{"id":578,"date":"2012-12-05T11:37:10","date_gmt":"2012-12-05T09:37:10","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=578"},"modified":"2012-12-05T11:07:23","modified_gmt":"2012-12-05T09:07:23","slug":"dnp_krieg-um-kuchen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/dnp_krieg-um-kuchen\/","title":{"rendered":"Krieg um Kuchen"},"content":{"rendered":"

Die heftigsten K\u00e4mpfe der Menschheit werden weder um \u00d6l, noch um Land oder Wasser ausgetragen. Nein, am erbittertsten streiten Menschen um – Kuchen. Besonders dann, wenn sie vorher Sport getrieben haben.<\/p>\n

Vor einem Jahr, liebe L\u00e4uflinge, nahm ich an einem jener wundersch\u00f6nen, kleinen Marathons teil, die von einem kleinen Verein in einem kleinen Ort liebevoll organisiert werden. Ein besonderer Reiz solcher L\u00e4ufe ist die reich gef\u00fcllte Kuchentheke, die auf des L\u00e4uflings hungrigen Magen wartet. Selbstgebackene Kuchen!<\/p>\n

Meine Vorfreude auf ein, nein, mindestens zwei leckere St\u00fccke nebst Kaffee steigerte sich im Verlaufe des Laufes derart, dass ich auf den letzten f\u00fcnfzehn Kilometern jedwede Nahrungsaufnahme verweigerte. Ich kann euch sagen, die Aussicht auf Torte lie\u00df mich auf dem Hungerast herrlich schaukeln!
\nDurchs Ziel, flugs geduscht und hinein in die Turnhalle, wo mir die Aussicht auf K\u00f6stlichkeiten das Wasser im Munde zusammen laufen lies.
\nHin zur Kuchentheke, und: nichts. Gerade mal drei zerbr\u00f6selte St\u00fccke Sandkuchen befanden sich noch auf dem ansonsten v\u00f6llig verwaisten Tisch.
\nDann erblickte ich die B\u00fcndel. Hinter den netten Damen am Stand t\u00fcrmten sich Geb\u00e4ckp\u00e4ckchen. „Du h\u00e4ttest heute morgen auch reservieren sollen, das machen viele. Die nehmen sich dann was mit f\u00fcr zuhause.“. F\u00fcr zuhause. Aha. Daheim hocken dann fette Verwandte auf der Couch, um sich meinen Kuchen einzuverleiben. Ja, es ist mein Kuchen, denn ich bin schlie\u00dflich daf\u00fcr gerannt! Verfressenes Pack!<\/p>\n

„Nicht mehr mit mir, Freunde.“ schwor ich mir an jenem Tag. Und begann, an meinem Plan zu arbeiten, der ein Jahr sp\u00e4ter zur Ausf\u00fchrung gelangte. Statt Steffny und Marquardt las ich nunmehr SunZi (die Kunst des Krieges) und Clausewitz (vom Kriege).<\/p>\n

Am Tag X hatte ich mit Schlafsack und Campingliege direkt vor dem Halleneingang \u00fcbernachtet. Das verhalf mir zu einem entscheidenden Vorteil gegen\u00fcber allen, die sich eingebildet hatten, es w\u00fcrde ausreichen, sich um f\u00fcnf Uhr morgens in die Schlange zu stellen. So sicherte ich mir ein erstes Kontingent, indem ich auf das bekannte Angebot, etwas „f\u00fcr sp\u00e4ter“ zur\u00fccklegen zu lassen, zur\u00fcckgriff. Drei St\u00fccke Marmorkuchen, zwei Frankfurter Kranz, zwei Donauwellen und ein Schwarzw\u00e4lder Kirsch, h\u00fcbsch in Alufolie verpackt, bildeten den Grundstock.<\/p>\n

Erfolgreiche Projekte sind immer eine Folge perfekten Timings, und so tr\u00e4nierte ich meinen Leib auf eine Zielzeit von genau 3:45 Stunden. Ungeduscht begab ich mich flugs zur Kuchentheke.
\nSelbstredend hatte ich mich nicht nur auf das Aroma eines ungeduschten L\u00e4uflings verlassen, die Laufklamotten waren in der zweiw\u00f6chigen Taperingphase im Dauereinsatz gewesen. Ohne W\u00e4sche zwischendurch. Von einem biologischen Schutzschirm umgeben, konnte ich mich auf die so erzeugten Ber\u00fchrungs\u00e4ngste meiner Gegner verlassen. Nicht, dass sie das Feld komplett frei gemacht h\u00e4tten. Nein, daf\u00fcr war die abschreckende Wirkung meiner Waffe doch zu gering. Aber, und das war mein Ziel gewesen, einige olfaktorisch Hochbegabte blieben auf Distanz – und ich gewann Spielraum.
\nSofort dr\u00e4ngte ich mich in die vorderste Reihe, wo ich den zaghaften Versuch der Dame neben mir, zwei Tassen Kaffee und einen Muffin zu ordern, mit meiner Bestellung niederschrie. Ohne die Sorten klar zu benennen, wandte ich eine Methode an, die man in \u00e4hnlicher Form vom B\u00f6rsengeschehen her kennt: Hindeuten und die gew\u00fcnschte Menge br\u00fcllen. Drei St\u00fccke Erdbeerkuchen und vier K\u00e4se-Sahne waren mein!
\nAus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich den gierigen Blick eines Mannes, der unverkennbar auf die beiden letzten St\u00fccke russischen Zupfkuchens gerichtet war. Geistesgegenw\u00e4rtig griff ich einen Becher kochendhei\u00dfen Kaffees, denn ich auf seinem Unterarm ausleerte. Sein Schmerzensschrei \u00fcbert\u00f6nte meine dahingemurmelte Entschuldigung – mein gleichzeitiges L\u00e4cheln entwaffnete den Gegner – den Tumult der Ersthelfer nutzte ich aus, um mir den kompletten Rest Zupfkuchen bereitstellen zu lassen. Im gleichen Moment sicherte ich mir durch gezieltes Anhusten den letzten Bienenstich.<\/p>\n

Nat\u00fcrlich bildete ich nur einen kleinen Teil der gro\u00dfen Schlacht am Kuchenbuffet, und f\u00fcr einen unbeteiligten Beobachter muss es faszinierend gewesen sein, wie der Kampf hin- und herwogte. Nein, an der Kuchentheke gibt es weder Freund noch Feind, sondern nur lohnende Ziele.<\/p>\n

Der Abtransport meines Fangs gestaltete sich vergleichsweise einfach, denn ich hatte eine im Rugby bew\u00e4hrte Technik einge\u00fcbt. So bereitete es mir keine Schwierigkeiten, den Kordon grimmig blickender Tortenjunkies zu durchbrechen.<\/p>\n

Daraufhin deponierte ich die Beute im Auto, und g\u00f6nnte mir unter der Dusche eine kleine Pause. Nun galt es, den am Morgen vorbestellten Kuchen abzuholen. Frisch eingekleidet, mit M\u00fctze und sicherheitshalber einem falschen Bart ausgestattet, bahnte ich mir einen Weg durch die st\u00f6hnend am Boden liegenden Verlierer des Kampfes, um das P\u00e4ckchen mit den Worten „ich hatte reserviert“ unter ihren hasserf\u00fcllten Blicken seelenruhig entgegenzunehmen.
\nL\u00e4chelnd stieg ich \u00fcber zertretene Brillen, Pappteller und etwas, das wie ein gebrochenes Bein aussah, w\u00e4hrend ich dem Ausgang entgegensteuerte.<\/p>\n

Hatte ich erz\u00e4hlt, dass ich mich abermals einer leeren Kuchentheke gegen\u00fcber sah? Marathonl\u00e4ufer sind wirklich verfressen!<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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