Außentemperaturgeführt

Kennt ihr diese „außentemperaturgeführten“ Heizungen? Wird es draußen wärmer, regelt solch ein Gerät die Wassertemperatur von selbst herunter. Scheinbar absurd, denn wen interessiert es schon, ob es draußen warm ist, wenn er drinnen friert.
Doch manchmal ticken wir Sportlinge ähnlich, womit wir uns selbst ein Bein stellen.

Kennt ihr diese „außentemperaturgeführten“ Heizungen? Wird es draußen wärmer, regelt solch ein Gerät die Wassertemperatur von selbst herunter. Scheinbar absurd, denn wen interessiert es schon, ob es draußen warm ist, wenn er drinnen friert.
Doch manchmal ticken wir Sportlinge ähnlich, womit wir uns selbst ein Bein stellen.

Vielleicht sollte ich zunächst eine Lanze für die Heizungstechnik brechen, bevor sich der Eindruck verfestigt, ich bräche den Stab über sie. Wenn’s draußen wärmer wird, könnte man die Vorlauftemperatur der Heizanlage senken – ähnlich wie bei der Nachtabsenkung auch. Alternativ dazu ließe sich ein Raum in der Wohnung zum Referenzraum befördern: er entscheidet über hohe oder abgesenkte Temperatur des Heizungswassers. Aber ich bleibe bei der Außentemperatur als Steuerungsgröße. Von der technischen Seite her ist das Konzept für mich nachvollziehbar, vor allem dann, wenn Dummheiten vermieden werden, wie den Temperatursensor an einer sonnenbestrahlten Stelle zu montieren. Dennoch bleibt nicht nur emotional, sondern auch technisch ein Zweifel. So eine leise Stimme, die mich darauf hinweist, dass mich die Temperatur draußen nur bedingt kümmert, wenn ich drinnen in der – möglicherweise eben keinesfalls warmen – Stube sitze.

Ich richte meinen Blick nach außen in der Annahme, er gäbe den inneren Zustand korrekt wieder.

Das kommt mir bekannt vor.

Schmerzlich bekannt.

Schändlich gar.

Fällt mir doch spontan ein Lauf (nicht nur einer…) ein, der mich in die außentemperaturgeführte Falle hat tappen lassen. Oder, abstrakter: ich habe mich an irgendwelchen dämlichen Vorgaben, an Zahlen orientiert, statt mich von meinem inneren Zustand leiten zu lassen.
Konkret hatte ich mir beim 24-Stunden-Lauf einen bestimmten Schnitt vorgenommen (ja, ich weiß…). Dummerweise stieg die Außentemperatur (sic!) auf über dreißig Grad. Ich strengte mich an, den Schnitt zu halten (ja, ich weiß…), in der Hoffnung, die Hitze würde nicht allzu lange anhalten (ja, ich weiß…). Und so weiter. Hätte ich (ja, ich weiß..) meinen inneren Zustand konsequent verarbeitet, der Lauf wäre viel schöner gewesen. Und, glaubt mir, ich habe die ganze Zeit gemerkt, dass mir heiß war. Ein Jahr drauf bin ich in der heißen Phase deutlich langsamer unterwegs gewesen. Bin schließlich lernfähig!

Das Hitzebeispiel ist allerdings nur eines von vielen möglichen, ich will gar nicht zu sehr darauf herumreiten. Vergessen wir deshalb die Temperatur, um wieder zu abstrahieren.
Dort draußen gibt es noch viele Einflüsse, mit denen wir uns selbst leiten – oder in die Irre führen lassen.

Da gibt es diese schönen Tage, kühl und doch nicht kalt, mit herrlichem Sonnenschein. Und dennoch frieren oder schwitzen wir. Wie kann das sein, es hat doch nur (beliebige Temperatur einsetzen) Grad? Gewiss habt ihr bemerkt, dass es doch noch um Wärme geht. Oder ihre Abwesenheit. Allerdings nicht nur darum, auch nicht um Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen, sondern auch um das, was wir als Tagesform kennen. Das eigene Empfinden richtet sich eben nicht nach dem Thermometer. Eine simple Erkenntnis, die offenkundig das Begriffsvermögen vieler Armeen übersteigt. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, wie Sommer befohlen werden könnte.

Im Übrigen wird der gemeine Sportling häufig geneigt sein, seinen Trainingsplan als unumstößliches Gebot anzusehen. Wenn’s nicht so schwer wäre, man würde Läuflinge Marmortafeln anstelle von Smartphones schleppen lassen, in die Tempi, Distanzen und Ziel-Herzfrequenz mit güldenen Lettern einlassen sind. Die Änlichkeit mit Grabsteinen kommt hier nicht von ungefähr.

Still und starr ruht der Plan.

Allerdings, und das ist die Kehrseite der Medaille, sind Körper und Geist wahrhaft trickreiche Wesen. Im Team verbünden sie sich manchmal zum Schaden des Sportlings, denn so wie sich übertriebener Ehrgeiz und starres Festhalten am Plan manchmal in Verletzungen niederschlagen – woraufhin der Sportling zu Recht niedergeschlagen ist, sorgen sie im umgekehrten Fall in trauter Einigkeit für ein Zuwenig an Sport.

Bei mir sind es hochintensive Intervalle, die manchmal dieses „Huch, ich strenge mich an! Ich will mich nicht anstrengen! Ich brauche Pause! Jetzt!“ auslösen. Fällt euch die Steigerung im Zitat auf? Von der Realisation, dass ich mich anstrenge, führt der Weg in direkter Folge zum Drang nach Pause. So weit, so normal. Ziemlich normal.

Da ist es natürlich der Kopf, der mich dann weitermachen lässt. Oder auch nicht.

Denn das Hirn ist manchmal ein kleiner fauler Sack. Da wird ein Zipperlein des inneren Zustands, den zu beobachten ich oben gefordert habe, schnell zur dräuenden Unbill, die natürlich nur durch sofortige Pause abgewendet werden kann. So ein kleiner Sack, dieses Hirn.
Das wäre dann eine Situation, in der es (das Hirn) sich münchhausenartig am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen muss.

Und wie?

Durch den Blick nach draußen!

Es ist nicht einfach.

Aber, wie der Volksmund weiß: wäre es einfach, würde es Fußball heißen.

2 Gedanken zu „Außentemperaturgeführt“

  1. Eine Lanze für die Technik brechen, statt den Stab über ihr – ein gelungener Satz!

    Tatsächlich führte die alte Technik mit Referenzraum bei mir zu warmem Wohnzimmer und kaltem Bad. Bei der neuen, außentemperaturgesteuerten Heizung wird auch das Bad warm. Oder es bleibt genauso kalt wie das Wohnzimmer. Nämlich immer dann, wenn draußen die Temperaturen steigen. Die Kunst besteht wohl darin, eine Kennlinie des Reglers zu programmieren, die zur Isolation des heimischen Gemäuers passt.

    Das Heizungsbild auf den Sportler zu übertragen, will mir nicht ganz gelingen. OK, die Solltemperatur im Haus entspricht der Zielzeit des Läufers. Die Temperatur steht für die äußeren Bedingungen. Die Isolation des Gemäuers steht für den (inneren) Zustand des Läufers (aber: beim Gemäuer handelt es sich um eine Konstante, während der Läufer auf Verbesserung seiner Kondition hofft). Und der Trainingsplan wäre dann der Versuch, den Regler umzuprogrammieren?

    Vielleicht noch eine Anekdote zum Marmortafel-Schleppen. Einst diente ich in einer Artillerie-Einheit. Die Lage des Ziels bestimmt beim ballistischen Schießen, in welchen Winkeln die Geschütze einzustellen sind. Zur Berechnung dieses Winkel vertraute man nicht auf störanfällige Rechentechnik (Stromausfall, Einfluss radioaktiver Strahlung, etc.), sondern ließ einen Soldaten die Berechnung anhand von Tabellen ausführen. Diese Tabellen waren in Bronzetafeln eingraviert, die der arme Kerl zusätzlich zu seiner sonstigen Ausrüstung zu schleppen hatte. Bei jeder Außentemperatur!

    1. Meine Güte, zwei Wochen in Verzug. Sorry!
      Bei uns im Haus (sieben Parteien) hat ein Spaßvogel vor ein paar Wochen die Heizung ausgeschaltet. In den beiden kühlen Aprilwochen hatte ich dann Spaß, meine Kenntnisreste aus dem Studium herauszukramen. PID-Regelung und so. 😉

      Mir ging es im Artikel weniger um eine direkte Analogie, sondern um die Blickrichtung. Also darum, ob es draußen zwar warm ist, drinnen aber nicht. Bzw. was juckt mich die Temperatur, wenn ich friere? Ein Trainingsplan ist in dem Sinne auch etwas, das außerhalb des Körpers liegt. Da kann man dann entweder mit der Brechstange auf Planerfüllung zielen, oder flexibel sein. Beides ist eine Gratwanderung, weil Entwicklung bekanntlich außerhalb der Komfortzone stattfindet…

      Dein Beispiel mit den Bronzetafeln ist göttlich!

      Ciao,
      Harald

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