Es geht!

So verschieden die Läuflinge, so unterschiedlich sind ihre Füße. Sie sind groß oder klein, und ganz breit bis superschmal. Eigentlich sollte es der Schuhbranche selbstverständlich sein, bei gleicher Größe in unterschiedlichen Weiten anzubieten. Eigentlich. Die Lebenserfahrung zeigt stattdessen ein ernüchterndes Bild. Doch ich sehe einen Silberstreif am Horizont.

zappos1So verschieden die Läuflinge, so unterschiedlich sind ihre Füße. Sie sind groß oder klein, und ganz breit bis superschmal.
Gespräche mit anderen Läuflingen legen ein universelles Problem offen: es gibt selten Laufschuhe, die wirklich passen. Wenn dem so ist, dann hauptsächlich deshalb, weil der Fuß zum Schuh passt. Ein Fuß, der dem genormten Verhältnis von Länge und Breite entspricht – wessen Laune wir das auch immer verdanken.

Glück gehabt, kann ich da nur neidlos sagen.

Passende Gene.

Meine Füße sind breit, also bleibt mir die Wahl zwischen Pest und Cholera. Das heißt, die Zehenbox bietet genug Raum, dann sind die Schuhe meistens zu lang. Oder ich lege Wert auf Halt in den Schuhen, und darf mich auf längeren Strecken vom einen oder anderen Zehennagel verabschieden. Nun gut, es sind derer Zehn, da kommt’s nicht auf jeden einzelnen an. Schade ist es trotzdem, besonders für die Nägel. Sie hängen an mir.

Was tun eigentlich Leute mich schmalen Füßen? Stopfen die sich zusammengerollte Socken in die Schuhe?

Manche Marken haben den Ruf, besonders eng zu schustern. Bei anderen heißt es, ihre Schuhe fielen weit aus. Weshalb, frage ich mich, nimmt niemand die Verschiedenartigkeit von Läuflingsfüßen zur Kenntnis?
Hat Prokrustes die Branche gewechselt und baut statt eiserner Betten nunmehr Schuhe? Flugs träume ich von einem modernen Theseus, der Schuhschuster von ihrer eigenen Medizin zu kosten gibt: hundert Kilometer in unpassender Fußbekleidung.

Möget ihr unsere Schmerzen spüren!

Lernet daraus!

Seit Jahren schon will die Gerüchteküche wissen, dass einige Hersteller ihre Produkte in verschiedenen Weiten anbieten. Nur: wo gibt es sie zu kaufen?
Im Laden gab es die allseits bekannte Aussage Hamwanich. Kennichnich. Weissichnich. Bestenfalls könne man mal nachfragen.

Selbst im Internet, sonst ein Born der Kundenfreundlichkeit lassen sich Schuhe nur per Größe ordern. Sogar Amazon und Zalando, scheint die Anatomie menschlicher Füße unbekannt.

Sollten passende also wirklich passende Schuhe nur per Maßfertigung zu bekommen sein?

Oder sind die Gerüchte wahr? Werden eventuell doch verschiedene Breiten hergestellt? Aber wo? Von wem? Gibt es in finsteren Kellern heimliche Werkstätten, wo ergraute Schuhmachermeister in seligem Angedenken an frühere Zeiten die Füße ihrer Kunden im Blick haben? Leisten in vielen Weiten wurden bei Nacht und Nebel von Hand gefertigt, um auf gefahrvollen Pfaden gen Asien geschmuggelt zu werden wo sie seither in einer eisernen Werkzeugkiste verwahrt werden.
Den Schlüssel verwahrt der älteste Meister, der ihn vor seinem Tode mit an den Nachfolger weitergibt. Dabei spricht er die mahnenden Worte:

Leisten, bleib’ bei deinem Schuster.

Ja, das ergibt einen Sinn.

Sind diese besonderen Schuhe nur durch Beziehungen zu bekommen? Herausgeschmuggelt, um auf konspirativen Treffen in Bahnhofstoiletten den Besitzer zu wechseln?
Wenn ich Recht habe, dürfte Beschaffungskriminalität auch in Läuflingskreisen ein Thema sein. Mir fallen Kriegsgeschichten ein. Früher sei man auf Schlachtfeldern umhergegangen, um den Toten die Stiefel von den Füßen zu ziehen. Wundert mich das? Meine Güte, da liegt ein Läufling mit solch magisch passenden Schuhen am Wegesrand…
Regt sich kaum. Mit den Schuhen kann er sowieso nichts mehr anfangen, jedenfalls nicht auf den nächsten zehn Kilometern. Ob er tot ist? Meine Güte, bin ich Arzt?

Mir ist jedenfalls klar: wer eine Quelle für Schuhe in passender Breite kennt, wird sie niemals verraten.

Doch.

Ich tue es.

Jetzt.

Auch auf die Gefahr hin, dass ich dem Schwarzmarkt damit die Lebensgrundlage entziehe, ich mich unter falschem Namen in einer fremden Stadt verstecken, und unter ständiger Bedrohung durch wen auch immer mein künftiges Dasein fristen muss: ich werde nicht länger schweigen.

Zappos.

Bei Zappos lässt uns nicht nur die Größe, sondern auch die Weite auswählen. Leider liefern sie nur in die USA, aber wer jemanden kennt, der von jemandem weiß, der dort eine Adresse (Briefkasten genügt) hat….

Bin ich begeistert? Ja!
Wobei es mir schwerfällt, diese meine Begeisterung im Zusammenhang mit meinem geliebten Kano-Modellzu sehen. Kano, das ist der Mensch, der bei Anforderungen von Kunden unter anderem zwischen Basis- und Begeisterungsfaktoren unterscheidet. Basismerkmale sind für mich selbstverständlich – wie zum Beispiel, dass ein frisch gekauftes Brot frei von Schimmel ist. Begeisterungsaspekte lassen mich jubeln.

Aber der Schuhkauf nach Größe und Weite?
Es ist eine beileibe uralte Erkenntnis, dass menschliche Füße kein konstantes Verhältnis von Länge zu Breite haben. Insofern ist sehe ich es als Basismerkmal an, wenn Hersteller und Handel dem Rechnung tragen. Dessen ungeachtet freue ich mich natürlich, dass Zappos nun als erstes Unternehmen den Tiefschlaf einer ganzen Branche beendet.
Besonders pikant an der Geschichte ist übrigens, dass Zappos seit 2009 Tochter von Amazon ist.

Hallo, Amazon? Aufwachen!

Ich für meinen Teil werde eine Testbestellung bei Zappos platzieren. Test, denn nach einem Leben in der Servicewüste muss ich mich auch erst an den Schuhkauf mit zwei Parametern – Größe und Weite – gewöhnen.

Aber, und das ist das wichtigste: es geht.

Hurra!