{"id":440,"date":"2012-07-04T17:28:14","date_gmt":"2012-07-04T15:28:14","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=440"},"modified":"2012-07-06T13:48:58","modified_gmt":"2012-07-06T11:48:58","slug":"ultra-ohne-uhr","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/ultra-ohne-uhr\/","title":{"rendered":"Ultra ohne Uhr"},"content":{"rendered":"

\"Zeit-los\"<\/a>
zeit-los Laufen ohne Uhr<\/figcaption><\/figure>W\u00fcrde man einen L\u00e4ufling auffordern, eine „typische“ Handbewegung zu machen, es w\u00fcrde jene kominierte Rotations- und Schwenkbewegung des zumeist linken Armes ausgef\u00fchrt, welche den Blick auf die Uhr kennzeichnet. Ich kenne viele Menschen, die sich k\u00f6stlich \u00fcber den Uhrblick nach der Ziellinie am\u00fcsieren. Gleich nach dem Hochrei\u00dfen der Arme, und stets begleitet von jenem beseelten L\u00e4cheln, das man au\u00dferhalb des Sports allenfalls mit HIlfe von bewusstseinserweiternden Substanzen hinbekommt.
\nBesagter Kontrollblick nach dem Ziel ist nur die Spitze des Eisbergs, denn wir nutzen die tragbaren Kleincomputer bereits w\u00e4hrend des Laufes so ausgiebig, dass ich mich manchmal frage, wann ein Modell herauskommt, das mir den Blick in die Natur \/ auf den Weg komplett „erspart“. Puls, Strecke, gestoppte Zeit, momentane und durchschnittliche Geschwindigkeit, H\u00f6he (aktuell und zur\u00fcckgelegte H\u00f6henmeter), die Strecke als Grafik, das alles will vom menschlichen Gehirn erfasst und \u00fcberwacht werden. Diverse Tr\u00e4ningsprogramme mahnen mich piepsend, wenn es an der Zeit ist, mit dem Tempo rauf oder runter zu gehen. Und mit dem „Virtual Partner“ bin ich nie alleine unterwegs!<\/p>\n

Irgendwann begann ein leiser Zweifel an mir zu nagen. Der Zweifel, ob ich die angebotenen Informationen immer brauche. Muss ich, wenn ich einfach mal ein St\u00fcndchen vor mich hin traben will, wirklich wissen, ob ich dabei 9, 10, oder 11,018 Kilometer zur\u00fcckgelegt habe? Brauche ich Informationen \u00fcber meine Herzfrequenz, wenn ich gar nicht vorhabe, in einem definierten Pulsbereich zu bleiben? Und so wagte ich mich zaghaft an die ersten Laufeinheiten ohne Uhr. Ganz ohne Uhr. Keine Zeit, kein Puls, nichts. Wahrlich, anfangs befiel mich beim Blick auf mein nacktes, leeres Handgelenk eine innere Unruhe. Irgendwann hatte ich mich jedoch dran gew\u00f6hnt, so dass ich den Handgelenkscomputer nunmehr nur noch einsetze, wenn ich die Informationen auch wirklich nutzen will. Ja, das gilt auch f\u00fcr die Streckenl\u00e4nge, seit ich mich von der Kilometersammelei verabschiedet habe: Mein Haus. Mein Boot. Meine Wochenkilometer.<\/a> <\/p>\n

Alsbald f\u00fchlte ich mich reif, das uhrenlose Laufen im gro\u00dfen Rahmen, gar im Wettkampf, durchzuf\u00fchren. Beim Keufelskopf Ultratrail lies mich die Angst vor der eigenen Courage kurz vor dem Start noch einen R\u00fcckzieher machen. Weshalb nur? Welchen Halt h\u00e4tte mir die Uhr geben k\u00f6nnen? Ein Beispiel, das illustriert, welch eigent\u00fcmliche Bl\u00fcten eine als solche empfundene psychische Abh\u00e4ngigkeit treiben kann. Ich schob meinen Selbstversuch daher auf, nicht ohne mich \u00fcber mich selbst und \u00fcber meine Feigheit zu \u00e4rgern. Wenn ich schon zun\u00e4chst kalte F\u00fc\u00dfe bekommen hatte, wollte ich es mir gleich bei einem anspruchsvollen Ultra zeigen: vier Wochen sp\u00e4ter, beim Zugspitz Ultratrail. So glasklar der Entschluss war, so frei blieb ich von jeglichem unguten Gef\u00fchl (huch, ohne Uhr?). Beim Zugspitz Ultra findet es statt, das zeit-lose Experiment.<\/p>\n

Wie war es f\u00fcr mich?
\nSch\u00f6n war’s! Zu keiner Zeit habe ich irgendwas vermisst, im Gegenteil: mein Kopf war frei, ich konnte mich, ganz wie geplant, auf den Lauf konzentrieren, habe mich ausschlie\u00dflich auf mein K\u00f6rpergef\u00fchl verlassen. Dazu fielen zwei m\u00f6gliche Aspekte komplett weg: einerseits der selbsterzeugte Druck, der durch das Schielen auf die Cutoffzeiten bzw. den erst gr\u00f6\u00dfer, dann eventuell kleiner werdenden Puffer entsteht: „was? nur noch 110 Minuten Puffer? Bei der letzten VP waren es noch 122 Minuten“. Andererseits die gem\u00fctliche Aussicht auf eben jenen Puffer: „sch\u00f6n, zwei Stunden Zeitguthaben, da kann ich mir Zeit lassen.“ Weder das Eine, noch das Andere: einfach nur laufen!<\/p>\n

Es war vollkommen problemlos, wobei ich mich frage, welche Probleme denn h\u00e4tten auftreten k\u00f6nnen. Anders ausgedr\u00fcckt: welche Informationen, die mir Garmin oder eine andere Uhr bieten, h\u00e4tte mir durch ihr Fehlen denn Schwierigkeiten bereiten k\u00f6nnen?
\n– Puls? Ich lief ausschlie\u00dflich nach K\u00f6rpergef\u00fchl. Dass der Puls bergauf, in gr\u00f6\u00dferen H\u00f6hen oder wann auch immer etwas ansteigt, merke ich auch so. Ich muss das nicht numerisch haben.
\n– Strecke? Ist ausreichend markiert, also auch nicht notwendig.
\n– Zeit? Ich sah die Cutoff-Zeiten nicht als Problem an, ebensowenig bin ich schnell genug, als dass Best- und sonstige Zeiten f\u00fcr mich relevant w\u00e4ren.<\/p>\n

Fazit.
\nPolar, Garmin & Co bieten uns Breitensportlern M\u00f6glichkeiten, von denen noch vor zehn Jahren keiner getr\u00e4umt hat. Ich wechsle die Perspektive, indem ich, statt „irgendwas“ mit den gelieferten Daten zu tun, die Frage stelle: Welche Informationen will ich nutzen?
\nGenau die sind es, die ich gezielt abfrage. Ist der Kontext ein anderer, lasse ich die Uhr weg, um befreit zu laufen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

W\u00fcrde man einen L\u00e4ufling auffordern, eine „typische“ Handbewegung zu machen, es w\u00fcrde jene kominierte Rotations- und Schwenkbewegung des zumeist linken Armes ausgef\u00fchrt, welche den Blick auf die Uhr kennzeichnet. Ich kenne viele Menschen, die sich k\u00f6stlich \u00fcber den Uhrblick nach der Ziellinie am\u00fcsieren. Gleich nach dem Hochrei\u00dfen der Arme, und stets begleitet von jenem beseelten … \u201eUltra ohne Uhr\u201c<\/span> weiterlesen<\/a><\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1,3],"tags":[61],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/440"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=440"}],"version-history":[{"count":12,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/440\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":489,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/440\/revisions\/489"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=440"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=440"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=440"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}