Eiskalter Wind treibt mir Schneeflocken ins Gesicht während ich von einer heißen Dusche träume. Zum Glück habe ich die extra warmen Klamotten angezogen.
Nein, ich bin nicht verrückt geworden. Ebensowenig, wie ich mal eben ein Wochenende in den Anden zubrachte. Es ist vielmehr so, dass meine Phantasie dazu neigt, sich winterliche Bedingungen umso intensiver auszumalen, je länger die drückende Schwüle anhält.
Hitzeläufer, der ich nicht bin (muss ich das überhaupt noch ansprechen?), sehe ich meinen Leib als durchaus fähig, sich klimatischen Bedingungen anzupassen. Freilich geht das. Ich rede mir schließlich seit zwei Monaten ein, dass mir als Angehörigem der Spezies Mensch so etwas wie Hitzeakklimatisation möglich ist. Zudem bin ich sicher, dass dieser Prozess längst im Gange ist, darin vertraue ich ganz auf die Biologie. Mein Leib macht das schon.
Selbst in der Rheinebene.
Sie ist, für alle, die am Meer, im Gebirge oder irgendwo außerhalb dieses geologischen Faszinosums wohnen dürfen, immer ein wenig heißer und noch schwüler. Die Luft steht. Oder was ich hier einatme. Mangels eines besseren Begriffs nenne ich das inhalierte Gas eben Luft.
Sofern die chemische Zusammensetzung der von Luft entspricht, plädiere ich dafür, einen weiteren Aggregatszustand zu definieren: fest, flüssig, gasförmig – und rheinebenenhaft. Werte Physiker, waltet bitte eures Amtes.
Mein Organismus, und das ist die gute Nachricht, kann das Zeug verarbeiten. Ich schließe dies aus der Tatsache, dass ich auch nach mehreren Wochen noch nicht erstickt bin.
Ich lebe noch.
Ich bin.
Also denke ich.
Zum Beispiel, dass es vollkommen ausgereicht hätte, Anfang Juni eine Dusche zu nehmen. Die nächste erst wieder im September, jenem Monat, der hoffentlich ein wenig kühlere Luft bringt.
Gewitter sollen, wie man hört, ebenfalls für Erfrischung sorgen. Sie kündigen sich meist durch heftige Schwüle im Tagesverlauf an, des Abends knallt es dann. Schön wär’s ja. Ich erlebe Schwüle, im günstigen Fall dräuende Wolken, Hoffnung auf mehr machend – darin erschöpft sich der klimatische Ehrgeiz unseres Wetters. Kein Gewitter. Ich bin versucht, vom Coitus Interruptus zu schreiben, nur findet kein Koitus statt, der abgebrochen werden könnte. Es kommt nichtmal zum Vorspiel.
Vor ein paar Tagen hatte es tatsächlich geregnet. Erfrischung? Von wegen. Der Regen diente dazu, die Luftfeuchtigkeit noch etwas heraufzusetzen. Baden war wieder mal angesagt. Baden im eigenen Schweiß. Ohne Anstrengung, atmen genügte vollkommen.
Kein Wunder, wenn ich von Kälte, Schnee, Regen und Wind sinniere. Auf Youtube betrachte ich Filme, die den Überlebenskampf in kalten Regionen zum Thema haben. Schnee, Eis, Arktis, Alaska, Schottland im Winter. Feuerland hingegen meide ich, des allzu heiß klingenden Namens wegen. Während das angedeutete, doch ausbleibende Gewitter das Verlangen erregt ohne es zu erfüllen, holt sich der schmachtende Mensch beinah pornographische Befriedigung aus dem Internet.
Gleichermaßen fiebrige Erregung überkommt mich bei der Wahl meiner Bettlektüre. Viele Geschichten Jack Londons spielen in Alaska, echten Hardcore-Genuss bot mir neulich David Laskins Schilderung des Schoolhouse Blizzard, der im Jahre 1888 über die Great Plains zog.
Zum Ausgleich recherchiere ich nach allen möglichen Kleidungsstücken und Accessoires. Mag die BDSM-Szene sich an Peitschen ergötzen, mein Fetisch sind Balaclavas aus Merino, superleichte Daunenjacken, Leibchen aus Yakwolle und traumhaft warme Handschuhe. All das umhüllt von wasserfesten, winddichten Zusatzschichten. Gerne sinniere ich über die passende Kleidung für danach, wenn ich mich nach dem Lauf am Parkplatz entblättere, um mich für das Gespräch mit Lauffreunden und die anschließende Heimfahrt in warmtrockene Flauschigkeit zu hüllen.
Ein orgiastischer Schauder lässt mich beim Schreiben dieser Zeilen erbeben.
Hält nicht lange an, ich befinde mich wieder auf dem Boden der Tatsachen.
Wie wird das Wetter morgen?
Nach anfänglicher Dunkelheit leicht bewölkt, später sonnig. Im weiteren Tagesverlauf heiter bis lustig, in der Rheinebene bisweilen lächerlich.
Na dann.
Lieber Harald,
ich habe die Wärme (sprich Hitze) genossen, als ich im Urlaub in Schweden war – aber ganz ehrlich, nach 2 Wochen hatte ich auch genug… !! Ich denke dafür sind wir nicht gemacht und ich wage zu bezweifeln, ob wir uns daran gewöhnen können! 😉
Du tust mir auf jeden Fall leid und ich drücke dir die Daumen, dass es bald besser wird – wie Margitta schon schreibt; der nächste Winter kommt bestimmt!! Halte durch!!
Liebe Grüße Anna
Liebe Anna,
zwei Wochen sind in Ordnung, besonders wenn ein Ende abzusehen ist. Ich freu‘ mich auch auf die Zeit, in der ich mich nach drißig Grad sehne. Dreißig Grad für vierzehn Tage 😉
Viele Grüße,
Harald
p.s. warme Klamotten warten seit dem letzten Jahr auf ihren ersten Einsatz. Der vergangene Winter war nun echt nicht der Rede wert!
Ach ja, die Rheinebene
da war doch was
(über) lebte ich einst
vor gefühlten 100 Jahren
die gefürchteten Sommer
bis mir
zu meiner größten Freude
ein wohlgesonnenes Lichtlein
den Weg direkt in den Norden ans Wasser wies
halte durch
lieber Harald
der nächste Winter kommt bestimmt
bis dahin
sei tapfer
Kopf hoch
Brust raus
du schaffst das
zum Glück ist es dir gegeben
und natürlich auch wieder bravurös gelungen
hier via Blog
ordentlich Dampf abzulassen !
Mit tiefstem Mitgefühl
direkt von der angenehm kühlen Ostsee 😎
Wahrlich, du weißt wovon ich rede! Ich halte aus und durch, verlass‘ dich auf mich. Irgendwann statte ich der Ostsee einen Besuch ab, aber außerhalb der Touri-Zeiten.
Kühle Grüße, Harald
Wie immer musste ich beim Lesen dieses Artikels die ganze Zeit grinsen 🙂 Besonders weil ich genau umgekehrt bin und mir lieber Bikinis und kurze Laufshorts ansehe als Daunenjacken. Aber warten wir bis im Winter – dann wirst wahrscheinlich Du mehr zu lachen haben 🙂
Liebe Grüsse
Ariana
An Bikinis denke ich anatomisch bedingt recht selten, sonst gehen unsere bevorzugten Temperaturen schon etwas auseinander.
Mir wär’s am liebsten so: 15 Grad, aber die gleichen Sonnenstunden wie im Juli. Oder wenigstens mit geringerer Luftfeuchte 😉
Liebe Grüße,
Harald