In einer Welt, in der Halbgötter zu popeligen Ärzten herabgewürdigt werden, die Halbwahrheiten im Halbstundentakt in der halben Welt verbreitet, muss ich mich fragen: was hat es mit dem Halbmarathon auf sich?
Eigentlich beginnt es beim Schuh, den ich trage. Meistens ist es ein Halbschuh, ein halber Schuh also. Da kann ich nicht anders, ich muss in Halberstadt absteigen, wo mir ein Hotel ein unwiderstehliches Angebot macht – Halbpension inklusive.
Anderen geht es nicht anders, sie machen keine halben Sachen, da wird mit Halbwissen über Träningskonzepte geprahlt, dass sich die Balken biegen. Schade nur, dass die Halbwertszeit derartigen Wissens arg kurz ist. Da braucht bloß ein anderer halbwegs Bescheid wissen, und schon ist die Diskussion halb gewonnen.
Nicht, dass es sich dabei um ein besonderes Verdienst handeln würde. Nein, die halbgaren Konzepte, mit denen sich mancher Halbaffe zum Halbgott aufzuschwingen anschickt, kann man allzu leicht widerlegen. In Sachen Seriosität ohne Weiteres mit dem gleichzusetzen, was früher einmal als Halbwelt galt. Ganze Kerle wickelten halbseidene Geschäfte ab, Halbstarke hatten da keinen Platz.
Halb.
Halb irgend etwas.
Vorsilben haben oft die Eigenschaft, vom bezeichneten Objekt wegzuweisen. Ein Halbgott zeigt klar, dass es auch einen ganzen Gott geben muss, und halbdunkel ist eben weder hell, noch richtig dunkel. Wie gesagt: so ein Wort deutet von sich fort, auf etwas anderes. Ich bin deiner Aufmerksamkeit unwürdig, scheint es zu sagen, dort drüben ist das echte Ding.
Wie ein halbautomatischer Eierkocher.
Dann doch lieber gleich einen richtig automatischen. Wenn der Halbautomat schon klar sagt, dass es auch einen Automaten gibt, kaufe ich eben den.
Dann gibt es den Halbmarathon. Also kein richtiger Marathon, sondern bloß die Hälfte. Eigenartig, zwanzig Kilometer klingen besser, obwohl beim halbe Ganzmarathon ein guter Kilometer mehr eingeschenkt wird. Knapp elfhundert Meter, auf denen Helden geboren wurden und starben. Triumphierender Endspurt oder gnadenloses Einbrechen auf diesem letzten Stück.
Zwanzig.
Oder eine Hälfte?
Strenggenommen ist auch ein ganzer Marathon halb so wild.
Da kann man sich für den Halbmarathon nur halbherzig anmelden, oder?
Das Glas ist halbleer, meint der Pessimist, wogegen der Optimist sofort einwendet, dass es natürlich halbvoll sei.
Ich sage: es ist ein kleineres Glas. So ein Lauf über einundzwanzigkommairgendwas Kilometer hat seine eigenen Bezeichnung verdient. Schneller als ein Marathon, und mit längeren Schmerzen als bei diesen hetzenden Zehnern, hat er es nicht nötig, von sich weg zu deuten.
Ich sag’s nochmal: Der Einundzwanziger braucht einen Namen!
Wohnst wohl in einer Doppelhaushälfte, was?!
Nur in einem Teilhaus (aka „Wohnung“) 🙂
Voller Interesse habe ich den vollen Text vollends verschlungen ohne dass sich ein Völlegefühl einstellte und am Ende schweifte meine volle Aufmerksamkeit ab um völlig über einen vollmundigen Namen für den vollwertigen 21,1er-Lauf nachzudenken.
Wieder einmal ein grandioser Text! Chapeau!!! 🙂
Gute Besserung,
Thomas
Es freut mich ja volle Kanne, dass dir der Artikel gefallen hat!
Hast du schon Ideen für einen vollwertigen Namen?
Viele Grüße,
Harald
Wie wäre es mit „Voll-Wert“-Lauf?
Oder wenn der Marathon die Königs-Disziplin ist, wie wäre es dann gendergerecht mit „Prinzessinnen-Disziplin“?
Oder „ich-bin-schon-groß“-Lauf?
Oder wenn der Marathon nach dem legendären Botenlauf (nach der Schlacht von Marathon) bis Athen benannt wurde, wie wäre es dann mit „Drosia“ (liegt etwa auf der Hälfte zwischen Marathon und Athen)?
Aber so richtig überzeugend finde ich die Namen selber nicht. 😉
Drosia gefällt mir. Das nimmt Bezug auf die Entstehungsgeschichte, und gesteht dem 21,1 gleichzeitig einen eigenen Namen zu. 🙂