wieder aufhören, kann funktionieren, wie ich weiß. Manche schaffen es nicht alleine, dafür sind wir dann da !!YES !!

    Am traurigsten ist es, dass sie nie erfahren, wie gut Bewegung tut.

    In diesem Sinne Mr. Kettlebell – packen wir es an !

    1. Hui, dein Kommentar ist ja fast länger als mein Artikel. Ich fühle mich geehrt! Meine Erfahrungen sind ähnlich wie deine: manche Schützlinge lassen sich anstecken, um von selbst weiterzumachen – andere nicht. Ist ja ok, es braucht nicht jeder Sport treiben (ich mache keine Musik, tanze nicht usw.). Wenn unsereins ab und zu mal jemanden von seinen eigenen Bremsen befreit, ist das ein Erfolg. 🙂

      Yes, wir packen’s an!

      Mr. Kettlebell….klingt gut. 😎

  4. Lieber Harald,
    Deine Sprachakrobatik bzgl. des Vorsatzes ist gar köstlich, ich musste es zweimal lesen.
    Ansonsten gebe ich Dir Recht, absolut unverständlich ein solches Vorgehen. Entweder gleich oder gar nicht, egal ob intrinsisch oder extrinsisch 😀

    Salut

    1. Lieber Christian,
      herzlichen Dank für die Blumen!
      Ich verstehe es auch nicht, in meinen Augen sinnlose Liebesmüh, von der nicht nur die Fitnessbranche ziemlich gut lebt. 🙂

      Ciao,
      Harald

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