Luxusproblemzonen

Wenn die Kleidung irgendwo zwickt, sprechen wir von Problemzonen. Für deren Lösung hat die Fitnessbranche viele meist wirkungslose Ansätze parat. Die wenigen, die wirklich wirken, führen zu eigenem Gezwicke – in den Luxusproblemzonen.

Viele Menschen kennen das: ein Kleidungsstück zwickt. Das ist unangenehm, ließe sich jedoch leicht mit entsprechend größer gekauften Klamotten umgehen. Ließe, weil sich dabei zwei Nebeneffekte einstellen: erstens zwickt es normalerweise nur an eng begrenzter Stelle (ich hoffe, das Wortspiel „eng“ ist aufgefallen, ich habe viel Mühe dafür aufgewendet, und hätte gerne Anerkennung dafür), wodurch das gesamte Erscheinungsbild außerhalb der Engstellen mehr sackartig-lappig daherkommt.

Außerdem bleibt noch der unbekleidete Blick in den Spiegel, der das offenbart, was die Körperbranche so gerne Problemzonen nennt.

Als Oberbegriff nennen die das so.

Wollen Fitness- / Lebenshilfe-/ Diät- und sonstige Unratgeber mehr ins Detail gehen, wird’s richtig poetisch. Schließlich sollen die Kunden keine Sätze lesen wie „Du bist an den Armen fett“ oder so ähnlich. Stattdessen redet man vom Hüftgold, welches oberhalb der Radlerhosen angesiedelt ist. Winkearme dienen dem freudigen Gruß all derer, die gegrüßt werden müssen. Da will man im Englischen nicht nachstehen, und spricht vom Muffintop, wenn ein Bauch gemeint ist, der über den Gürtel hängt, während das Hüftgold dorten als Love Handles schon ziemlich sexy klingt.

Ich bekenne offen, dass ich an ganz andere Stellen der weiblichen Anatomie dachte, als ich zum ersten Mal von Love Handles las.

Profaner ist übrigens die unvollständige Liste, die sich in gleichnamigen Workshops wiederfindet: Bauch, Beine, Po.

Problemzonen also.

Wobei das Problem der Zonen darin zu finden ist, dass ihr Besitzer (oder die Besitzerin) an diesen Stellen lieber anders beschaffen wäre, als er / sie es ist. Weniger bezont. Ob man die angrenzenden Körperregionen in nostalgischer Anwandlung als Zonenrandgebiet bezeichnet, entzieht sich meiner Kenntnis.

Problemzonen.

Zonen, die Probleme machen.

Wo Probleme sind, sind Lösungsversprechen nicht fern, und so steht eine Armada von Trainern und Tippgebern bereit, mit Tat und Rat beiseite zu stehen. Wobei ich angesichts der augenscheinlichen Ausbreitung solcher Zonen glaube, anstelle von Rat eher von Unrat sprechen zu müssen. Viel scheint’s ja nicht zu bringen. Oder nur selten, genauer gesagt nur dann, wenn der / die Beratene selbigem Rat auch Taten folgen lässt. Der Zonenschwund folgt meist auf dem sportlich bewegten Fuße.

Das Problem schwindet.

Die Kleidung zwickt nicht.

Bis, ja bis sie es irgendwann doch wieder tut. An anderer Stelle. Ich nenne diese Zonen Problemzonen vom Typ zwei, um sie von den anderen abzugrenzen. Das erlebe ich am eigenen Leib – wobei ich die erste Version des Zwickens (durch Love Handles etc, Problemzonen Typ eins) nicht kenne. Radlerhosen hatte ich zeitlebens nur als Kleidungsstück. Stattdessen steige ich in eine alternative Zwickphase ein, seitdem ich zusätzlich zum Laufen intensives Krafttraining betreibe: Langhantel und Kettlebells sind, neben meinem eigenen Körpergewicht, leib gewordener Zeitvertreib.

Kürzlich zog ich eine Hose an, die ich vielleicht zwei Jahre nicht getragen hatte. Zu eng an den Oberschenkeln, zu eng an der Hüfte wegen meines …. ähm… kräftiger gewordenen Hinterns. Bei älteren Hemden klaffen spindelförmige Öffnungen zwischen den Knöpfen an der Brust, und die Schulternaht rutscht nach innen.
Ich stehe nicht alleine mit meinen Problemzonen, beileibe nicht! Betroffene beklagen sich darüber, dass sie sich beim Hosenkauf für eine von zwei unpassenden Alternativen entscheiden müssen: entweder passt’s an den Beinen, dann ist der Bund zu weit. Oder der Bund sitzt. Das bringt auch nichts, weil Treppensteigen mit prall sitzender Oberschenkelhose zur Herausforderung wird.

Einer gut trainierten Bekannten wollte man allen Ernstes ein Oberteil in Größe S aufschwatzen – beim Luftholen ist dann die Naht geplatzt.

An der Schulter!

Zum Glück gibt’s Stretchstoffe.

Ich geb’s ja zu, dass unsereins selbst schuld ist an diesen Problemzonen.

Und auch, dass viele Menschen mit Problemzonen vom Typ eins gerne solche vom Typ zwei hätten (können sie haben, sie müssen nur so trainieren wie die Leute mit Typ zwei Problemzonen).

Viele würden bei uns vom Luxusproblem sprechen.

Wir haben wohl Luxusproblemzonen.

7 Gedanken zu „Luxusproblemzonen“

  1. Lieber Harald,

    dass Männer ebenso unter diesen Probleme leiden, war mir nicht so präsent, dass es unter Frauen existiert, ist hinreichend bekannt.

    Nun sage ich dir – und du wirst überrascht sein – ich habe diese Probleme nicht. Warum wohl ? Weil ich schon immer eventuellen entgegenwirke – sei es mit der Ernährung oder sporttechnisch. Damit will ich mich nicht davon freisprechen, dass es Partien an meinem Body gibt, die mir nicht so gut gefallen, aber alles in allem kann ich nur DANKE sagen und etwas dafür tun, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig – YES !

    Vielleicht machst du doch zuviel ?

    Ciao, pass gut auf dich auf und lass es dir gut gehen dort unten, gell ? 😉

    1. Liebe Margitta,

      es sind zum Glück Luxusproblemzonen, die den Inhaber insgeheim ja doch erfreuen. Da kauf‘ ich gerne neue Klamotten. Ob ich zuviel mache? Meinst du die Frage ernst? 😉

      Mir geht’s gut hier unten, dir dort oben hoffentlich auch!
      Ciao,
      Harald

        1. Ich seh‘ das anders. Gerade richtig (wobei in den letzten Monaten in Bezug auf das Trainingsziel zuwenig), eine schöne Mischung aus Ausdauer, Kraft etc. 🙂

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