Des Läuflings Schmuck

Der Jäger schmückt sein Wohnzimmer mit Geweihen, während der tapfere Indianerkrieger sein Haupt mit Adlerfedern zieren darf.
Und der Läufling? Medaillen sind zu popelig. Ich hätte da einen Vorschlag….

Viele Menschen haben die Angewohnheit, den Erfolg ihrer Lieblingstätigkeit in Form von Tropähen zur Schau zu stellen.
Nehmen wir den Jäger als Beispiel. Wem kommt da nicht die gute Stube in den Sinn, an deren Wänden abgetrennte Geweihe von Rehen, Gemsen oder Hirschen montiert sind. Dazwischen ein Gemälde eben jenes Zehnenders, der ein letztes Mal im Walde röhrt.
Möbliert ist das Ganze in Eiche rustikal, und der Gedanke an die Kombination von schlichter Bauhausästhetik mit Hirschgeweihen will nur unter Zwang aufkommen. Schwedische Leichtigkeit fällt schon etwas leichter – mächtige Elchschaufeln machen sich gut am Kamin oberhalb des Kiefernsofas.

Dazu passen, der kleineren Ornamentik wegen, aufgespießte Schmetterlinge. Sie verleihen der weißen Wand des Lepidopterologen, die Schmetterlingskundler im Fachjargon heißten, das farbige i-Tüpfelchen, welches in der Wohnung gerade noch gefehlt hat. Im Gegensatz zum Elch hat der schmetternde Ling übrigens die Genugtuung, dass er mit seinem gesamten Körper zum Stolze seines Jägers beiträgt.

Ich hatte kurz überlegt, inwieweit ein gut gefülltes Kriegsgefangenenlager als Trophäensammlung herhalten könnte, diese Idee jedoch rasch verworfen. Es fehlt der persönliche Bezug. Auch ein Vlad Tepes, den wir als Vorbild des Grafen Dacula kennen, dürfte seine gepfählten Opfer weder eigenhändig, noch zur Hebung des eigenen Selbstbewusstseins oder gar aus stilistischen Erwägungen am Straßenrand aufgestellt haben.

Nein, derlei schließe ich aus.

Anders verhält es sich dagegen bei Adlerfedern, welche dem Indianer als Ausweis seiner Tapferkeit dienten. Winnetou kommt in den Filmen vergleichsweise nackt daher – das wundert mich, denn Karl May beschreibt ihn in seinen Romanen als überaus mutig.
Vogelfedern als Symbol für Mut, besonders im Zwist mit Feinden.
Andere Kulturkreise sind da direkter, anstelle vom Gefieder eines unbeteiligten Flüglings greift man nicht nur die Gelegenheit, sondern gleich den erschlagenen Feind beim Schopfe, um ihm ebendiesen abzutrennen. Den solcherart erbeuteten Skalp trägt man am Gürtel.
Wer nach mehr strebt, bastelt sich einen hübschen Schrumpfkopf, statt sich mit einem Haarteil zu bescheiden. Ob man mit diesem das Wohnzimmer, oder sich selbst dekoriert, entzieht sich meiner Kenntnis.

Die Kultur der Westmänner (sorry, werte Damen) brachte auch eine Sitte hervor, die mich zu meiner Idee des Trophäenschmucks für Läuflinge brachte: Krallen erjagter Bären pflegte der westliche Waidmann auf eine Schnur zu fädeln, die er als Kette um den Hals trug.
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen vom Fisch. Der Läufling bastelt seine Kette mit abgefallenen Fußnägeln!

Wer kennt nicht den Zustand, in dem die Zahl der Zehen nicht mit den abgezählten Nägeln übereinstimmt? Abgefallene Nägel berechtigen als Ausweis ertragener Qualen mindestens ebenso zum Posen wie erlegte Tiger.

Aber Vorsicht: Betrügen ist unsportlich. Wehe, jemand lässt sich einfallen, dass er den nächsten Marathon mit extra engen Schuhen läuft. Er zieht sich leicht den Unmut der Läuflingsgemeinde zu – und wir wissen ja, wie so etwas enden kann. Muss ich mehr sagen? Zum Beispiel Schrumpfkopf?

Die Idee gefällt mir.

Schade, dass sie mir nicht fünf Fußnägel früher eingefallen ist.

4 Gedanken zu „Des Läuflings Schmuck“

  1. Irgendwie fällt mir auf, dass meistens die Männer diese Trophäen zur Schau stellen. Und das beruhigt mich – denn weder die Fussnägel, noch die Schrumpfköpfe will ich in meiner Wohnung haben 🙂 Aber vielleicht könntest du ja mal ein Bild von Deiner Sammlung veröffentlichen?
    Liebe Grüsse
    Ariana

    1. Jetzt wo du es ansprichst, muss ich grinsen. Skalps an der Damenhüfte mag ich mir auch nicht vorstellen. Weibliche Jäger sind was anderes, und ob die Amazonen ihren dahingemetztlten Feinden irgendwelche Körperteile abgeschnippelt haben, will ich lieber nicht wissen.
      Ich fürchte aber, ich muss dich enttäuschen: in meiner Wohnung liegen weder Schrumpfköpfe, noch Fußnägel herum. Auch keine Hirschgeweihe – und das Tigerfell habe ich an eine gewisse Sylvestersendung ausgeliehen. 😉

      Liebe Grüße,
      Harald

  2. Liebes Laufer-ei, leider kann ich deine Freude an Trophäen-Schmuck in Form abgestorbener, toter, hässlicher Fußnägel in keinster Weise teilen.

    So viele Jahre, in denen ich laufend unterwegs bin, habe ich viele potthässliche Füße und deren Nägel in Duschräumen weltweit erleben dürfen. Der Anblick ließ mich erschaudern, noch mehr dein Gedanke, sich mit diesen abgestorbenen Hautzellen zu schmücken.

    Seltsam, was sich in deinem Hirn abspielt, warst du schon mal beim Arzt ? 😉

    1. Du schaust dir fremde Füße an? Mir reicht schon der Blick auf meine eigenen…
      Der Arzt hat mir das Laufen empfohlen. Er meinte, die wären alle so, da würde ich nicht weiter auffallen. 😉

Kommentare sind geschlossen.