Get fit to run. Für das Laufen fit zu werden? Läuft man denn nicht, um fit zu werden?
Genau diesen scheinbaren Widerspruch löst das Autorenteam schon im Vorwort auf, als der Anspruch des Buches definiert wird, dem am Laufen interessierten genau das Handwerkszeug zu liefern, dass er benötigt, bevor er überhaupt mit dem Laufen beginnt. Denn, so die Autoren, Laufen als Sport setzt eine gewisse Fitness voraus. Mit diesem Anspruch ist der thematische Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen sich gleichermaßen informativ wie vergnüglich lesen lässt.
Die scheinbar verschiedenen Kapitel Motivation, Ernährung, Regeneration und Functional Training summieren sich zu einem Rundumpaket, aus dem sich Anfänger ebenso bedienen können wie erfahrene Läufer. Der Untertitel fokussiert hingegen: „Functional Training für Läufer“. Ich will mir an dieser Stelle einen Seitenhieb nicht verkneifen: Was in aller Welt hat die Leute geritten, diesen Untertitel zu wählen? Der Schwerpunkt liegt eben gerade nicht nur auf F.T.! Soll ich mich ärgern, weil von zweihundertfünfzig Seiten nur die Hälfte funktionell trainiert? Oder „danke“ sagen, denn ich würde ungern auf den Rest verzichtet haben? Beim Umblättern der letzten Seite war mir klar: klasse Buch, irreführender Untertitel.
Allen Abschnitten gemein ist eine kurze Einführung in die jeweiligen Grundlagen und ein Selbsttest. Ich habe mich manchmal an Psychotests erinnert gefühlt – „Wie schlagfertig sind Sie?“, und musste Schmunzeln. Darauf, dass man leistungsfähiger wird, wenn man an den meisten Tagen ausgeschlafen ist, wird man auch ohne Fragebogen kommen. Einzig der Test zur Beweglichkeit wirkte auf mich so, dass ich aus der Auswertung direkt Maßnahmen würde ableiten können.
Richtig schick: die Informationen zu den jeweiligen Grundlagen. In ihnen zeigt sich die fundierte Kenntnis des jeweiligen Autors, der sprachlich leicht verständlich bleibt, ohne ins Oberflächlich-Unpräzise abzudriften.
Es gibt für mich ein wichtiges Kriterium, ob ich ein Buch mag oder nicht. Ich frage mich: habe ich Lust auf den nächsten Satz, auf die folgende Seite? Oder muss ich mich quälen? Lese ich nur weiter, weil mir der mühsam herausgefilterte Inhalt nutzt? Vermag ich fachlich zu folgen? Ja, ich konnte folgen. Ja, ich habe sehr gerne weitergelesen!
Ich will besonders herausstellen, dass man keiner Weise irgendeinem Dogma anhängt. Vorfußlauf? Mittelfuß? Ich zitiere freudig aus dem Kapitel über Bewegung: „In den letzten Jahren haben Autoren immer wieder davon berichtet, den einen ultimativen und erfolgreichen Laufstil gefunden zu haben.“ Zwei Sätze weiter: „Wir machen ihnen bewusst keine Vorgabe, wie sie laufen sollen!“ Danke dafür.
Das macht es mir leicht, über die ein klein wenig zu laut gerührte Werbetrommel hinwegzusehen, zumal die vorgestellten Übungen gut beschrieben sind. Ich würde mir jedoch etwas aussagekräftigere Bilder wünschen, vielmehr ist mir nicht immer auf Anhieb klar geworden, welche der drei Fotos die Bewegungsfolge zeigen, und welche eine alternative Ausführung.
Sinnvoll gruppiert und in ein schlüssiges Gesamtkonzept eingebettet, rühren die Übungen an das Gewissen der meisten Läufer.
Zunächst allgemeines Aufwärmen gefolgt von laufspezifischen Übungen. Es folgen je nach Wunsch Lauf-ABC, Kraft- und Schnelligkeitsübungen. Netterweise wird man von den Autoren auch nicht allein gelassen, wenn es darum geht, die Übungen in den Trainingsalltag einzubinden. Sie schlagen vor, einzelne Elemente an den Beginn einer Trainingseinheit zu stellen: „Movement Prep“, „Running Prep“ et cetera. Zusammen fast eine halbe Stunde, und das vor dem „richtigen“ Lauftraining. Danach zehn Minuten Regeneration. Profi müsste man sein. Oder früher aufstehen. Aber Recht hat das Buch, denn der Kreis schließt sich, sobald ich wieder an den Titel denke: get fit to run.
Lauftraining besteht aus mehr als Laufen. Zum Beispiel aus der Lust am Laufen.
„Weshalb willst du überhaupt Laufen?“ Ein cooler Gedanke, in einem Buch über Sport das Gebiet von Motivation und mentalem Training zumindest anzuschneiden. Vor allem der Neuling tut gut daran, diesen Abschnitt zu lesen, um sich über seine Motive klar zu werden. Der Tag, an dem jede Lust, den Hintern auch nur aus dem Bett, geschweige denn in den nasskalten, regnerischen Tag zu schieben, kommt bestimmt. Glücklich, wer weiss, wozu er trainiert. Noch glücklicher, wer seine Ziele erreicht. Der Kopf läuft mit!
Wie wir dem Körper helfen können, Belastungen besser – schneller? – wegzustecken, behandeln die Autoren im Teil über Regeneration. Der Leser lernt, welche Vorgänge im Körper währenddessen ablaufen, und welche Faktoren Einfluss nehmen. Die Autoren bringen das auf eine griffige Formel „Arbeit + Pause = Erfolg“. Auch schaffen Graumann, Beuke & Co. zuerst eine Wissensbasis, auf die man zurückgreifen kann, wenn man die Regenerationsmaßnahmen näher beleuchten möchte.
Fazit: ein gutes, thematisch rundes Buch über „Fit werden zum Laufen“.