Flüsse und Bäche sind vom Eise befreit, und die kräftiger werdenden Sonnenstrahlen zeigen, dass es der Frühling diesmal ernst meint. Nicht nur Veronika stellt fest: der Lenz ist da.
Schon häufen sich Grillabende, der Nachbar grüßt über den Gartenzaun. Es ist die Zeit kurz vor Pfingsten, in der die Welt endgültig aus dem Winterschlaf erwacht ist.
Manch Mitmensch bemerkt beim Anblick seines Körpers erschreckt, dass ihn ein schlaff hängendes Körperteil verunziert. Damit meine ich nicht jenes Teil, dessen baumelnde Unwürdigkeit die Generation Sechzig-Plus mit blauen Pillen zu beheben trachtet, sondern den größer gewordenen Bauch.
In diesem Moment betritt das geschätzte Lebensabschnittsgegenstück den Raum: „Du warst auch schon schlanker“. Wobei besagtem Gegenstück die unterbewegt-überernährte Lebensweise ebenfalls anzusehen ist.
Und der Urlaub ist schon gebucht, es dräut die Blamage am Strand.
Was nun?
Guter Rat is ausnahmsweise mal billig, denn Magazine wie Fit for Fun oder Men’s Health (bzw. das Pendant Women’s Health) bieten pünktlich zum Beginn der Reisesäsong Tipps zur Selbstverschlankung.
Die jeweiligen Ausgaben erkennt man am waschbrettbebauchten Model auf der Titelseite, die Schlagzeile verspricht den perfekten „Beach-Body in nur 6 Wochen“.
Nun gut, sagt sich Moppelchen, während er neugierig zum Artikel blättert, aber muss ich dazu viel Sport treiben? Ein angstvoller Gedanke, von dem ihn die Einleitung befreit, denn sie suggeriert: auch Sportmuffel können aussehen wie Zehnkämpfer! Von Null auf knackig in sechs Wochen.
Das funktioniert sogar!
Was tut nämlich ein Mensch, der sich nicht anstrengen will, sondern nur so aussehen, als ob?
Zunächst erwirbt er das Fachmagazin zum Studium des Sechswochenplans.
Derartige Pläne setzen sich meistens aus zwei Komponenten zusammen, nämlich einer strikten Diät, und einem Sportanteil, der auf trendige „Workouts“ setzt.
Nun behaupte ich, dass die Zielgruppe, sonst jeglicher sportlichen Betätigung genauso abhold wie dem Verzicht auf Chips, Bier und dergleichen Leckereien, hinreichend motiviert ist, um den Lebensstil während eines überschaubaren Zeitraumes zu ändern. Kurzfristig, wie gesagt.
Mit leicht erhöhtem Energieumsatz durch ein bisschen Sport wird eine Diät schnell Wirkung zeigen.
Und wie jeder weiss, machen gerade Untränierte sehr leicht Fortschritte im Sport. Vor allem dann, wenn „hart“ träniert wird.
Ein Ansatz, der im Gegensatz zu sämtlichen Träningsratgebern steht. Mit warnend erhobenem Zeigefinger wird der Sportler ermahnt, sachte zu steigern.
Wegen der Anpassungsprozesse.
Weil Sehnen und Knochen länger brauchen als Muskeln
Und die länger als das Hirn.
Sonst drohen langfristig fürchterliche Schäden.
Nur: wen kümmert die lange Sicht, wenn der perfekte Beach Body in sechs Wochen fertig ist?
Nutzen abgreifen, ohne die Risiken in Kauf nehmen zu müssen.
Nach eineinhalb Monaten Selbstdisziplin stellt der Nichtsportler hocherfreut seine bessere Leistung fest, Lebensabschnittspartner attestieren bessere Figur, und der Gang zur Waage macht weniger Angst.
Was optisch zum Coverboy (oder Girl) fehlt, kann man sich schönreden. Man ist „Fit for Strand“.
Nach dem Urlaub gibt es dann keinen Anlass zur Bewegung mehr. Bier, Chips & Co schmecken wieder, und die Couch ist sowieso bequemer als das Studio.
Der Körper tut, was ihm die Natur eingibt: er bildet Rücklagen für schlechte Zeiten.
Sie brechen unweigerlich im Folgejahr herein, kurz vor Beginn der Reisezeit.
Der fitforfunisierte Mensch erblickt seine Leibesfülle, wird unzufrieden und greift zum Lifestylemagazin. Es versichert, er müsse sich nicht ganzjährig schinden, um einmal im Jahr den Anschein zu erwecken, er täte es.
Fitforfunisierung. Alle Jahre wieder.