Langsam wird mir die Pfalz sympathisch und suspekt zugleich. Sympathisch wegen der geilen Gegend, der netten Menschen und natürlich der Läufe, die man dort veranstaltet. Suspekt ist sie mir, weil sie, vom KUT angefangen bis zum Höllenberg Trail Run, eine arge Obsession zum Thema Hölle hat.
Was Dante Alighieri in seiner Göttlichen Komödie, genauer gesagt im Inferno, schreibt, passt verdächtig gut zum Erleben des gemeinen Läuflings. War er vielleicht kein Italiener, sondern Pfälzer? Oder ein italienischer Trail Runner, der schlicht seine Urlaubserlebnisse aus der Pfalz zu Papier brachte?
Trail Runner war er nicht.
Er sprach italienisch, würde sich daher anders genannt haben.
Was heißt Trail Runner auf italienisch?
Egal, kommen wir zum Lauf.
Wie ich hineinkam, weiß ich nicht zu sagen,
so schlafbefangen war ich zu der Stunde
Der Höllenberg Trail Run findet in der lauschig-romantischen Gemeinde Spirkelberg statt. Romantisch im Tal gelegen, wiegen Fachwerkhäuser den Ankömmling in trügerischer Sicherheit. Wäre da nicht ein Mensch am Mikrofon, dem zwei verdächtige, rote Hörner aus der Stirn wachsen. Sowas sieht man bei Laufveranstaltungen in der Pfalz öfter – gehört das zur Landestracht? Ich bezweifle es. Vielmehr denke ich, und ich weiss, dass meine These bei manchem Leser manchem Leser hervorrufen wird, dass wir es in dieser Region wahrhaftig mit Teufeln zu tun haben. Möglicherweise streiten sie sich um die Vorherrschaft des Oberteufels, bislang scheint das Rennen um die unterste Stufe auf der Karriereleiter noch offen zu sein.
Unterste Stufe?
Freilich, zur Hölle geht’s bekanntlich abwärts, also ist die unterste Stufe jene, auf der der Oberboss (wäre Unterboss besser?) sitzt.
Müde waren wir übrigens alle, was allerdings keine Ausflucht sein soll. Wir alle hatten den Entschluss im Vollbesitz unserer geistigen Kräfte gefasst gehabt.
Doch da ich zu dem Fuß nun eines Hügels
gekommen war an jenes Tales Ende,
das mir mit Furcht das Herz durchschauert hatte,
blickt‘ ich empor und sah der Berge Schultern
Dantes Erinnerung wirkt an dieser Stelle seltsam trübe, denn bis zum Start war in unseren Herzen von Furcht nichts zu spüren, wobei ich vorausschicken möchte, dass ich später zu überhaupt keiner Spürung mehr im Stande war.
Der Begriff Hügel passt übrigens, von Bergen würde ich nun doch nicht sprechen wollen. Da hat sich der Dichter entweder ein wenig künstlerische Freiheit herausgenommen, oder er will nicht zugeben, dass er genauso böse eingegangen ist wie andere. Ich zum Beispiel.
Die zum Rennen pünktlich aus der Unterwelt gelieferten Hügel sind nicht allzu hoch, aber böse. Sehr böse. Und sie treten in Rudeln auf, beim Höllenberg Trail Run sind es derer vier, die sich über die Distanz von zehn Kilometern zu fünfhundertfünfzig Höhenmetern aufsummieren. Und es sind, so taten meine Beine jedenfalls kund, verhältnismäßig große Meter. Nur wenige Menschen wissen, dass ein Meter nicht immer ein Meter ist, besonders in der pfälzischen Hölle werden sie riesig. Nachmessen nutzt übrigens nichts, die wahren Meter fühlt man mit den Beinen.
Landschaftlich ist die Strecke traumhaft geführt, herrliche Trails winden sich in Serpentinen hinauf und hinab. Ebenso winden sich und winseln die Läufer, die auf einer höheren geistigen Ebene doch noch Gelegenheit fanden, den Lauf zu genießen.
Zumindest ging es mir so.
Teilweise.
Meinem linken Fuß war es offenbar langweilig geworden, so dass er sich zum Einschlafen entschloss. Bergauf ist sowas lästig, bergab un- beziehungsweise umfallträchtig. Also setzte ich mich an den Wegesrand, um ihn mit kräftigen Schlägen unsanft zu wecken. Wenn ich schon durch die Hölle gehe, dann bitteschön vollständig.
Kurz darauf, der Mistfuß war wieder in Schlummer versunken, halluzinierte ich.
O hab‘ mit mir Erbarmen,
wer du auch seist, ob wirklich Mensch,
ob Schatten
Kurz vor dem letzten Gipfel drangen „Hölle, Hölle“ Rufe an mein Ohr. Blondgelockte Engel säumten den Wegesrand, welche uns das teuflische Wort zuriefen. Gleich geht’s ein letztes Mal bergab, wieder einer jener herrlichen – Dante würde „göttlich“ geschrieben haben – Single-Trails, die hinabzurennen so großen Spaß machen. Wäre ich dazu fähig gewesen, ich hätte himmelhoch gejauchzt. Stattdessen beschränkte ich mich auf stilles Genießen und freute mich aufs Ziel.
Warum ersteigst du nicht den Wonnehügel
der Grund und Anfang ist von aller Freude?
Genau den Wonnehügel stand in Form einer hölzernen Rampe, gesäumt von zwei Höllenfeuern im Ziel. In der Tat, meine Wonnen hätten größer nicht sein können, als ich einen Becher köstlichen Getränks meine Kehle herunterrinnen ließ.
Eine Sache ist mir bis jetzt noch unklar. Warum findet sich das pfälzische Motto nicht am Eingang der Region? Dass es das nicht tut, habe ich überprüft, nirgends an der Landesgrenze finden sich Schilder, auf denen steht:
Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren
Wo die pfälzischen Sportveranstalter ihre teuflischen Vergnügungen so gerne mit anderen teilen…
Der Satz würde auch die geziemende Reaktion im Kopfe des anreisenden Läuflings auslösen, der sich anschickt, einen dieser zahlreichen unterweltlichen – jedoch überirdisch genussreichen – Läufe zu bestreiten:
Mit dunkler Farbe sah ich diese Worte
Geschrieben an dem Gipfel eines Tores
Und sprach drum: ‚Meister, hart erscheint ihr Sinn mir.‘
Harte Worte, harte Läufe.
Für harte Läufer:
Hier muss man jedes Zweifels sich entschlagen
und jede Feigheit hier ertötet werden.
Geil!
Übrigens: wer Lust bekommen hat, auf dem Weg über die Hölle zu himmlischen Wonnen zu gelangen, hat bei weiteren Läufen des Wasgau Cups Gelegenheit dazu.