Grainau, 23.Juni 2012, kurz vor sieben Uhr morgens. Über vierhundert müde, aber gut gelaunte Läuflinge warten auf den Start zur zweiten Auflage des Zugspitz Ultratrail. Ich auch.
Im Vorfeld beherrschte eine wesentliche Frage das Denken: Wird das Wetter halten?
Dazu drängte sich den Köpfen all jener, die schon 2011 dabei waren, eine zweite Frage in den Vordergrund: Wird es diesmal Cola geben?
Die Spannungskurve verlangt, dass ich mich zunächst dem Wetter widme, dann inhaltlich den Verlauf des Laufes beschreibe, bevor ich das Rätsel um die Darreichung von Koffein und Zucker beinhaltender Flüssigkeit löse. Der Cliffhanger des letzten Jahres soll nicht umsonst gewesen sein!
Wir bleiben daher bei den Meteorologen, deren Prognosen im Laufe der Woche immer mehr zur Trockenheit tendierten. Und siehe da, am Renntag selbst konnten wir das erleben, was man in Bayern den Weiss-Blauen Himmel, auf dem österreichischen Streckenabschnitt historisch bedingt dagegen Kaiserwetter nennt. Strahlendes Blau, Sonnenschein. Als Daylight Finisher – ich war langsam genug – erlebte ich einen herrlichen Sonnenaufgang im Gebirge. Kann es besser sein? Klar doch: Mir war’s mit mehr als 25° C zu warm. Ich bin halt anspruchsvoll, außerdem zählt es zum guten Ton, über das Wetter zu meckern. Im Ernst: natürlich hätte ich eine Temperatur von 15° vorgezogen. Nachdem ich mich, wie wohl die meisten, auf Regen, zumindest aber gelegentliche Schauer eingestellt hatte, ließ das Wochenende keinerlei Wünsche offen.
Der Veranstalter hatte die Streckenführung des letzten Jahres bis auf ein, zwei kleine Änderungen zu Beginn und Ende beibehalten; warum auch nicht, barg die Runde zumindest aus meiner Sicht kein Verbesserungspotential. Schön waren die Ausblicke auf die Gebirgslandschaft, herrlich der Wechsel zwischen bergauf- und bergabführenden Abschnitten, zwischen Bergtrails und Wanderwegen. An einigen Stellen in höher gelegenen Streckenabschnitten war sogar hin und wieder ein Schneefeld zu überqueren. Besonders spektakulär, zumindest für Flachlandtiroler wie mich, eine schneebedeckte Fläche, die recht steil bergab führte. Sie zu überwinden wandten die Läuflinge vorwiegend drei Techniken an:
1) alpin Tränierte mit Erfahrung im Skifahren nahmen Anlauf, um auf zwei Beinen gleichermaßen rasant wie elegant nach unten zu gleiten
2) wer mit weniger Selbstbewusstsein und / oder Gleichgewichtssinn gesegnet war, setzte sich „ich falle wahrscheinlich eh‘ hin“ auf den Hosenboden, um auf eben jenem zu rutschen.
3) Vierbeiner – die mit Stöcken – gingen langsam, aber stetig hinab. Das mag weder sportlich noch mutig gewesen sein, hielt dafür edle Körperteile trocken und warm.
Es gab natürlich noch jene, welche umfallbedingt zu Variante 2) genötigt wurden. Wer es wissen möchte: ich entschied mich für Variante 3), die ich beibehielt, bis ich wieder festen, griffigen Boden unter den Füßen hatte.
Ach ja, die Strecke. Ich war immer wieder erstaunt, über wieviel detaillierte Streckenkenntnis mancher Mensch verfügt. „nach dem Zwergenzipfl geht es dann runter über die Huberbuam-Alm, und dann kommt nach 4,7 km die Verpflegung“. Gut, das mit der Verpflegung kriege ich auch noch hin. Was die Sache mit den Benennungen angeht, ich weiss nicht. Einerseits ist es schön, die Namen markanter Punkte zu kennen, andererseits denke ich, jedenfalls beim Laufen, eher in Kilometern und Abschnitten zwischen zwei Verpflegungsstellen.
Hätte ich die Sache mit den Namen besser drauf, könnte ich euch zum Beispiel genau sagen, wie meine Lieblingsstelle heißt. Fließend hingestammelt rede ich von jenem Anstieg ziemlich zu Beginn, die letzte jener Spitzen, die ich für mich als die „drei Schwestern“ bezeichne. Man steigt einen recht steilen, grasbewachsenen Sattel empor, links und rechts ein wunderschöner Blick in die Berglandschaft. Da es dort, wie schon im letzten Jahr, ausgesprochen windig ist, erhält die Szenerie etwas urwüchsiges. wie gesagt, der für mich schönste Punkt der Strecke.
Die Kehrseite führt kurz vor der 80 km – Marke über etwa vierhundert Höhenmeter nach unten. Dies über endlos scheinende, in Serpentinen angelegte Naturtreppen. Fünf Treppen, etwas gerade, Kehre. Wieder fünf Treppen, etwas gerade, Kehre. Neun Treppen, eine etwas höhere Stufe, gerade, Kehre. Fünf Treppen, scheiße, beinah hingefallen!
Nun gut, aber auch das geht vorüber, und am Ende dieser Bergabpassage wartet eine Verpflegungsstelle mit – Achtung, Auflösung – Cola! Diese, wie auch die nächste Station, die zweimal angelaufen wird, führte tatsächlich das begehrte, und so oft vermisste Getränk. Nachdem mich 2011 ein Cola, das ich mir auf einer Hütte gönnte, gefühlt aus einer tiefen läuferischen Krise gerettet hatte, stellte ich dieses Jahr, nicht mit Cola rechnend, fest: es geht auch ohne! Schöne Erkenntnis!
Wo ich gerade von Erkenntnissen rede, will ich auf ein Experiment hinweisen, über das ich noch einen Beitrag schreiben werde: ich wollte ausprobieren, wie es sich denn ganz ohne Uhr läuft, ergo habe ich sie weggelassen. Mehr dazu hier.
Wer sich die Resultate en Detail zu Gemüte führen möchte, findet sie auf der Website der ZUT: ZUT Ergebnisse
Und hier geht’s zum Film von Günter Kromer.