Das Bild eines an einer roten Ampel im Stand vor sich hintrabenden Läuflings ist, seien wir ehrlich, ein erbärmliches.
Was aber kann der Läufling tun, wenn er sich nicht zum Gespött machen will? Werfen wir einen Blick auf die Alternativen.
1) Ampel Getrampel
Der Klassiker – und Anlass dieser Übersicht.
Über Jahrzehnte wurde das Ampel Getrampel von führenden Leichtathleten empfohlen, seine Ursprünge werden in jener Zeit vermutet, als man „Dauerlauf“ sagte. Als man noch nicht zwischen Jogging und Running unterschied.
Ein Vorteil des Laufens auf der Stelle ist sicherlich, dass der Puls nicht zu stark absinkt.
Auf der Soll-Seite steht dem entgegen, dass genau diese Form der nicht fortbewegenden Bewegung andernorts als aktive Erholung praktiziert wird. Andernorts bedeutet: der an der Ampel trampelnde Läufling rückt in verdächtige Nähe zu Zumba und Aerobic.
Diese Nähe wiederum ist es, die zur Ächtung des Ampel Getrampels führte.
2) Der stille Stand
Die logische Konsequenz, will der Läufling sozial akzeptiert bleiben: er verharrt. Still. Immobil.
Bei kühler Witterung setzt er sich damit der Gefahr des Auskühlens aus – und letzten Endes sieht das Publikum einen Menschen, der in Laufkleidung an einer Ampel steht. In deutschen Innenstädten wird er sich schnell unkorrekt gekleidet fühlen – nicht nur der sportiven Ausdünstungen wegen das Naserümpfen der Umstehenden ertragen müssen.
Sollte das der Weisheit letzter Schluss sein?
3) Auskeuchen
Besser als beim Stillstand macht es der Läufling, der, die Hände auf den Knien abgestützt, die Ampelpause zum Auskeuchen nutzt. Doch Vorsicht! Das ist nur sinnvoll, wenn vorher schnell genug gerannt wurde. Fehlende Gesichtsröte, ausbleibender Schweiß entlarven schnell den Poser.
Und überhaupt: wer wollte den Rhythmus seines Tempotränings schon von Ampeln bestimmen lassen?
4) Seilhüpfen
Authentischer als Variante 1) wirkt es, wenn der Läufling den erzwungenen Ampelstopp zum Seilhüpfen nutzt. Im Prinzip, könnte man argumentieren, ist dies dem Ampel Getrampel sehr ähnlich, nur wirkt es weniger peinlich. Als erfreulichen Nebeneffekt findet tatsächlich ein alternatives Träning statt. Dieses setzt ausreichend Platz voraus, was in dichten, auf grünes Licht wartenden, Fußgängertrauben schwierig ist.
Natürlich muss man das Seil irgendwie transportieren.
5) Gymnastik
Wer kein Seil mitschleppen möchte, kann immer noch gymnastische Übungen einflechten. Ein paar Dehnübungen, oder eine kleine Dosis Gelenkmobilisation zeigen den Umstehenden: hier meint es jemand ernst.
Die Frage ist nur: welchen sportlichen Nutzen hat solcherlei Tun mitten in der Laufeinheit?
6) Krafttraining
Vom Träningseffekt lässt sich Kraftträning eher vertreten. Viele erfolgreiche Sportler schieben gerne mal ein paar Körpergewichtsübungen ein. Ein paar Klimmzüge, Liegestütze oder Sit-Ups können förderlich sein.
Indes sind am Boden durchgeführte Übungen im urbanen Geläuf aus hygienischen Gründen nicht unbedingt ratsam.
7) Statistik
Sauberer ist dagegen die ohnehin beliebte Läuflingsbeschäftigung namens Statistik. Wenn man eh‘ schon zum Stehen verdonnert ist, kann man geschwind die bisher angefallenen Daten auswerten. Mit Strecke, Kalorienverbrauch, Durchschnittstempo, Maximalpuls lässt sich eine Ampelphase ohne Weiteres füllen.
Aber: Zuviele Ampeln an der Strecke lassen den Sportler die Sinnfrage stellen.
Soll er wirklich alle dreihundert Meter auswerten?
8) Körperpflege
Nutzer anderer Verkehrsmittel – speziell Autofahrer – haben Rotphasen längst als Gelegenheit zur Körperpflege entdeckt. Nase bohren und Lippen nachziehen sind nur zwei von vielen Möglichkeiten.
Dem Läufling bietet sich sogar die Chance, Verdauungsendprodukte zu entsorgen – vielmehr: sie böte sich, denn moderne Ampelanlagen stehen selten einmal in geeigneter Umgebung. Zudem birgt eine zu kurze Schaltung das Risiko, die Grünphase zu verpassen.
Wenn „es“ mal länger dauert…
9) Nahrungsaufnahme
Wer den Warenausgang betrachtet hat, mag sein Augenmerk sogleich auf den Wareneingang richten, denn Essen und Trinken können bequem während der Wartezeit auf „grün“ erledigt werden. Die Sinnhaftigkeit von Ampelphasen als Vesperpause ergibt sich wiederum aus der Anzahl der Ampeln.
Im schlimmsten Fall droht Völlerei – und auf lange Sicht gar Gewichtszunahme.
10) Weiterlaufen
Der große Vorteil des Läuflings, kein Nummernschild zu tragen, führt zum Ignorieren der Ampel als Gegenentwurf zum Stillstand. Wir wollen hier nicht hinterfragen, wie sich derlei Missachtung auf die Psyche einer Ampel auswirkt, allerdings gilt es zu bedenken, dass die Verkehrslage unter Umständen zu ungeplantem Sprintträning zwingen kann.
Letzten Endes bleibt die unschöne Erkenntnis: wie man es macht, macht man’s verkehrt. Der glückliche Läufling ist der mit ampelfreier Strecke.
Hallo Harald,
wieder einmal ein toll geschriebener Artikel. Aufgrund der ländlichen Begebenheiten meines Domizils habe auch ich das Glück Ampeln auf meinen Laufstrecken weitestgehend meiden zu können. Und sollte mir doch mal eine unausweislich im Weg stehen, dann entscheide ich situationsabhängig wie zu verfahren ist. Je nach Trainingsart kommt vielleicht ein schneller Zwischensprint zum Tragen oder dezente Dehnübungen um angehärtete Muskulatur freundlich zum sich-wieder-lockern aufzufordern oder eine kurze Auswertung des bereits hinter mich gebrachten oder… Das Einzige was bei einem Ampelstop für mich tatsächlich wirklich und ernsthaft überhaupt keine Rolle spielt, ist wie ich wohl auf andere wirken mag.
Sollen die Autisten (obwohl – das Wort ist schon anderweitig belegt – na gut, dann nehme ich auch Dein „Autler“) doch denken was sie wollen wenn sie mich an der Ampel herumhüpfen, Schleifchen laufen, dehnen oder auf die Uhr schauen sehen… Solange ich nicht anfange händisch in meinem Geruchsorgan nach ausgefilterten Substanzen zu suchen, ist alle gut. Oder?
Viele liebe Grüße,
Thomas
Hi Thomas,
du hast eine beeindruckendes Verhaltensrepertoire….situationsabhängig sogar! 😉
Und ich stimme dir vollkommen zu, es ist wurscht, wie wir auf andere wirken. „sage mir, was du von mir denkst, und ich sage dir, was du mich kannst“ oder so ähnlich. Wobei die ganze Poserei mancher Leute wahrscheinlich von da herkommt.
Ich würde dich übrigens gern in meine Blogroll aufnehmen – gehe davon aus, dass es ok ist.
Viele Grüße und ein herrliches Wochenende,
Harald
Hallo Harald,
ich fühle mich geehrt!
Viele Grüße,
Thomas
Herrlicher Artikel! Wobei die erste Variante wahrscheinlich der Klassiker ist! Ich selbst bin allerdings ein „glücklicher Läufling“! Nicht, weil es in unserer überschaubaren Stadt keine Ampel gibt, sondern weil ich am Rand derselben wohne und nach einigen Metern sofort in „freier Wildbahn“ unterwegs bin!
Willkommen im Paradies!
Stadt- oder Ortsrand ist für unsereinen die beste Wohnlage. Zu einer Ampel müsste ich bei uns im Ort absichtlich hinlaufen, ich kann mich aber beherrschen. 😉
Ja, auf Ampeln treffe ich vor allem im Winter, weil ich mich vor der Stirnlampe drücke und in die Stadt statt aussenherum laufe.
Ansonsten habe ich 3 Strecken bei denen ich jeweils eine Ampel überwinden muss. Ich habe mich für die Variante „cool an die Ampel gelehnt warten“ entschieden in Kombination mit „die regenerative Energie nutzen um Fahrradfahrer und Fußgänger mit meinem Tempo beeindrucken“ 😉
Interessante Möglichkeit, vor allem das „cool“ 😉 Wird es im Winter nicht zu cool, wenn du an der unbeheizten Ampel lehnst?
Sie Kombi mit dem Tempo danach hat was, das gefällt mir! 😉
Ach ja, Ampel – was ist das ?
Da war doch was !
Wir haben hier vor Ort keine einzige
ich vermisse sie auch nicht
aber ich kenne das natürlich auch
für mich war das immer eine gute Chance, bei Umschalten auf das ersehnte GRÜN, einen perfekten Tribünenschritt über den Zebrastreifen hinzulegen, vorher bei ROT in Gedanken gründlich einstudiert.
Noch eine Möglichkeit beim Ampelwarten wäre das In-der-Nase-Bohren, eine oft lohnende Tätigkeit, die von vielen (wie man häufig sehen kann) im Auto im Rotlicht gründlich erbohrt wird, diese Art, die Wartezeit nicht sinnlos zu verschwenden, erwähntest du leider nicht.
Ach ja, ampellos ist auch schön !! Da kann man während des Laufens überlegen, was man tun könnte, wenn man………………………….. 😉
Du machst mich neugierig: was ist denn ein Tribünenschritt? Meditieren wär‘ übrigens auch noch eine Möglichkeit…..
Nasebohren hab‘ ich erwähnt, das steht bei 8) Körperpflege. Wie hätte ich die Lieblingsbeschäftigung des Autlers vergessen können 😉
Ampelfrei ist wahrlich schön! 🙂
Wie konnte ich das überlesen – ich hoffe, du vergibst mir, aber ich bin immer so gefangen von deiner Wortwahl, du verstehst !! 😉
Tja, den Tribünenschritt lernte ich von einer der ersten Ultraläuferinnen im Land überhaupt, sie war immer auf gute Haltung bedacht, wenn sie bei 10-er Runden (z.B. Deutsche Meisterschaft 100 km!!) im Start- und Zielbereich einlief, soll heißen, du hängst nach ca. 70 – 80 km ziemlich ab, deine Haltung ist nicht mehr die vor dem Start, ABER du reißt dich für kurze Zeit zusammen: Kopf hoch, Brust raus, schreitest im eleganten Läuferschritt durch den Zielbereich, um dann, wenn dich keiner mehr sieht, wieder in den wie ein Kartoffelsack zusammen zu fallen – kennst du das ? Wenn du dich zusammenreißt, vielleicht noch ein Lächeln aufsetzt, um deine körperlichen Schwächen zu verstecken ?
Ich schon !! Mit Erfolg immer wieder praktiziert – manchmal aber geht gar nichts mehr, und dann ist mir auch alles Wurscht ! 🙄
Alles klar ?
Der Charmeur in mir lässt mich nun behaupten, ich hätte das Nasebohren nachträglich eingefügt. Würdest du mir das glauben? O:-)
Tribünenschritt – klasse! Ein treffendes Wort, finde ich. Irgendwie haben wir das doch alle schon praktiziert, und tun es zuweilen immer noch. So eine schöne Vokabel dafür. Ich werde sie in meinen Wortschatz aufnehmen! 🙂
Ja, ich würde es dir abnehmen !! Warum nur ?
Das Wort Tribünenschritt ist geschützt, aber du darfst es benutzen, natürlich nur mit Quellenangabe !
♥Grüße dem Charmeur – wirklich ?
Warum? Scheinbar habe ich tatsächlich Charmegefühl. Hätt‘ ich nicht für möglich gehalten 😀
Ich gestehe, ich tendiere zur Variante 10). Damit auch gleich ein Tempotrainibg eingeschoben, allerdings sind meine Strecken erfreulicherweise ebenfalls weitestgehend Ampelfrei oder die Ampeln zu meiner bevorzugten Laufzeit noch nicht in Betrieb..
Hi Michael,
Dir geht es anscheinend ähnlich gut wie mir: ampelfrei. Die armen Leute, die mitten in der Stadt wohnen.
Wenn ich mal eine Strecke mit Ampeln laufe, greife ich auch zur 10).
morgendliche Grüße,
Harald
Also mich hast Du mit diesem Artikel ganz schön zum Schmunzeln gebracht. Ich schwanke ja zwischen imaginärem Seilhüpfen (nein, ich schleppe kein Seil mit 🙂 ) und still verharren und versuchen nicht aufzufallen 🙂 Oder die Strecke um die Ampeln herum zu planen.
Liebe Grüsse
Ariana
Hi Ariana,
willkommen auf meinem Blog 🙂
Ich lebe in einer Luxuswelt – zumindest haben meine Laufstrecken keine Ampeln. Deine Idee, Ampeln zu vermeiden würde ich mal Königsweg nennen 🙂
Liebe Grüße,
Harald