{"id":4157,"date":"2020-09-30T14:08:23","date_gmt":"2020-09-30T12:08:23","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=4157"},"modified":"2020-10-07T21:46:52","modified_gmt":"2020-10-07T19:46:52","slug":"will-ich-vom-wollen-wuenschen-und-waere-ganz-nett","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/will-ich-vom-wollen-wuenschen-und-waere-ganz-nett\/","title":{"rendered":"Will ich? Vom Wollen, W\u00fcnschen und „w\u00e4re ganz nett“."},"content":{"rendered":"\n

Allem Anschein nach wollen wir viel: Abnehmen zum Beispiel oder einen Marathon laufen. Vielleicht auch Kinder, einen Auftrag an Land ziehen, ges\u00fcnder leben oder uns ganz profan mit jemandem auf einen Kaffee treffen. Vom Rauchen aufh\u00f6ren will ich gar nicht erst anfangen. Fassen wir dann jeden dieser und anderer Gedanken als erkl\u00e4rten Willen auf und vergleichen mit dem, was wir davon umgesetzt haben, ist die so erhaltene Bilanz eine ern\u00fcchternde.<\/p>\n\n\n\n

Wie kommt\u2018s?<\/p>\n\n\n\n

Ich befasse mich in diesem Artikel nicht mit Fragen von Zielsetzung und Zielbindung, auch Motivationslehren bleiben au\u00dfen vor. Stattdessen lade ich euch ein, mir beim Sinnieren \u00fcber das, was jeder von uns meinen k\u00f6nnte, wenn er vom \u201eWollen\u201c spricht, und welche Folgerung wir daraus ziehen k\u00f6nnen, \u00fcber die Schulter zu schauen. \u00dcbrigens bleibt auch die Frage unbetrachtet, ob und wie frei unser Wille ist. Dies w\u00fcrde den Rahmen sowohl dieses Beitrages als auch meines Wissens sprengen.<\/p>\n\n\n\n

Ich erinnere zum Einstieg an den sch\u00f6nen Ausspruch.<\/p>\n\n\n\n

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Spitzfindigkeiten in der Art von \u201eAch, ich will fliegen\u201c oder \u201eich will unsterblich sein, den Nobelpreis und gleichzeitig \u00fcbermorgen virtuos Geige spielen\u201c und schon ist klar, dass sich nach ausreichend langer Suche ein Weg finden lie\u00dfe, vergessen wir ganz schnell. Es sollte schon klar sein, wie das Obige gemeint ist.<\/p>\n\n\n\n

Die Pointe ist, soviel verrate ich jetzt schon, das, was wir unter dem Begriff Wille<\/em> verstehen. Ich ziehe ihn hier bewusst eng.<\/p>\n\n\n\n

Na klar, sehr gerne!<\/h4>\n\n\n\n

Wir richten unseren Blick zun\u00e4chst nach au\u00dfen, wo es um uns selbst und andere geht. Wir alle kennen das: Menschen, mit denen wir uns gut genug verstehen, so dass man gemeinsame Aktivit\u00e4ten erw\u00e4gt.<\/p>\n\n\n\n

Hast du Lust, mal ins Kino zu gehen?<\/em><\/p>\n\n\n\n

Wir k\u00f6nnen zusammen ins Schwimmbad.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Wie w\u00e4r\u2018s mit gemeinsam Kochen?<\/em><\/p>\n\n\n\n

Das gibt es in varierender Konkretheit (also mit festem Termin oder eher vage im Sinne von \u201ewir k\u00f6nnten ja mal\u201c) und Themenvielfalt. Jeder der Beteiligten freut sich \u2013 doch es klappt nicht.<\/p>\n\n\n\n

Wir d\u00fcrfen unterstellen, dass das geh\u00f6rte \u201eKlar, sehr gerne\u201c zum Zeitpunkt des \u201eHey, willst du mich auf einer Fahrradtour begleiten\u201c ernst gemeint ist. Wenn dann auch nach mehrmaligem Nachfragen oder etlichen Ans\u00e4tzen auf beiden Seiten nichts passiert, steigt dennoch – oder vielleicht sogar genau deswegen – die Frustration.<\/p>\n\n\n\n

Nun wissen wir, dass jedem Menschen an jedem Tag vierundzwanzig Stunden zur Verf\u00fcgung stehen, weshalb uns nur die Schlussfolgerung bleibt, dass wir in der Priorit\u00e4tenliste des Gegen\u00fcber nicht dort stehen, wo wir stehen m\u00fcssten, damit ein solcher Termin zustande kommt.<\/p>\n\n\n\n

Wir m\u00fcssen jedoch keineswegs den Stab \u00fcber den B\u00f6sewicht brechen, der uns hinterh\u00e4ltig leere Versprechungen macht, ganz sicher nicht. Im Gegenteil sollten wir uns fragen, wann (nicht ob, sondern wann!) wir es genauso machen.<\/p>\n\n\n\n

Der Wille eines Menschen zeigt sich in seinem Handeln.<\/p>\n\n\n\n

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Es wird \u2013 f\u00fcr uns \u2013 kein Weg gefunden<\/em><\/p>\n\n\n\n

Also ist kein Wille da.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Wer sich f\u00fcr einfache Aussagenlogik interessiert, der findet diesen Schluss unter dem Namen modus tollens<\/em>. Einfach erkl\u00e4rt, besagt er, dass es bei einer Implikation (das ist der erste Satz „wenn a, dann b“) nienicht vorkommen kann, dass die Konklusion (der zweite Teil, also b) nicht eintritt, obwohl die Pr\u00e4misse (der erste Teil – a – erf\u00fcllt ist).<\/p>\n\n\n\n

Zur\u00fcck zum Thema und dazu, was das f\u00fcr uns bedeutet. Wir m\u00fcssen eine bittere Pille schlucken, welche da hei\u00dft: Der Wille fehlt.<\/p>\n\n\n\n

Diese Pille klemmen wir uns jetzt unter den Arm, um mit ihr die Perspektive zu wechseln. Nachdem wir bis hierhin den Blick nach au\u00dfen, auf das Verhalten anderer gerichtet haben, wenden wir uns nun uns selbst zu.<\/p>\n\n\n\n

Ich will<\/h4>\n\n\n\n

Reflexion kann ein Arschloch sein, denn wir k\u00f6nnen nicht mit dem Finger auf einen anderen Menschen zeigen. Der Andere, das sind wir selbst. <\/p>\n\n\n\n

Wie gesagt, hat jeder von uns an jedem Tag vierundzwanzig Stunden zur freien Verf\u00fcgung. Haltet euren Protest „Neiin, da muss dies und jenes, au\u00dferdem muss ich das und soll au\u00dferdem!<\/em>“ kurz zur\u00fcck, hier liegt n\u00e4mlich der Knackpunkt verborgen. Hier und in den Entscheidungen, die wir treffen, um aus allen M\u00f6glichkeiten eine Auswahl – Priorisierung! – zu treffen. Damit die Geschichte nicht zu komplex wird (zu komplex f\u00fcr mich, sonst m\u00fcsste ich viel mehr denken, noch mehr schreiben und ich bin nunmal eine faule Sau), treffe ich ein paar Annahmen:<\/p>\n\n\n\n

Es z\u00e4hlen nur Entscheidungen, die ich selbst treffen kann. F\u00fcr die Kinderfrage braucht es einen Partner \/ eine Partnerin, die erstens vorhanden sein und zweitens zustimmen muss.<\/p>\n\n\n\n

Und wir nehmen uns bin\u00e4re Entscheidungen, also solche, bei denen es um ja oder nein, Hopp oder Topp geht. Wobei ich gdleich noch darauf komme, dass sich die meisten der Entscheidungen, um die es hier geht, auf bin\u00e4re Entscheidungen zur\u00fcckf\u00fchren lassen.<\/p>\n\n\n\n

Vierundzwanzig Stunden.<\/p>\n\n\n\n

An jedem Tag.<\/p>\n\n\n\n

Ich will – will ich wirklich? – einen Marathon laufen. Das hei\u00dft, ich muss daf\u00fcr trainieren, und eine jede Trainingseinheit bringt mich in eine Entscheidungssituation: Training steht f\u00fcr den Abend auf dem Programm. Dann ruft ein Kunde an, der Nachbar steht an der T\u00fcr, es hat f\u00fcnfunddrei\u00dfig Grad drau\u00dfen und das Kind schreit.<\/p>\n\n\n\n

Wof\u00fcr entscheide ich mich?<\/p>\n\n\n\n

Das ist eine Frage der Priorisierung. Es geht nur eine Aktivit\u00e4t, und weil unsere Zeit begrenzt ist, m\u00fcssen wir ausw\u00e4hlen. Wie wichtig ist mir das Training im Vergleich zum Kind, zum Plausch mit dem Nachbarn und meinem eigenen inneren Schweinehund?<\/p>\n\n\n\n

Steht das achtj\u00e4hrige Kind, soeben mit dem Fahrrad gest\u00fcrzt, aus der Nase blutend und mit gebrochenem Arm weinend herum, werden nur besonders „willensstarke“ Menschen sagen: „Du wei\u00dft doch, dass heute mein langer Lauf auf dem Trainingsplan steht. Die Kurzwahl des \u00e4rztlichen Notdienstes kennst du, ich bin in zwei Stunden wieder da.“. Schlie\u00dflich kann man den B\u00e4lgern nicht fr\u00fch genug zeigen, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist. Und \u00fcberhaupt, irgendwoher – ich betone rein genderm\u00e4\u00dfig gilt das f\u00fcr alle! – m\u00fcssen die lederz\u00e4hen kruppstahlharten Leute schlie\u00dflich kommen.<\/p>\n\n\n\n

Wobei ich da jemanden kenne, der ich zutraue, dass sie sich die Wartezeit auf das Erscheinen des Arztes durch Liegest\u00fctze verk\u00fcrzt. Mit Armbruch, wohlgemerkt.<\/p>\n\n\n\n

Eine Entscheidung muss getroffen werden, und sie ist bin\u00e4r, denn die Entscheidung f\u00fcr<\/em> eine<\/em> dieser Alternativen ist zugleich eine Entscheidung gegen<\/em> alle<\/em> anderen. Daraus ergeben sich zwei Forderungen an uns (konkret nat\u00fcrlich auch an mich selbst): Ich mache mir diesen Zusammenhang bewusst und ich lerne, Nein<\/em> zu sagen.<\/p>\n\n\n\n

Der strategische Fokus, Ja und unser Wille<\/h4>\n\n\n\n

Was ich unter dem strategischen Fokus verstehe, ist schnell erkl\u00e4rt. Er ist das, was ich sehen will wenn ich mir vorstelle, wenn ich „im Alter“ zur\u00fcckblicke. Im Grunde genommen ein l\u00e4ngerfristiges Ziel. Will ich mit einem Menschen alt werden, kann ich \u00fcber Macken hinwegsehen, aktuelle Probleme l\u00f6sen. Will ich das gemacht haben, was man gemeinhin unter „Karriere“ versteht, ist eine andere Priorisierung gefordert als dann, wenn ich mich als Familienmensch verstehe. Ihr habt’s gemerkt: Es handelt sich um kleine Verweise auf die Liste weiter oben. Doof, dass es auch da zu Zielkonflikten kommen kann, die ihrerseits Entscheidungen bedingen. Aber ich will es mir schlie\u00dflich einfach machen.<\/p>\n\n\n\n

Die Sache mit dem Ja<\/em> geht beinahe ebenso flott von der Hand. Dazu f\u00fchre ich mir vor Augen, dass ich, wenn ich mich f\u00fcr eine Sache entscheide, gegen alle anderen entscheide – im konkreten Fall zum Beispiel f\u00fcr das schreiende Kind und gegen die lange geplante Verabredung. Ich kann nur dann wirklich Ja<\/em> sagen, wenn ich auch Nein<\/em> sagen kann. Sonst wird mein Ja auch mir selbst gegen\u00fcber halbherzig, ich bei Dingen zu, auf die ich eigentlich keine Lust habe. Das ist nicht nur dem anderen, vor allem aber mir selbst gegen\u00fcber unaufrichtig.<\/p>\n\n\n\n

Ich hole an dieser Stelle weiter aus: Auch beim Ja<\/em> f\u00fcr eine Alternative m\u00fcssen wir f\u00fcr uns das Nein<\/em> sehen, damit wir uns selbst gegen\u00fcber klar sind.<\/p>\n\n\n\n

Ich will abnehmen.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Will ich es wirklich? Bin ich bereit, die Umstellung meiner Gewohnheiten aktiv zu gestalten, dauerhaft anders zu leben als bisher?<\/p>\n\n\n\n

Ich will Sport treiben.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Will ich es wirklich? Bin ich bereit, die Umstellung meiner Gewohnheiten aktiv zu gestalten, dauerhaft anders zu leben als bisher?<\/p>\n\n\n\n

Nicht wundern, der jeweils zweite Absatz ist in beiden F\u00e4llen identisch. Und in jedem dieser F\u00e4lle m\u00fcssen wir das Nein<\/em> f\u00fcr uns sehen, wir m\u00fcssen in der Auseinandersetzung mit uns selbst sehen k\u00f6nnen, dass wir uns m\u00f6glicherweise ohne Sport wohler f\u00fchlen. Dass wir keine Lust auf Abnehmen, wohl aber auf weiterhin Rauchen haben. Wenn dieser Schritt getan, und der strategische Fokus im Kopf ist, ist unser Ja<\/em>, nach drau\u00dfen zum Lauftraining zu gehen, ein aufrichtiges. Denn dann haben wir, auf der gem\u00fctlichen Couch liegend, erwogen, bewusst nicht zu trainieren und dieses Nein<\/em> zugunsten eines Ja<\/em> verworfen.<\/p>\n\n\n\n

Das, was ich einschr\u00e4nkend unter dem Willen verstehe, ist eben einer, der mit einem echten, also bewusst getroffenen, Ja verkn\u00fcpft ist. Dann – und nur dann – kann ich f\u00fcr mich beanspruchen, dieses zu sagen:<\/p>\n\n\n\n

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg<\/em><\/p>\n\n\n\n

Ich will<\/em><\/p>\n\n\n\n

Ich gehe den Weg.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Der ist f\u00fcr angehende Marathonis \u00fcbrigens 42,195 Kilometer weit.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Allem Anschein nach wollen wir viel: Abnehmen zum Beispiel oder einen Marathon laufen. Vielleicht auch Kinder, einen Auftrag an Land ziehen, ges\u00fcnder leben oder uns ganz profan mit jemandem auf einen Kaffee treffen. Vom Rauchen aufh\u00f6ren will ich gar nicht erst anfangen. Fassen wir dann jeden dieser und anderer Gedanken als erkl\u00e4rten Willen auf und … \u201eWill ich? Vom Wollen, W\u00fcnschen und „w\u00e4re ganz nett“.\u201c<\/span> weiterlesen<\/a><\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[336,426],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/4157"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=4157"}],"version-history":[{"count":7,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/4157\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":4177,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/4157\/revisions\/4177"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=4157"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=4157"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=4157"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}