Herbstliches Frühlingsgefühl

Kürzlich erwachte ich früh genug, um eine Runde zu drehen, bevor ich mich ins Büro aufmachte. Bereits der Blick aus dem Fenster machte meine Beine vorfreudig zucken: Morgensonne. Herbst. Herrlich.

Kürzlich erwachte ich früh genug, um eine Runde zu drehen, bevor ich mich ins Büro aufmachte. Bereits der Blick aus dem Fenster machte meine Beine vorfreudig zucken: Morgensonne. Herbst. Herrlich.

Die ganze Zeit war es recht warm gewesen, also sprang ich in eine kurze Tight, bevor ich in der Hoffnung auf kühle Temperatur ein langes Leibchen über das T-Shirt warf.

Ich wurde nicht enttäuscht.

Wie mich ein späterer Blick auf das Thermometer belehrte, erwarteten mich vollzählig angetretene zwölf Grade. Also genau richtig für mich.

Angenehme Kühle umhauchte meine unbedeckten Waden. Unbedeckt? Ich meine mich zu erinnern, dass der andernorts verwandte Fachbegriff hierfür „nackisch“ heißt.

Zwölf Grad, Sonne, nackische Waden.

Das Traumpaar des Jahres, diesmal in Gestalt eines flotten Dreiers.

Lächelnd, das Herz ebenso leicht wie meine Schritte, lenkte ich dieselben gen Ortsrand. Das Gras trug ein kleidsames Kleid aus Tautropfen, die in der Sonne funkelten.
Ich sinniere, ob sie eine poetische Seele nach dem griechischen Buchstaben benannte? Welch ein Glück für die Tropfen, man würde auch Alphatropfen, Gammatropfen oder Omykrontropfen sagen können.
Welch ein Unfug, schalt ich mich grinsend, und versprach mir, gleich nach der Rückkehr ein etymologisches Wörterbuch zu Rate zu ziehen. Denn das griechische Alphabet wird kaum Pate gestanden haben – wie kamen Tautropfen dann zu ihrem Namen? Klar, der Taupunkt. Das Tauen. Woher aber kommt das wiederum?

Ein Blick nach links lies mich diese meine Gedanken unterbrechen. Meine Aufmerksamkeit wurde vom Morgennebel eingefangen, der sich in den Senken gebildet hatte. Beinahe schmerzhaft erfüllte die Landschaft das „Herbstlandschaft“ Klischee. Es gibt ja massenweise Zeitschriften, die irgendwas mit „Land“ im Titel tragen. Über das Landleben als Aufhänger beschwören sie die Vorstellung einer guten alten Zeit, in der sowieso alles besser war. Wetten, dass in den Oktoberausgaben Fotos mit Morgennebel zu finden sind? Im Hintergrund ein bäuerliches Anwesen mit warm erleuchteten Fenstern.

Und Holz. Holz ist wichtig. Holz vor der Hütt’n.

Nicht bei der Dame des Hauses, sondern beim Haus selbst.

Holz transportiert Wärme, genauso wie es Kastanien, Kürbisse und die Farben des bunter werdenden Laubs tun. Um die Dekoration kümmert sich die Dame, nachdem sie vom Artikel „die schönsten Deko-Ideen für den Herbst“ inspiriert wurde. Der zugehörige Herr hat in der Zwischenzeit für eine glaubhafte Menge Holz vor der im Foto abgebildeten Hütt’n gesorgt.

So will es das Klischee.

Auf meiner Runde findet sich weder Hütt’n mit Holz davor, noch eine entsprechend ausstaffierte Dame.

Schön ist es allemal.

Ich freue mich schon auf November, denn im Moment ist das Laub noch ziemlich grün. Noch ein paar Wochen, und es herrschen wärmere Farben vor: rotbraun, gelb, orange.

Herbst eben.

Herr Bst.

Wo, frage ich mich, hat er eigentlich seine Frau gelassen? Frau Bst. So wie Frau und Herkules. Oder das Ehepaar Lich? Regt sich denn keiner der Genderbewegten über sowas auf? Hoch- und Tiefdruckgebiete sind vollverquotet, auch Stürme tragen Männernamen. Mit Ursel haben wir eine Kriegsministerin, die mehr Eier in der Hose zu haben scheint als mancher Vorgänger. Da muss man sich fragen: sind das ihre eigenen? Oder handelt es sich auch um eine Trophäensammlung?

Wir könnten doch wirklich eine Monats- und Jahreszeitenquote einführen.

Im Wechsel.

Dann gäbe es mal Herbst und Fraubst. Im Jahr nach dem männlichen August gäbe es Auguste, welchselbige auf die heiße Julia folgt.

„Bloß nicht aufschreiben, solche Gedanken! Am Ende greift es noch jemand auf, und es wird weitergequotet.“ Ermahne ich mich, bevor ich meine Füßinnen gen Heimat richte.

Leicht verschwitzt (das lange Top trug ich gerade mal zehn Minuten, bevor ich es um die Hüften schlang) schleudere ich die Schuhe von den Füßen und hechte dem Bücherregal entgegen: der Tau gehört zum selben Wortstamm wie Dunst – und hängt darüber mit Rauch, Staub etc. zusammen.

Ahnte ich es doch.

Herrrrlicher Herrrrrbstlauf. Weckt Laune, Lust und Lebensgeister.

Frühlingsgefühle.

Sag‘ ich doch.