{"id":4191,"date":"2020-10-18T15:07:17","date_gmt":"2020-10-18T13:07:17","guid":{"rendered":"https:\/\/das-lauferei.de\/?p=4191"},"modified":"2020-10-18T15:13:43","modified_gmt":"2020-10-18T13:13:43","slug":"die-widerlichen-kleinen-dinger","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/die-widerlichen-kleinen-dinger\/","title":{"rendered":"Die widerlichen kleinen Dinger"},"content":{"rendered":"\n
Was ein leidlich routinierter L\u00e4ufer ist, wird so schnell nicht zu Fall gebracht. Welche Fallstricke die Strecke auch bereithalten mag, seien es Steine, Schnee, Eis oder Wurzeln - normalerweise wird nach elegantem Ausgleichsschritt oder kurzem T\u00e4nzeln weitergerannt. Schlie\u00dflich wei\u00df der gemeine L\u00e4ufling um die Vorz\u00fcge kurzer Bodenkontaktzeiten - womit ich den Kontakt der Sohlen zum Boden meine, nicht dass wir uns hier falsch verstehen. Es geht nicht darum, nach einem Sturz rasch wieder aufzustehen. Denn der findet nicht statt, der Sturz.<\/pre>\n\n\n\n
Es k\u00f6nnte daher alles eitel Sonnenschein sein, das Laufen ein einziges Schweben \u00fcber Stock, Stein, Asphalt und was sonst noch unter uns nach hinten wegfliegt, w\u00e4ren da nicht diese widerlichen kleinen Dinger<\/em>, deren perfider Einfluss auf des L\u00e4uflings Genuss sich pl\u00f6tzlich, unerwartet und vor allen Dingen unrettbar zeigt.\n\nWas ist es, das ich meine?\n\nStellen wir uns vor, wie wir von Endorphinen befl\u00fcgelt, innerlich und \u00e4u\u00dferlich l\u00e4chelnd, einen wundersch\u00f6nen Waldweg entlangrennen. Das Laub rauscht, wir sind berauscht oder auch nicht, links ein Baum, rechts ein Baum, in der Mitte Zwischenraum, gerade recht f\u00fcr ein L\u00e4uflein. Wurzeln lassen uns grinsen und springen, hie und da versucht ein Zweiglein unsere Fesseln zu fesseln; ein Ansinnen, welches wir ebenso gekonnt wie unbeeindruckt kontern.<\/pre>\n\n\n\n
Bautz!<\/pre>\n\n\n\n
Wir liegen auf dem Bauch.<\/pre>\n\n\n\n
Nachdem wir uns aufgerappelt und den Routinecheck m\u00f6glicher Blessuren durchgef\u00fchrt haben - lassen sich alle Gelenke noch bewegen? Ist ein weiteres Gelenk hinzugekommen, welches dort, wo sich eine Extremit\u00e4t bewegen l\u00e4sst, vorher nicht da war? Flie\u00dft Blut, und dies in Mengen, die am Weiterlaufen hindern? - blicken wir umher, um am Boden das zu entdecken, was zu finden wir bereits erwartet haben: Ein widerliches kleines Ding<\/em>.<\/pre>\n\n\n\n
Widerliche kleine Dinger<\/em> kommen ausschlie\u00dflich in wald- oder buschreichen Gefilden vor, sie existieren im Boden und knapp dar\u00fcber, wobei sie sich auch dem ge\u00fcbten Auge durch geringe Gr\u00f6\u00dfe und Tarnfarbe entziehen. Genau das macht sie so gef\u00e4hrlich. Etwas mehr Gr\u00f6\u00dfe, und sie w\u00e4ren gut zu erkennen, etwas weniger, und wir w\u00fcrden sie nicht bemerken. Bemerken im Sinne des Sturzes, der durch den allzu unerfreulichen Kontakt einer Fu\u00dfspitze mit einem widerlichen kleinen Ding<\/em> ausgel\u00f6st wird. Mein geistiges Ohr meldet mir die mahnende Stimme, die ausreichenden Kniehub empfiehlt, indes haben die widerlichen kleinen Dinger<\/em> diesen nat\u00fcrlich ber\u00fccksichtigt. Kniehub hilft nicht, es sei denn, man wollte sich zwei Stunden lang mit Skippings oder im Hopserlauf fortbewegen. Ihre geringe, und doch wirkungsvolle Gr\u00f6\u00dfe ist es, die widerliche kleine Dinger<\/em> zu widerlichen kleinen Dingern<\/em> macht.<\/pre>\n\n\n\n
Allerdings ist sie es nicht alleine, denn bei aller Kleinheit sind widerliche kleine Dinger<\/em> ausgesprochen kr\u00e4ftig. Nicht wie ein Baum oder Fels, o nein, aber doch stark genug, um einen sich im Lauf nach vorne bewegenden Fu\u00df am Fortschritt eben jener Bewegung zu hindern. Wir kennen das von Laufseminaren, oder schlicht aus unserer eigenen Erfahrung, die wir hier kurz analysieren: Laufen besteht darin, dass wir einen Fu\u00df vor den anderen setzen. Im Gegensatz zum Gehen ber\u00fchrt dabei nur ein Fu\u00df den Boden, wobei sich nach der Abdr\u00fcckphase die so genannte Flugphase anschlie\u00dft, in der beide F\u00fc\u00dfe in der Luft sind. Einen davon, logischerweise jenen, der beim letzten Schritt, der ja eigentlich ein Sprung ist, hinten war, bringen wir in dieser Phase nach vorne. Und in genau diesem Moment h\u00f6chster Bewegungslust, in dem wir die Distanz sprichw\u00f6rtlich wie im Fluge zur\u00fccklegen, schl\u00e4gt das widerliche kleine Ding<\/em> zu. Es h\u00e4lt die Fu\u00dfspitze fest, und der restliche Leib, bei aller Dynamik dem Tr\u00e4gheitsgesetz folgend, dr\u00e4ngt nach vorne, und, der gewohnten St\u00fctze just dieses Fu\u00dfes verlustig geworden, nach unten.<\/pre>\n\n\n\n
Bautz!<\/pre>\n\n\n\n
Wir liegen auf dem Bauch.<\/pre>\n\n\n\n
Wobei ich anmerken muss, dass widerliche kleine Dinger<\/em> letztendlich aus guter Absicht entstandenes Menschenwerk sind. Es handelt sich um Reste abgeschnittenen Strauchwerkes, die etwa fingerlang und genauso dick aus dem Boden ragen. Ich komme nicht umhin, in widerlichen kleinen Dingern<\/em> Mittelfinger zu sehen, die die Natur dem gemeinen L\u00e4ufling entgegenreckt.<\/pre>\n\n\n\n
W\u00e4re ich Wald, ich w\u00fcrde jedes Mal h\u00e4misch kichern, wenn es wieder mal einen auf's Maul haut.<\/pre>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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