Galilei, gestern.

Galilei, das war der mit der Erde und der Sonne. Der herausbekommen hat, dass die Erde nicht so ganz im Zentrum des Geschehens steht, wie manche seiner Zeitgenossen das gerne gehabt hätten. Und dann muss er es auch noch öffentlich machen, dieser whistleblowende Wissenschaftler.
Ihm widme ich meine gestrige Laufeinheit.

Galilei, das war der mit der Erde und der Sonne. Der herausbekommen hat, dass die Erde nicht ganz so im Zentrum des Geschehens steht, wie manche seiner Zeitgenossen das gerne gehabt hätten. Und dann musste er es auch noch öffentlich machen, dieser whistleblowende Wissenschaftler.
Ihm widme ich meine gestrige Laufeinheit.

Denn eigentlich wollte ich gestern überhaupt nicht mehr laufen. Besser gesagt: ich wollte schon, doch halb hielt es mich, halb lag ich herum. Oder frei nach Karl Valentin: mögen hätte ich schon gewollt, aber machen habe ich nicht gekonnt.
Müde war’s, drinnen und draußen. Als hätte mir jemand den Stecker gezogen. Allein der Gedanke an das geplante Tempoträning hätte meinen Pulsschlag angstvoll steigen lassen, nur: nichtmal das gelang mir.
Stehend k.o. nennt man das wohl.

Rückblickend, nach dem Lauftraining (womit ich die Spannungskurve ansatzlos ins Bodenlose stürzen lasse, denn jetzt ist es raus: ich bin doch noch gelaufen!), fiel mir ein, dass ich tagsüber kaum etwas Vernünftiges gegessen hatte. Prima, als ob Müdigkeit alleine nicht ausreichen würde! Weder Kreis- noch Geradeauslauf ließen sich in meiner Nähe blicken, erst recht nicht, als es spät und später wurde. Anscheinend haben diese Intriganten darauf spekuliert, der Tag würde ohne weitere körperliche Ertüchtigung enden. Ein halbes Stündchen mit der Kettlebell zu mittag, soll das alles gewesen sein?

Beine, schwer wie – nein, umgekehrt: Blei würde meine Beine als Metapher für sich selbst genommen haben. “Hach bin ich fertig heute, ich fühle mich schwer wie Bein”. So in etwa hätte sich des Bleis Gejammer angehört.
Diese Beine schleppte ich also herum, um mich zum Träning fertig zu machen. Ich betone: ich schleppte die Beine, nicht sie mich.

Erschwerend (sic!) hinzu kam, dass ich mir Fahrtspiel nach Pi vorgenommen hatte. Die ersten 8 Stellen von Pi, als Minuten interpretiert, schnell gelaufen. Danach ebenso lang als aktive Erholung in langsamem Tempo.
In Zahlen sind das 3 – 1 – 4 – 1 – 5 – 9 – 2 – 6 Minuten.
Die Koordinationsleistung aufzubringen, um mich mit dem Springseil aufzuwärmen, schien mir illusorisch, ich entschied mich für das traditionell-langweilige Warmlaufen. Macht “man” heutzutage nicht mehr, ich weiß. Gestern war mir das wurscht. Öde, monotone Fortbewegung war das Äußerste was ich mir abverlangen konnte.

Am Anfang.

Zweihundert Meter später: “Hallo linkes Bein. Schön, dass du da bist!”

Fünfzig weitere Meter: “Hey, rechtes Bein, auch dabei? Klasse!”

Der erste halbe Kilometer ließ mich glauben, ich könnte tatsächlich mit dem Träning beginnen. Drei Minuten schnell. Und ich muss ja nicht alle acht Stellen “machen”. Vielleicht nur die vier ersten? Oder nur, bis die kurze fünfkommaknapp Kilometer lange Runde vorbei ist?

Also los, drei Minuten….

GO!

Erste Minute: …puh ist das zäh…

Zweite Minute: …geht besser als gedacht…

Zweieinhalb Minuten: …huch, das Tempo ist nicht übel, deutlich unter vier Minuten je Kilometer…strengt an…und später dräut der lange Teil mit neun Minuten…naja, erstmal drei Min zu Ende bringen…

Drei Minuten: …sehr schön, erstmal locker…endlich…als nächstes zum Glück nur eine Minute, das geht schnell vorüber…

Um es kurz zu machen: ich bin die Einheit komplett gelaufen. Zur Halbzeit gesellte sich freundlicherweise mein Kreislauf dazu, während gegen Ende der Magen die sportliche Runde mit Defätismus erheiterte.
Mitten in der neunminütigen Tempoeinheit musste ich mir anhören, er sei leer. Weiß ich doch! Beine, stets offen für Anregungen, nahmen das sogleich zum Anlass, ihre Kraftlosigkeit zum Ausdruck zu bringen. Auch das war mir nicht neu, der Informationsgehalt gleich Null.
“Ja und?” rief ich meinem Leibe lächelnd zu, “Ist das etwa ein Grund, auf Tempo zu verzichten? Wir laufen, so schnell wir können!”
Genau das tat ich dann auch. So schnell ich konnte – in Anbetracht der Umstände zolle ich mir ein dickes Lob, dass die schnellen Phasen alle deutlich unter 4:30 lagen.

Wieder daheim, begab ich mich unverzagt wie unverzüglich in einen Zustand fortgeschrittener Apathie. Ich inhalierte einen Berg Spaghetti. Falls heute der Nudelpreis-Index irgendeiner Warenterminbörse explodiert, wodurch Italien seine Staatsschulden mit Teigwaren tilgen kann: Leute, ich hatte Hunger. In meinem gestrigen Zustand war mir die Weltwirtschaft herzlich egal.

Lieber Galileo Galilei, Ehre sei dir. Hättest du mich gestern gesehen, du würdest ausgerufen haben: “Und er bewegt sich doch!”

11 Gedanken zu „Galilei, gestern.“

  1. Hallo Haralad,

    dachte mir nur grad was wohl deine jobsuche so macht und bin dann auf deine Seite gekommen. Und auf diesen Text.
    Echt sehr lustig verpackt:) erkennt man sich grad selber…

    Gruß

    daniel
    (black diamond)

    1. Hi Daniel,
      nett dass du vorbeischaust! job ist in arbeit, was hast du als nächstes geplant? Klettern oder wieder Laufen? 😉

      Viele Grüße,
      Harald

  2. Wasmir beim längeren “Sacken lassen” Deines Textes noch nachgekommen ist, ist die Erkenntnis, dass sich die Gesellschaft beim Umgang mit “Whistleblowern” seit der Zeit Galileis nicht wirklich weiterentwickelt hat, oder?
    Galilei wurde gefoltert und der Inquisition unterworfen um ihn dazu zu bringen seine Aussagen zu widerrufen. Wie gerne würden die Amerikaner genau das beispielsweise mit Edward Snowden machen?
    Oder Bradley Manning? Der steht gerade vor der modernen Form Inquisition (=Militärgericht).
    Dabei möchte ich das nicht nur auf die USA beschränkt wissen – in Russland und vielen anderen Ländern wäre das ganz genauso (nur nicht so öffentlich). Auch in Deutschland sind wir nicht bedeutend aufgeklärter, was den Umgang mit unliebsamen Personen angeht. Schade eigentlich…
    Sorry, das war jetzt vielleicht etwas sehr politisch (sollte es eigentlich gar nicht sein), aber das ging mir nicht mehr aus dem Kopf seit ich gelesen habe, dass Du Galilei als Whistleblower (zu recht – so würde man ihn heute nennen)bezeichnest. In diesem Punkt verharrt die Menschheit in ihrer Gesamtheit wohl immer noch im Mittelalter. Bedauerlich…

    1. Du siehst, ich amüsiere mich nicht nur über Deine gekonnt formulierten Beiträge, ich denke sogar darüber nach!
      🙂
      P.S. Die Tippfehler sind mir leider zu spät aufgefallen. 🙁

    2. Ich sehe es auch so, dass “man” unangenehme Informationen lieber unter Verschluss hält. Vor allem liegt es in der Natur der “Schlapphüte”, dass sie im Verborgenen arbeiten wollen. Und wenn’s dabei nicht ganz so legal zugeht, soll doch die Öffentlichkeit nichts davon wissen.
      Und dann schreit einer, der Kaiser sei nackt!

      Deswegen habe ich mir den politischen Seitenhieb nicht verkniffen, habe den Begriff des Whistleblowers weit gefasst. Transparenz macht eben Angst.
      Wo du das Mittelalter ansprichst: ich bin in Sachen Systhemtheorie nicht allzu fit, aber genau die kommt mir in den Sinn, wenn ich an den Umgang mit nach außen dringenden Informationen denke.
      Wenn ich den Kram Religion damals / Staat heute in einen Topf werfe, erkenne ich zwei Systeme, denen die wertvollste Ressource entschweindet: das Vertrauen ihrer Anhänger. Damals war es die Deutungshoheit der Religion über das Funktionieren der Welt – “Glaube”, heute ist es das Vertrauen in den guten “Vater Staat” und seine Institutionen.
      Und da diese Systeme sich durch geleakte Informationen existenziell bedroht sehen, greift der Mechanismus des Systemerhalts: das System wehrt sich gegen die wahrgenommene Bedrohung.

      Jetzt muss ich nur noch damit klarkommen, dass mein Geschreibe zum Nachdenken anregt… 😉
      Tippfehler sehe ich sehr gelassen, Inhalt deines Kommentars ist wichtiger 🙂

  3. Da liest man es wieder schwarz auf weiß – erst sind sie beide schwach, der Körper und der Geist, dann hilft der Körper dem Geist auf die Beine, der wiederum hilft dem Körper bei der Stange zu bleiben – nach dem Motto: gemeinsam sind wir stark, wie gut, dass beide so gut harmonieren, schließlich kennen wir es auch anders.

    Alles in allem kannst du über die Beziehung zu deinem gut funktionierenden Körper sehr zufrieden sein.

    Das ganze wieder grandios in Worte verpackt – Danke !

    P.S. Wie inhaliert man Spaghetti ?

    1. Vorgestern war am Anfang nur Geist. Wäre zu schön gewesen, wenn der Körper auch was beigetragen hätte….ich war froh, dass wenigstens einzelne Teile zwischendrin mal vorbeigeschaut hatten 🙂
      Aber das passt schon. Bin ein wenig angeschlagen, und mit der Brechstange, das kennen wir ja, arbeiten wir nur im Wettkampf.
      Spaghetti inhalieren? Ganz einfach: du öffnest den Mund (=Inhalationsöffnung), beugst dich über den Teller, und nimmst einen tiefen Zug “auf Ex”. Klappt meistens!

Kommentare sind geschlossen.