{"id":4264,"date":"2021-12-05T23:06:19","date_gmt":"2021-12-05T21:06:19","guid":{"rendered":"https:\/\/das-lauferei.de\/?p=4264"},"modified":"2021-12-07T23:02:34","modified_gmt":"2021-12-07T21:02:34","slug":"ein-rad","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/ein-rad\/","title":{"rendered":"Ein Rad"},"content":{"rendered":"\n
Sp\u00e4t, aber deutlich bin ich auf den Geschmack gekommen, mich mit nur einem einzelnen Rad unter dem Podex fortzubewegen. Nicht, dass ich es k\u00f6nnte, das Fahren mit dem Einrad, jedoch lerne ich mit flacher, doch steigender Kurve.\nIch bin begeistert und fasziniert zugleich.<\/pre>\n\n\n\n
Fasziniert ist hier ein Begriff aus meiner pers\u00f6nlichen Historie, denn ich hatte mir vor locker zwanzig Jahren mal ein Einrad (nein, ich stottere nicht!) zugelegt, auf dem ich ab und an mal sa\u00df, bis es nach leider allzu kurzer Zeit im Keller verschwand. Die Faszination hatte sich als Strohfeuer entpuppt, aus \"w\u00e4re cool, das zu k\u00f6nnen\" wird nur selten \"ich will es lernen\", was bekanntlich \u00dcben, \u00dcben, \u00dcben und Dranbleiben erfordert. Man kennt das.\nAber offenkundig schwelte der Gedanke unbewusst weiter in meinem Hirn, um vor etwa zwei Jahren wieder zu lodern. Den z\u00fcndenden Funken, vielmehr die notwendige Sauerstoffdusche gab es durch das Stichwort \"Muni\", welches die Abk\u00fcrzung von Mountain Unicycle darstellt.<\/pre>\n\n\n\n
Mountain Unicycle.<\/pre>\n\n\n\n
Es bezeichnet exakt das, was ihr euch darunter vorstellt.<\/pre>\n\n\n\n
Und ich habe exakt das gedacht, was ihr gerade denkt: Geil! Meine Begeisterung stieg weiter, als ich ein paar Videos auf YouTube dazu sah, unter anderem von einem \u00fcberaus fitten Mittsechziger, der mit den Dingern abgefahren Abfahrten abf\u00e4hrt.<\/pre>\n\n\n\n
Ich! Will! Es! Lernen!<\/pre>\n\n\n\n
Nix Strohfeuer, Glut erhitzte mich. Flugs kramte ich das alte Einrad hervor, welches ich nach ein paar Wochen durch ein - nein, kein Muni - normales, aber besseres Einrad ersetzte.\nWarum nicht gleich ein Muni? Wegen crawl, walk, run<\/em>, wie es so sch\u00f6n hei\u00dft. Vor dem elegant, dynamischen Heizen \u00fcber Stock und Stein schien es mir angebracht, zun\u00e4chst die einfache Vorw\u00e4rtsbewegung mit einem Einrad zu beherrschen.\nIch beschloss, dass ich mir ein Muni als Belohnung kaufen darf, wenn ich mit meinem Einrad spazieren fahren kann. Gerne auch auf Schotterwegen, aber eben routiniert.<\/pre>\n\n\n\n
Es begann die Lernerei.<\/pre>\n\n\n\n
Durch Videos informiert, hangelte ich mich an Hauswand und Zaun entlang, \u00fcbte das freih\u00e4ndige Fahren, wobei ich mich \u00fcber die ersten zwei, drei Meter wie ein Schneek\u00f6nig freute. Aktuell steht mein Rekord bei zehn, zw\u00f6lf Metern, und ich kann euch sagen: Nachdem mir das gelungen war, ging an diesem Tag nichts mehr; ich war viel zu euphorisch, um mich noch konzentrieren zu k\u00f6nnen.<\/pre>\n\n\n\n
Moment mal: Hatte ich oben von zwei Jahren geschrieben?<\/pre>\n\n\n\n
Ja. Wie gesagt, ist meine Lernkurve flach.<\/pre>\n\n\n\n
Allerdings m\u00f6chte ich differenzieren, und vielleicht ein anderes Wort vorschlagen: \"Erfolgskurve\". Wahrscheinlich, sogar gewiss, kann man schneller zu l\u00e4ngeren Strecken, zum Ziel des Spazierenfahrens, kommen. Gelernt habe ich dennoch, und zwar viel und schmerzhaft.\nEine Reihe von Fehlern konnte ich durch Selbstbeobachtung (\"Was genau tue ich, bevor ich auf diese<\/em> Weise zum Absteigen gezwungen werde?\") erkennen und abstellen, wof\u00fcr ich mir auf die Schulter klopfe.\nAuch ein ziemlich \u00fcbler Sturz in diesem Fr\u00fchjahr (stark geprelltes Handgelenk, am Tennisellenbogen werde ich noch l\u00e4nger laborieren) lie\u00df mich nicht nur Handschuhe mit Handgelenksschutz kaufen, vor allem hatte ich mir selbst eine Regression verordnet:<\/pre>\n\n\n\n
Ich versuche nicht, egal wie, die zur\u00fcckgelegte Strecke zu verl\u00e4ngern, sondern mein Fokus liegt auf der Kontrolle \u00fcber die Situation. Auch wenn ich absteigen muss, will ich das kontrolliert tun.\nMeine \"Rekordstrecken\" gelangen mir \u00fcbrigens nach<\/em> der Regression.<\/pre>\n\n\n\n
Was fasziniert mich daran?<\/pre>\n\n\n\n
Wenn ich reflektiere, so tritt der Wunsch, irgendwann mit dem Einrad, sp\u00e4ter mit einem Muni im Ort oder Wald unterwegs zu sein, in den Hintergrund. \nIch m\u00f6chte aber drei Punkte hervorheben, die mir bewusst sind.<\/pre>\n\n\n\n
Bewegung lernen.\nDadurch, dass das Einrad um zwei Achsen kippt, ist die Anforderung an die Bewegungsqualit\u00e4t und -kontrolle enorm hoch. Und dabei denke ich noch nicht mal an Tricks! Der Leib muss diese Bewegungsformen lernen, sie sich einverleiben<\/em>, womit auch der Bogen zum philosophischen Thema geschlagen ist, mit dem ich mich derzeit befasse (Einstieg: Maurice Merleau-Ponty, Ph\u00e4nomenologie der Wahrnehmung<\/em>). Wobei die Br\u00fccke zur Philosophie ein sch\u00f6ner, aber nicht der haupts\u00e4chliche Aspekt ist. Ich bin einfach begeistert vom Technik lernen, vom Herausbilden neuer motorischer F\u00e4higkeiten.\nIch find's geil!<\/pre>\n\n\n\n
Fokus.\nDas Einrad verzeiht keine Unkonzentriertheit. Wenn ich andere Gedanken im Kopf habe, zum Beispiel vom Job, wenn ich mich in der Mittagspause mal schnell eine Viertelstunde auf das Einradl setze, bekomme ich sofort und deutlich Feedback: Die Session l\u00e4uft schei\u00dfe. \nFokus ist gefragt. Oft l\u00e4chle ich - und diesen Seitenhieb g\u00f6nne ich mir - in mich hinein, wenn ich an Aussagen denke in der Art von \"dort fahre ich gerne Auto, denn da kann ich sch\u00f6n entspannen\". Beim Autofahren nicht aufpassen zu wollen, scheint mir eine reichlich bizarre Einstellung zu sein. Die Zerstreutheit vieler Leute nicht nur im Stra\u00dfenverkehr, sondern auch zu Fu\u00df oder mit dem Fahrrad im Wald, l\u00e4sst mich vom Einrad tr\u00e4umen:\nKeine Chance, unkonzentriert zu sein.\nNat\u00fcrlich wird irgendwann der Punkt erreicht sein, an dem die Gedanken schweifen k\u00f6nnen. Dann lege ich mir die Messlatte h\u00f6her, indem ich Tricks lerne.<\/pre>\n\n\n\n
Entspannung.\nEin Effekt des Fokus, den wir gerne auch unter dem Stichwort \"Achtsamkeit\" subsumieren k\u00f6nnen. Genau eine Sache im Kopf zu haben macht ihn frei und l\u00e4sst uns entspannen. Die Viertelstunde, die meine Einheiten \u00fcblicherweise dauern, gen\u00fcgen mir, um mich pudelwohl zu f\u00fchlen.\n\u00dcbrigens reicht mir die Viertelstunde auch deshalb, weil's mein zentrales Nervensystem ziemlich fordert. Anschlie\u00dfend brauche ich eine Pause.<\/pre>\n\n\n\n
Ihr seht also, dass ich dranbleibe und ungeachtet einer flachen Lernkurve viel Spa\u00df am Einradfahren habe.<\/pre>\n\n\n\n
Einradfahren<\/em>?<\/pre>\n\n\n\n
Na gut, ich falle, nein: ich fiel vom Einrad, aktuell steige ich nach immer noch recht kurzer Strecke von ihm. Juckt mich aber nicht, meinen Spa\u00df habe ich. \nUnd die Vorfreude auf das Muni, mit dem ich mich belohne, ist mir ein eigener Genuss.<\/pre>\n\n\n\n

anhang<\/h4>\n\n\n\n
Buch\nMaurice Merleau-Ponty: Ph\u00e4nomenologie der Wahrnehmung, De Gruyter; 1966. (Photomechanischer Nachdr. 1974). Edition (1. Januar 2011)\n\nYoutube\nTerry Patterson https:\/\/www.youtube.com\/c\/TerryUniGeezerPeterson\nLernvideos, supergeil! https:\/\/www.youtube.com\/watch?v=rWUoIv1ftXc&list=PL-cykddDwi53A0l5YuAIzl0sLa4y5eED_\n\n...und der Einradladen meines Vertrauens\nhttps:\/\/www.einradladen.com\/<\/pre>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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