Gibt es das heutzutage eigentlich noch? Schrott? Völlig wertlosen Kram, der so gar nicht taugt? Mir kommt die meisten käuflichen Dinge zumindest brauchbar vor.
Selbst die Laufklamotten vom Discounter übrigens, und sogar deren Schuhe – der Selbsttest steht allerdings noch aus.
Aber richtiger Schrott? Woran erkenne ich, dass ich unbrauchbaren Krempel von echtem Schrott und Korn gefunden habe?
Ich begebe mich also auf die Suche nach irgend etwas, von dem ich nicht genau weiss, wie es beschaffen ist. Das ist ein bisschen wie Ostern, ohne Eier zu kennen. Eigentlich ein witziger Gedanke: irgendjemand muss während der Suche darüber nachdenken, was ein Ei ist. Sozusagen die Eihaftigkeit von Hühner- und Schokoeiern begreifen. Eihaftigkeit? Eisamkeit gefällt mir besser!
Schnappe ich mir den erstbesten Gegenstand, um ihn auf seine Schrottsamkeit hin zu prüfen? Dann den nächsten, und so weiter? Viel zu mühsam, außerdem habe ich Glück, weil mir ein schönes Wort in den Sinn kommt: Ein Begriff, der so inflationär gebraucht wird, dass ich mich scheue, ihn hier hinzuschreiben. Ich tue es trotzdem: die Rede ist von „Qualität“.
Alles ist, ein jedes hat Qualität, selbst der Krempel, dessen einzige Qualität darin besteht, dass er am Ladentisch herumliegt. Irgendwo steht geschrieben, Qualität würde messen, wie gut ein Produkt die gestellten Anforderungen erfüllt. Nicht schlecht.
Schrott als schlechte Qualiät, das hilft mir weiter.
Im Laufladen meines Vertrauens fällt mein Blick auf Kompressionskleidung. Ich hatte es vor Jahren mal ausprobiert, es war fürchterlich. Eingeengt nach innen, Presswurst nach außen, was für ein Schrott! Doch halt, viele schwören ja drauf. Wenn ich meine persönlichen Vorlieben als Kriterium heranziehe, werde ich kaum fündig. Nichts mit Ostern.
Am Schuhregal höre ich im Geiste eine Stimme – Lieber Leser, das bedarf keineswegs eines Kommentars wie „er hört Stimmen, ich hab’s schon immer gewusst“ – eine Stimme, die ganz osternhaft „waaarm….wääärmer…..“ flüstert. Komme ich dem Schrott näher? Was habe ich schon Blasen gehabt, Schmerzen erduldet, nur weil ich trotz zwei, drei Nummern größer gekaufter Schuhe an den Zehen zu wenig Platz hatte. Ja, ich habe breite Füße! Wieso gibt es nur diese dämlich schmalen Schuhe?
Schrott! Oder? Irgendwie nicht.
Ich werfe den Schuhherstellern vor, dass sie zwar unterschiedliche Längen, aber nicht Weiten im Angebot haben. Mich ärgert, wenn ich mich wieder einmal die Balance „zu lang“ und „zu eng“ finden muss. Für „Schrott“ reicht das leider nicht aus.
Ich suche weiter.
Da kommt mir in den Sinn, dass sich neulich jemand echauffierte, weil er im Regen trotz Jacke völlig durchnässt wurde. Heureka! Endlich bin ich fündig geworden! Das habe ich mir so lange eingebildet, bis ich die Jacke gesehen habe. Es war eine Windjacke. Sündteuer zwar, aber eben eine Windjacke. Wasserabweisend, nicht wasserdicht. Superleicht, aber für starken Dauerregen nicht gedacht.
Ich sehe mich am Ende einer Sackgasse.
Am besten, ich drehe um, und setze die Suche anderswo fort. In Japan, um genau zu sein. Dort lebt Herr Kano, der das Kano-Modell erdacht hat. Vielleicht hat er’s auch von seinen Studenten erdenken lassen, der Mensch ist schließlich Professor, und in so einer Position braucht man nicht mehr selbst denken. Wie dem auch sei, das Kano-Modell befasst sich mit Qualität. Was mir weiterhilft, ist die Unterscheidung zwischen Basis- und Begeisterungsmerkmalen.
Basismerkmale, das sind die Eigenschaften, die ich erwarte, ohne nachdenken zu müssen. Die mir oft nicht einmal bewusst sind. Und wehe, wenn das nicht stimmt: Schrooooootttt!
Klamotten zum Beispiel: lockt es irgendwen hinter dem Ofen hevor, wenn jemand erzählt, dass die Nähte halten? Das ist selbstverständlich, oder? Klares Zeichen für ein Basismerkmal. Wenn so eine Naht nach kurzer Zeit aufgeht, ärgert man sich.
Ich glaube, meine Kano-Tour hat sich gelohnt. Schrott erkenne ich daran, dass selbstverständliche Erwartungen nicht erfüllt werden.
Windjacken von Aldi halten den Wind ab. Sie sind vielleicht etwas schwerer als die der Premium-Marken, passen etwas schlechter, die Farben sind weniger stylish, aber, und das ist der entscheidende Punkt, sie halten den Wind ab. Also kein Schrott.
Schrott, das weiss ich mittlerweile, geht mir auf den Sack. Das ist bei mir ein untrügliches Zeichen. Ich benutze irgendein Produkt für den gedachten Zweck, und es nervt mich. Zum Glück kommt sowas nur selten vor, aber ich weiss jetzt, dass ich fündig geworden bin.
Ich besitze einen Trinkrucksack, dessen Tragegurte an den Verstellungen durchrutschen. Alle halbe Stunde muss ich sie nachziehen, weil sie wieder ein paar Zentimeter länger geworden sind. Tragegurte, das ist kein High-Tech, bei dem sich die Entwickler noch an die optimale Lösung herantasten müssen. Popelige Gurte an einem Laufrucksack. Die Aufgabe besteht für den Hersteller schlicht und ergreifend darin, eine geeignete Werkstoffpaarung von Gurt und Schnalle, von mir aus auch die passende Geometrie oder sonstwas so auszuwählen, dass sich die Länge leicht einstellen lässt – und eine einmal eingestellte Länge bleibt. Und die Anforderung ist nicht neu, sowas gab es schon vor hundert Jahren, damals noch mit gelochten Lederriemen. Es gibt also keine Ausrede für den Hersteller. Sein Produkt erfüllt ein Basismerkmal nicht.
Welch ein Schrott!
Ich bin auch bekennender Schrottsammler (http://daspulsmesser.blogspot.de/2013/09/2000-schwanze-und-ein-sperrmulltriathlet.html)!
Apropos, ‚Balance “zu lang” und “zu eng” ‚: Passenderweise bietet New Balance (sic!) Laufschuhe in verschiedenen Weiten an.
Ja cool, der Spatz! Oder muss es „die“ Spatz heißen? Motorräder sind doch meistens weiblich…
Guter Tipp mit der neuen Balance, muss ich mir mal anschauen. Meine ersten Laufschuhe waren sogar von denen, glaube ich.