„Wie bekomme ich straffe Schenkel?“
Diese Frage beschäftigt, wie ich kürzlich gelernt habe, einen beachtlichen Teil der Damenwelt. In meinen männlichen Ohren klingt das wie eine Frage an den Kummerkasten einer Zeitschrift, oder wie das entsprechende Social Media Pendant heißt.
Tun wir also so, als könnten wir Dr. Squat, unseren Experten für alles und noch mehr, zum brisanten Thema befragen. Sofern sich jemand über den Namen wundert: Ich hätte den Anglizismus selbstverständlich vermeiden können, aber, sagt selbst, wie klingt denn Dr. Kniebeuge?
Unglücklicherweise beginnen unsere Schwierigkeiten (damit meine ich jene von mir und dem fiktiven Dr. Squat) schon bei der Fragestellung. Ich habe keine Ahnung, was ich unter straffen Schenkeln verstehen soll. Soll ich straff als fest auffassen, im Gegensatz zu wabbelig? Oder schwingt in dem Wort eine gewisse Wohlgeformtheit mit?
Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger greifbar ist der Begriff, desto unlösbarer scheint mir die Aufgabe. Würde ich länger nachdenken (ich betone den Konjunktiv „würde„, im Sinne von täte, weil ich es nämlich nicht tun werde), käme ich vielleicht an einen Punkt an dem ich sagen könnte, dass sich das Problem überhaupt nicht auflösen lässt. Aporetiker stehen auf sowas, ich hingegen weise die Frage zurück.
Ich weigere mich im Namen von Dr. Squat eine Frage zu beantworten, die auf einen so undurchdachten Ausdruck zielt.
Stattdessen formuliere ich um: „Ich bin mit meinen Beinen in Form und Funktion und überhaupt unzufrieden. Was muss ich tun, damit das besser wird?“. Ganz in der Bauhaus-Tradition folgt auch hier die Form der Funktion, sprich: Wer fleißig trainiert, sieht sportlich aus.
Und da ich schon bei klassischen Anspielungen bin, spiele ich gleich mit einer weiteren, denn wie die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest selbstredend 42 lautet, so weiß Dr. Squat, dass körperliche Entwicklung mit Grundübungen beginnt. Und wenn wir soweit es nur irgend geht verEINfachen, uns daher auf eine einzige Übung beschränken, gelangen wir zur Kniebeuge.
Gewiss lässt sich lange darüber diskutieren, ob „die eine Übung“ nicht auch Kreuzheben sein kann. Oder Liegestütz. Ich bleibe bei jener Übung, die möglichst viele, möglichst große Muskelgruppen anspricht, dabei Beweglichkeit und Koordination verlangt. Gleichzeitig bietet sich mehr Variationsmöglichkeit als z.B. beim zweiten heißen Kandidaten namens Kreuzheben.
Deshalb beugen wir die Knie.
Wir beugen sie, einschließlich der Spielarten Pistols, Lunges, Cossacks, die hier allerdings nur ehrenvolle Erwähnung finden, denn wir beschränken uns im Interesse der Einfachheit auf die klassische Kniebeuge. Mit Kniebeuge meine ich Kniebeuge, in diesem Punkt sind wir uns vollkommen einig, Dr. Squat und ich.
Die Kniebeuge ist eine tiefe Kniebeuge, bei der die Hüfte im unteren Punkt tiefer liegt als das Knie. Ass to grass, bei hinreichend kurz gemähtem Gras.
Außerdem belasten wir die Übung, wobei es egal ist, ob wir Goblet oder Front Squats mit der Kettlebell, oder Front bzw. Back Squats mit der Langhantel machen. In tiefer gehende Diskussionen – ich könnte auch von Glaubenskriegen sprechen – zu Low Bar oder High Bar steigen wir nicht ein. Der entscheidende Punkt ist die Last.
Eine Last, die mit entsprechendem Aufwärmen bei hoher Konzentration einige wenige Male bewegt werden kann. Ich drücke mich absichtlich schwammig aus und bewusst davor, irgendwelche Wiederholungszahlen zu nennen. Wer sich ein wenig mit Krafttraining beschäftigt hat, kennt die Zahlen sowieso. Ein paar Mal also, für ein paar Sätze mit ein paar Minuten Pause dazwischen. Ja, jede Wiederholung muss anstrengen, und die letzten Wiederholungen eines Satzes müssen mehr Konzentration fordern als die ersten. Das schließt zumbaartiges Auf- und Abgehopse mit Vorturner aus. Sollte das gehen, gibt es eine klare Konsequenz: Höhere Last!
Schwere Kniebeugen sollen’s sein, und schwer hängt logischerweise von demjenigen ab, die sie ausführt.
Diese wiederum, eigentlich sollte ich das nicht extra ansprechen müssen, verlangen, dass die Bewegung sauber sitzt. Also lernen wir das anständig, denn der Gesundheit förderlich sind Kniebeugen mit mindestens dem halben Körpergewicht (als Zusatzlast!) natürlich nur, wenn sie perfekt ausgeführt werden.
Dr. Squat rät:
– lerne perfekte Technik
– mache schwere Kniebeugen
– mache niedrige Wiederholungszahlen
– steigere die Last kontinuierlich
– trainiere häufig, mindestens dreimal in der Woche (ich empfehle das Buch „Squat Every Day“ von Matt Perryman)
Dr. Squat und ich antworten auf die eingangs gestellte Frage:
Liebe Damen, befolgt den Rat von Dr. Squat für mindestens ein bis zwei Jahre und betrachtet dann eure Beine. Wenn sie das sind, was ihr unter „straff“ versteht: Prima! Wenn nicht, habt ihr nicht nur zwei geil aussehende, kräftige, gesunde Beine, sondern auch den dazu gehörenden geil aussehenden, kräftigen, gesunden Rumpf und die Genugtuung, ein sportliches Ziel erreicht zu haben.
Herzlichen Glückwunsch!