Verschlusssache

Viele Klamotten bieten die Möglichkeit, sie zu öffnen, enger zu machen oder zu verschließen. Einen Ausschnitt zum Anziehen weiter machen ist schließlich einfacher, als Kopf und Hals zu verkleinern – und eine Jacke ist auch deshalb kein Pullover, weil sie über die ganze Länge geöffnet und wieder verschlossen werden kann. Zu diesem Zweck gibt es mit Knöpfen, Knebeln, Reißverschlüssen oder Klettbändern eine Reihe von Mitteln, die wir uns näher ansehen. Wie tragen sich die Klamotten damit? Wie ist es für den gemeinen Sportling, der sich bei Wind und Wetter vor eben jenem zu schützen trachtet, nach Behaglichkeit strebend? Außerdem finde ich es cool, mal ein Wort mit drei Konsonanten im Titel zu haben…

Auf und zu

Tja, wenn’s denn wirklich nur eine Verschlusssache wäre, bräuchten wir das Kleidungsstück nur zunähen und wir wären fertig. Da wir das Ding ohne großen Aufwand auch wieder öffnen wollen, und wieder verschließen, wieder öffnen, undsoweiter, musste man sich was einfallen lassen. Im Fachjargon nennt sich das, wovon wir sprechen, andernorts auch lösbare Verbindung. Die zeichnet sich dadurch aus, dass wir sie, wie gewünscht, immer wieder öffnen und schließen können, und das mit den selben Bauteilen. Eine Schraube ist deshalb lösbar, Schweißen dagegen nicht. Freilich kriegt man auch eine Schweißnaht auf, bloß beim erneuten Zusammenbau wird’s schwierig…. Klar lässt sich’s wieder zuschweißen, irgendwie scheint dies aber arg aufwändig. Stellen wir uns, auf Kleidung bezogen, einfach vor, wir müssten eine Jacke immer wieder auftrennen und erneut zunähen. Alleine die Zeit! Bei meinen Nähkünsten bin ich längst erfroren, bevor ich mit Nähen fertig bin.

Ich würde mir einen Strick nehmen!

Nicht, um mich an ihm aufzuknüpfen, sondern, um den Leib gebunden, würde er die Jacke wenigstens an einer Stelle zusammenhalten. Ein paar Schritte weiter gedacht, käme vermutlich eine Schnürung im Zick-Zack heraus, die, weil doch immer noch ziemlich lästig, nach einigem Grübeln und Experimentieren in dem münden würde, was wir als Knebel kennen. Ob diese Entwicklung in der Menschheitsgeschichte so ähnlich abgelaufen ist? Bekleidungshistoriker können darüber vermutlich Auskunft geben. Ich stelle mir einen Steinzeitmenschen vor, der sich daran stört, wie es vorne in sein Bärenfell reinzieht und nach einer Lösung sinnt. Ein erster Erfolg mit einem Lederriemen verleiht ihm die Reputation des großen Innovators seiner Sippe. Und wie beim technisch-handwerklichen Fortschritt häufiger vorgekommen, wird es Fehlversuche gegeben haben, die das eine oder andere Leben kosteten. Darauf, dass man den Bären erst erlegt, bevor man ihm Knopflöcher ins Fell schneidet, muss man schließlich erst kommen! Heute wissen wir natürlich, dass wir die Motivation des Bären, als Teil eines Entwicklungsteams in die Technikgeschichte einzugehen, getrost als sehr niedrig annehmen dürfen. Uns bleibt, all jenen, deren Versuche tödlich endeten, herzlich zu danken. Posthum.

Knebel und Knopf

Da ich schon von Bären redete, bleiben wir dabei und rufen uns den Paddington Bären ins Gedächtnis. Der ist gewissermaßen ein Hybrid, weil er, aus Sicht des Steinzeitbewohners, mit Haut und Haar das Rohmaterial für ein Kleidungsstück darstellt, andererseits zu seinen eigenen Lebzeiten (wir erinnern uns, dass ein Bär, der mit Teilen seines Körpers das Leben eines Menschen behaglicher machen soll, hierfür sein eigenes zu geben hat) mit einer Kurzversion des Dufflecoats angetan ist. Wir lamentieren jetzt nicht, weil die Evolution einen zivilisierten Bären hervorgebracht hat, der zusätzlich zum angewachsenen Fellbesatz einen Mantel trägt. Nein, wir richten den Blick auf eben jenes Dufflecoat, welches übrigens auch vom britischen Generalfeldmarschal Bernard Montgomery und dem französischen Philosophen Jean-Paul Sartre gerne getragen wurde. Unser gerichteter Blick möge nun auf den Verschluss des Dufflecoats fokussieren: Auf die Knebel.

Diese bestehen aus einem länglichen Objekt, welches durch Schlaufen geführt wird und somit eine Verbindung zwischen zwei Teilen des Kleidungsstücks herstellt. Mit rundem Objekt und einem Schlitz anstelle der Schlaufe landen wir beim Knopf, der freundlicherweise gleich als Namensgeber für das gleichnamige Loch dient. Bei der Gelegenheit weite ich die Betrachtung auf Druckknöpfe aus, denn das, was uns hier interessieren soll, ist nicht die konkrete Umsetzung des Verschlusses, sondern ein wesentliches Charakteristikum.

Zwischen den Verbundstellen zieht’s durch.

Das kann ganz angenehm sein, wenn diese Lüftung erwünscht ist – wenn aber nicht, braucht es Abhilfe, die es zum Beispiel in Form einer abgedeckten Knopfleiste gibt. Etwas mehr Aufwand, aber auch bessere Wirkung haben mehrfach in einander greifende Textillagen, mit denen das herbeigeführt wird, was der Techniker unter einer Labyrinthdichtung versteht: Die vom Körper erwärmte Luft verirrt sich beim Fluchtversuch aus dem warmen Jäckchen im Labyrinth, woselbst sie hängen und so dem Träger erhalten bleibt. Das ist angenehm, praktisch, versteift jedoch die Verschlusskante wegen der übereinander liegenden Stofflagen – außerdem soll es ja vorkommen, dass man die Jacke (wir bleiben einfach bei der Jacke) nur zum Teil verschlossen halten möchte. Und dann wiederum hat man zu tun, ein geziemendes Auseinanderklaffen der Jacke herbeizuführen.

Träger von geknöpften Jeans wissen, je nach Modell, diesen Effekt wegen der Diskretion zu schätzen, die auch dann erhalten bleibt, wenn man, aus welchem Grund auch immer, das Zuknöpfen vergessen haben sollte. Zudem – dies betrifft nur Männer – besteht kein Risiko des schmerzhaften Einklemmens im Reißverschluss.

Reißverschluss

Die Versuchung ist, ihn als zugluftsicheren Verschluss der Knopfleiste entgegenzustellen, ist klein. Sehr klein, weil die meisten von uns schon selbst erlebt haben, wie der Wind durch einen Reißverschluss durchpfeifen, wie Wärme durch ihn entweichen kann. Warum wohl haben bessere Schlafsäcke eine gefüllte Abdeckung hinter dem Reißverschluss? Und warum wohl befindet sich bei vielen Jacken – ja, auch bei Hosen und selbst bei Taschen – eine Abdeckleiste davor oder dahinter? Eben. Dennoch hat er Knöpfen gegenüber den Vorteil, sich stufenlos öffnen oder schließen zu lassen1.

Damit es uns nicht langweilig wird, haben sich Hersteller wie YKK oder riri mayer sich die tollsten Variationen einfallen lassen: Ob Kunststoff oder Metall, Schlingen oder Zähne, und selbstverständlich auch luft- und wasserdicht. Letzteres kennen wir nicht nur von Gefrierbeuteln, Überlebensanzüge für die Schifffahrt wären ohne wasserdichte Reißverschlüsse nur schwer vorstellbar.

Also alles perfekt?

Nun, nicht ganz. Wir tragen Reißverschlüsse nicht einfach so, sondern im Verbund mit einem Stück Stoff – als Kleidungsstück – mit uns herum. Gerade bei Sportklamotten, bei denen Leichtigkeit gefragt ist, sind sich Reißverschluss und Stoff leider manchmal arg sympathisch: Der dünne Stoff klemmt sich im Schieber des Reißverschlusses fest, woraufhin wir ihn mühselig wieder herausfummeln müssen, in der steten Befürchtung, allzu viel Mühe – vulgo: Kraft, will sagen: Gewalt – würde den dünnen, leichten und oft teuren Stoff beschädigen. In diesem Fall könnte der Verschluss dann dicht sein, wie er will, durch das reingerissene Loch daneben entweicht Wärme, sickert Wasser rein. Also ist Vorsicht geboten beim Auf- und Zuziehen.

Daneben gibt es noch Grobmotoriker wie mich, denen das Einfädeln des Reißverschlusses in den dafür vorgesehenen Schlitz des Schiebers je nach Uhrzeit, Tagesform und Bauart schwer fällt, mit der entsprechenden Wirkung auf die Stimmung. Man macht sich keine Vorstellung davon, wie ich genervt schnauben kann, wenn das verdammte Ding (der Schieber!) mal wieder irgendwo auf halb acht hängt und nochmal auseinander gezogen werden will. Knöpfe machen das keinesfalls leichter, im Gegenteil. Sind sie klein genug, darf ich die Fummelei nicht nur einmal machen, sondern für jeden einzelnen Knopf neu.

Hat man sie deshalb erfunden, die Klettverschlüsse? Für Kinder und feinmotorisch herausgeforderte Menschen?

Klett

Drücken und es ist zu, ein kurzes Ratsch! zum Öffnen zeichnet Klettverschlüsse auf. In der Tat brauche ich mich bei der Positionierung nicht besonders anstrengen, irgendwie hält’s dann schon. Selbst die Feineinstellung, etwa an Armabschlüssen, lässt sich passabel vornehmen, noch einfacher wird es meiner Meinung nach dann, wenn das Verschlussband noch durch eine Öse umgelenkt wird.

Dicht ist es auch weitgehend.

Zumindest so dicht wie bei den etwas dichteren Reißverschlüssen, wobei durchgehende Klettverschlüsse denselben Effekt wie mehrlagige Abdeckleisten haben: Es wird steif. Nicht nur deshalb findet man eher kurze Klettbänder, um zum Beispiel die Windleiste von einem Reißverschlss zu fixieren. Fixieren ist übrigens ein wichtiger Punkt, beim Klett kommt es auf die Belastungsrichtung an. Schälende Beanspruchung, das kennen wir vom Abziehen eines Pflasters, mag dieser Verschluss nicht, vielmehr: Auf diese Weise öffnen wir ihn, genau so ist’s gedacht. Ansonsten hält er. Meistens. Dummerweise ist der Klettverschluss auf leidliche Sauberkeit der beiden Kontaktflächen angewiesen, ich kann mich an eine Schneewanderung erinnern, bei der sich Pappschnee – nein, keine Pappplatten2, wenngleich Erich Kästner’s Geschichte Das fliegende Klassenzimmer im Winter spielt, Schneeballschlacht inklusive. Pappplatten waren, neben Schlämmkreide Worte in einem Diktat. – bei der sich also jener Pappschnee derart auf der Verschlussfläche festgesetzt hatte, dass von Verschluss keine Rede mehr sein konnte. Das Ding blieb so lange offen, bis der Schnee weggetaut war. Ich hätte ihn natürlich mit einer Bürste entfernen können, aber wer denkt schon daran, eine Bürste mitzunehmen? Ich jedenfalls nicht.

Außerdem ist der Klett ein leidenschaftlicher Kletterer, der sich an allem festklettet, was sich kletten lässt. Wollkleidung, egal ob Gestrick oder Loden und Klettverschlüsse vertragen sich daher allzu gut, weshalb sie nicht zu einander passen. Leider scheint das kaum einen Hersteller zu interessieren, alle Lodenklamotten, die ich habe, weisen (neben Reißverschlüssen) Klettbänder auf, bevorzugt an den Armabschlüssen. Die sich daraus ergebenden rauen Stellen am Jackenstoff sind nur ein Schönheitsfehler, aber trotzdem… Die Variante mit doppeltem D-Ring und hindurchgezogenem Band wäre mir an dieser Stelle lieber, wenn auch mit dem Nachteil, dass das Öffnen etwas schwieriger würde.

And the winner is…

Niemand. Ich küre keinen Sieger, weil – wer hätt’s gedacht? – alle Kandidaten ihre spezifischen Vor- und Nachteile haben. Und dabei habe ich mir noch nicht einmal Gedanken über Spezifika gemacht. Wo wäre ich wohl hingekommen, wenn ich mich über die Eigenschaften von spiralverzahnten Reißverschlüssen Gedanken gemacht hätte? Will jemand wetten, dass alleine Druckknöpfe ein umfassendes Thema für sich sind, mit entsprechenden Überschneidungen zu verschiedenartigen Klettverschlüssen? Ich halte nicht dagegen.

Verglichen mit dem unverschließbaren Bärenfell haben wir jedenfalls gehörige Fortschritte gemacht, was sich schon in der Beschaffung eines neuen Kleidungsstückes zeigt. Dies geht ohne Gefahr für Leib und Leben, sowohl des Bären, als auch unser eigenes.

  1. In meinen Beispielen habe ich, wenn ich nichts anderes schreibe, den vorderen Verschluss von Jacken o.ä. vor Augen. ↩︎
  2. Ich habe das Wort sowieso nur verwendet, um damit immerhin drei Worte mit drei Konsonanten hier eingebaut zu haben: Verschlusssache, Schifffahrt und eben die Pappplatten. ↩︎

4 Gedanken zu „Verschlusssache“

  1. Ich darf nach dieser vergnüglichen Lektüre auf die Sicherheitsnadel hinweisen, welche immer gute Dienste leistet, wenn „alle Stricke reißen“.

    Indes gilt nicht nur „Manchmal macht es nur die Dosis“, sondern auch „Koexistenz“.

    Ergo (also): „Passt schon!“

    1. Sicherheitsnadel, die gute alte Sicherheitsnadel. Im Technikerslang das Backup, der Philosoph nennt es Redundanz, so sie denn permanent den sicheren Verschluss unterstützt.

      Das bringt mich direkt auf den Gedanken, ihr ein schriftliches Denkmal zu setzen, welches über die Befestigung der Startnummer hinausgeht. Ihr, und den anderen Notfallverbindern in Form von Klebeband und Kabelbindern.

      Passt!

  2. Tja, da kann ich nur sagen: warum kompliziert und umfangreich, wenn es nicht auch einfach und in wenigen Worten geht !!

    Da hast du dir aber Zeit genommen, deine Gedanken spielen, ausschweifen lassen, unglaublich, Herr Kettlebell – du solltest Bücher schreiben !!

    Wie auch immer vor fünfzig Jahren hätte sich kein Mensch darüber Gedanken gemacht, da waren die Menschen froh, wenn sie überhaupt Klamotten hatten, egal, auf welchem Weg sie geöffnet bzw. geschlossen worden sind.

    Ja, aber heute im Zeitalter des “ Wohlstandes “ bieten sich ergeben sich viele Möglichkeiten, die du ja gründlich aufgelistet und beschrieben hast !

    Sommerliche Grüße von ganz oben

    1. Deinen Vorschlag mit den Büchern habe ich in vorauseilendem Inspiriertsein schon umgesetzt, zumindest mit einem erstmal. Will mich schließlich nicht verzetteln.

      Vor 50 Jahren war’s bei uns 1974, da waren die meisten schon gut mit Klamotten versorgt, zumindest in D. Ich habe mich übrigens ziemlich beschränkt, es gäbe noch viel zu beschreiben, zu diskutieren…
      Zu meckern habe ich auch, ich sage nur „Schnürsenkel“.

      Sommerliche (ja, die kleine gewittrige Abkühlung eben gehört dazu) Grüße retour.

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