{"id":572,"date":"2013-01-14T10:44:32","date_gmt":"2013-01-14T09:44:32","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=572"},"modified":"2013-01-11T10:33:15","modified_gmt":"2013-01-11T09:33:15","slug":"uber-die-pflichtausrustung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/uber-die-pflichtausrustung\/","title":{"rendered":"\u00dcber die Pflichtausr\u00fcstung"},"content":{"rendered":"

Pflichtausr\u00fcstung ist bei Ultra-Trails \u00fcblich. Pflichtausr\u00fcstung. Pflicht! Ich kann es auf den Tod nicht leiden, wenn man mir Vorschriften macht. Vor allem dann, wenn die Ausr\u00fcstungsliste (nur) das enth\u00e4lt, was ich sowieso mitnehmen w\u00fcrde. Weshalb muss das denn Pflicht sein? Und dann wird sie auch noch kontrolliert! Das gibt mir ein d\u00e9j\u00e0-vu, schlie\u00dflich war ich beim Bund. Hamse jedient? Jawoll! Und jetzt wollen wildfremde Menschen schon wieder einen Blick in mein Allerheiligstes werfen? Als w\u00fcsste ich nicht selbst, was ich brauche. O warum nur, warum?<\/p>\n

Tja, wieso gibt es diese Pflichtausr\u00fcstung? Ich wortklaube, zerlege das Wort in seine Bestandteile, das hilft mir meist bei der Suche nach Erkenntnis. Ich gr\u00fcbele \u00fcber „Ausr\u00fcstung“. Und \u00fcber die „Pflicht“, sie mitzunehmen. Grobe Pflichtverletzungen werden ja bekanntlich sanktioniert mit Fegefeuer und Startverbot.<\/p>\n

Die Frage, mit der ich mich dem Thema „Ausr\u00fcstung“ ann\u00e4hern will, stelle ich mir im Kontext dieser Situation:
\nIch gedenke, mich im Gebirge sehr, sehr lange zu bewegen. Sagen wir, \u00fcber eine Distanz von hundert Kilometern. Ich werde auch bei Nacht unterwegs sein.<\/p>\n

Was nehme ich mit?<\/p>\n

Mir fallen die Survival-Ratgeber wieder ein, die ich als Teenie verschlungen habe. Gebirge, das heisst, es kann kalt werden, das Wetter kann schnell umschlagen. Ich kann mich verletzen, und muss vielleicht auf Hilfe warten.
\nNein, das ist kein City-Marathon, wo sich im schlimmsten Fall zwanzig Zuschauer um mich k\u00fcmmern. Bei Trails wie dem Ultra Trail du Mont Blanc liegen die Verpflegungsstellen rund zehn Kilometer auseinander, teilweise mehr. Auch wenn Rettung naht: es kann dauern, bis sie nah genug ist.<\/p>\n

Was nehme ich mit?<\/p>\n

Nachts wird es bekanntlich dunkel. Mit leeren Batterien macht die Sache wenig Freude. Noch weniger, wenn der Weg schlecht und holprig ist. Soll in den Bergen ja vorkommen. Also Lampe und Ersatzbatterien.
\nWas haben wir bisher in der Bilanz m\u00f6glicher Unannehmlichkeiten? Schei\u00dfwetter, ziemlich weit weg vom Schuss, Wege bieten die Chance auf Umknkicken, Abst\u00fcrzen, und dergleichen mehr. Ich k\u00f6nnte Hunger haben. Der Abstand zwischen zwei Verpflegungspunkten kann sich ziehen. Und wo ich schonmal dabei bin, gleich ein Erste-Hilfe-Set; das Fu\u00dfplege-Kit ist sowieso dabei.
\nIm Notfall jemanden anrufen, das w\u00e4r’s nat\u00fcrlich! Gesegnet sei der Mobilfunk. Einschlie\u00dflich geeigneter Nummer. Nein, nicht die von Tante Elsa, mit der sich so trefflich plaudern l\u00e4sst. Hoffentlich gibt’s Netz da oben. Und wenn nicht? Trillerpfeife. Man weiss ja nie.<\/p>\n

Ach ja, das Wetter. Soll im Gebirge zickiger sein als jede Tussi. Warme Klamotten wiegen fast nix, und dann noch was gegen Regen.<\/p>\n

Also nochmal: Was nehme ich mit?
\nIn meinen Rucksack packe ich all das, was mir der angewandte gesunde Menschenverstand eingibt. Am Ende steht eine Liste, die sich kaum von dem unterscheidet, was im Reglement unter „Pflichtausr\u00fcstung“ aufgef\u00fchrt ist.<\/p>\n

Von der K\u00fcr gelangen wir zur Pflicht. Wieso sagt man den Teilnehmern nicht, worauf sie sich einlassen, um dann eine Ausr\u00fcstungsempfehlung<\/em> zu geben? Wenn dann jemand meint, er m\u00fcsste unbedingt in kurzen Hosen und Singlet n\u00e4chtens von Pass zu Pass springen, mag er das gerne tun. Auf eigenes Risiko. In dieser Hinsicht bin ich bekennender Darwinist.<\/p>\n

Die Krux scheint mir darin zu liegen, dass Veranstalter von der \u00f6ffentlichen Meinung abh\u00e4ngig sind. Falls etwas passieren sollte, liegt die Schuld nicht bei dem Vollpfosten ohne vern\u00fcnftige Ausr\u00fcstung, sondern wir d\u00fcrften Schlagzeilen erwarten in der Art von „wieder Katastrophe bei einem Berglauf“. Dann kommt unweigerlich jemand darauf, dass „Ultra“ weiter ist als ein Marathon. Und schon der ist ja eine ganz extreme Sache. Mithin ist Ultra per se Wahnsinn. Noch dazu in den Bergen.
\nSchuld hat nat\u00fcrlich wer? Genau, der Veranstalter. Weil er den Teilnehmern keinen beheizten Ruheraum hinterhertr\u00e4gt. Oder weil er zul\u00e4sst, dass diese Wahnsinnigen ihren Wahnsinn betreiben. Und, vor allem, weil er der Veranstalter ist. Auf Eigenverantwortung hinzuweisen, ist ja leider aus der Mode gekommen.<\/p>\n

Ich gebe es ungern, und nur protestierend mit den Z\u00e4hnen knirschend, zu: ich kann den Zwang, bestimmte Dinge mit sich herumzutragen, nachvollziehen. Auch die Kontrollen.
\nNun ist jedes System h\u00f6chstens so gut, wie das System, welches es schl\u00e4gt. Deshalb wird es Leute geben, die viel \u00dcberlegung dareinstecken, wie sie einen Teil ihrer Pflichtausr\u00fcstung zur Nichtausr\u00fcstung machen k\u00f6nnen. Wenn es dann unterwegs kalt und usselig wird, wenn Hunger und K\u00e4lte nagen, wenn gar die k\u00f6rperliche Unversehrtheit gef\u00e4hrdet ist: selbst schuld. Der Veranstalter kann auf sein Reglement verweisen und ist zumindest halbwegs aus dem Schneider.<\/p>\n

Pflichtausr\u00fcstung? Angewandter gesunder Menschenverstand. \u00dcber einzelne Positionen l\u00e4sst sich diskutieren. Die Sache mit dem Zwang aber…
\nIch f\u00fcrchte, der ist nicht f\u00fcr uns L\u00e4uflinge gedacht (auch nicht f\u00fcr die ohne Ausr\u00fcstung). Sondern f\u00fcr die Medien konsumierenden Sportmuffel. Ich h\u00f6re mich wieder knirschen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"