{"id":3884,"date":"2019-08-25T20:19:15","date_gmt":"2019-08-25T18:19:15","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=3884"},"modified":"2019-08-26T16:37:28","modified_gmt":"2019-08-26T14:37:28","slug":"juliette-wuerde-mich-loben-oder-taete-es-aristoteles","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/juliette-wuerde-mich-loben-oder-taete-es-aristoteles\/","title":{"rendered":"Juliette w\u00fcrde mich loben. Oder t\u00e4te es Aristoteles?"},"content":{"rendered":"\n
In den letzten Wochen habe ich gerne mal eine kleine Trainingseinheit am Morgen, bevor ich ins B\u00fcro fahre, eingeflochten. Mit klein<\/em> meine ich die Zeit, keineswegs immer etwas locker-entspanntes Training ohne Belastungsreiz. Nun bin ich wahrlich kein Freund von morgendlicher Aktivit\u00e4t, was mich fragen l\u00e4sst, von welcher Seite ich hierf\u00fcr wohl ein Schulterklopfen zu erwarten h\u00e4tte. Lasst mich euch daher skizzieren, was ich tue, um euch anschlie\u00dfend die Protagonisten vorzustellen. Danach spekuliere ich vor euch, meinen Lesern, wer mir wohl wohlwollend zunicken w\u00fcrde.<\/pre>\n\n\n\n
Wie gesagt, Fr\u00fchsport ist wirklich nichts f\u00fcr mich. Und ich will etwaigen Vermutungen, ich sei auf die dunkle Seite derer gewechselt, die um f\u00fcnf Uhr morgens die Laufschuhe schn\u00fcren, Yogamatte ausrollen oder das Springseil kreisen lassen, sogleich entgegentreten: Nein.
Allerdings freue ich mich gerade jetzt im Sommer \u00f6fter \u00fcber einen leidlich munteren Zustand fr\u00fchmorgens (!) um Sieben. Da kann ich mich locker eineinhalb St\u00fcndchen auf den Balkon setzen, Teechen nuckeln und Buch lesen. Oder ich flechte ein Trainerlein ein: Seilspringen, Yoga, Kettlebell - Turkish Get-Up und Swings oder Snatches, Eigengewichts\u00fcbungen oder dergleichen mehr. Eine halbe Stunde reicht, so dass ich noch im Bett d\u00f6sen kann. <\/pre>\n\n\n\n
Es macht mir Spa\u00df, ich gehe munter mit breitem L\u00e4cheln und dem guten Gef\u00fchl, bereits trainiert zu haben, ins B\u00fcro. Das soll \u00fcbrigens nicht bedeuten, dass ich ausschlie\u00dflich auf dieses Training umgestiegen bin, mitnichten! Es sind zus\u00e4tzliche, Freude spendende Einsprengsel, die ich mir g\u00f6nne. Mir gef\u00e4llt's, was meinen Kopf die Frage stellen l\u00e4sst, die den Anlass zu diesem Artikel gab:<\/pre>\n\n\n\n
Ist das, was ich da tue, lasterhaft, oder zeigt Tugend sich darin?<\/pre>\n\n\n\n
Tugend ist so ein scheinbar aus der Zeit gefallenes Wort. Ich wei\u00df nicht, wie es euch geht, darin scheint etwas jungfr\u00e4ulich-sittsames mitzuschwingen. Ist bei mir jedenfalls so, auch wenn ich es mittlerweile besser wei\u00df. Tats\u00e4chlich hat Tugend hat ihren Ursprung in der Tauglichkeit f\u00fcr etwas. Offenbar tauge ich zur morgendlichen Bet\u00e4tigung, oder? <\/pre>\n\n\n\n
Gemach, gemach. Ich bin erst am Anfang.
<\/pre>\n\n\n\n
Ich bediene mich f\u00fcr die Definition bei Aristoteles, ohne schon dar\u00fcber nachzudenken, ob er mich denn ob meines Tuns f\u00fcr tugendhaft hielte.
Tugend ist bei ihm ein Habitus des W\u00e4hlens der Mitte zwischen zwei Extremen. Man ist daran gew\u00f6hnt, durch kluge \u00dcberlegung die goldene Mitte zu w\u00e4hlen. Eine Sache des Trainings, wenn man so will. Das Gegenst\u00fcck dazu ist dann das Laster: Affektgetrieben, unausgewogen.
Tugend klingt wahnsinnig vern\u00fcnftig. Besonnen. Vor allem, wenn ich mir \u00fcberlege, dass der Aristoteles Wert darauf legte, tugendhafte Handlungen sollten freiwillig sein!<\/pre>\n\n\n\n
Er pr\u00e4sentiert eine ganze Liste von Tugenden, und genau hier f\u00e4ngt es an, f\u00fcr mich schwierig zu werden. Fr\u00fches Aufstehen zum Behufe sportlicher Bet\u00e4tigung fehlt n\u00e4mlich in der Aufstellung. Aber, ich gelange \u00fcber einen Umweg zum freundlichen Augenzwinkern vom alten Griechen, denn....<\/pre>\n\n\n\n

Lob von Aristoteles<\/h4>\n\n\n\n
Immerhin ist M\u00e4\u00dfigkeit <\/em>eine der Tugenden aus seiner Liste. Und ich behaupte selbstbewusst, dass eine Zeit zwischen sieben und acht Uhr meiner Ansicht nach weder unm\u00e4\u00dfig fr\u00fch, noch extrem sp\u00e4t ist. Grenzwertig fr\u00fch, das gebe ich gerne zu, aber noch im Rahmen. Auch meine Reize setze ich m\u00e4\u00dfig. Bitte aufmerksam lesen: Ich setze die sportlichen Reize, keineswegs setze ich meine Reize <\/em>ein, indem ich mich etwa unbekleidet auf dem Balkon r\u00e4kele! Zudem tue ich das Ganze freiwillig - und ich bin um die Zeit sogar leidlich zurechnungsf\u00e4hig, denn auch das ist Aristoteles wichtig. Der hat an alles gedacht, der alte Philosoph.
<\/pre>\n\n\n\n
Jetzt krieg' ich die Kurve....<\/pre>\n\n\n\n
Obendrein schreibt er - ich zitiere den Satz gerne!:
\u00dcbertriebene K\u00f6rper\u00fcbungen ebenso wie unzureichende f\u00fchren den Verlust der Leibeskraft herbei.<\/em>
Da h\u00e4tten wir's! Wohldosierter Sport ist tugendhaft!
Nachzulesen ist das Ganze in der Nikomachschen Ethik, deren Titel mir den Weckruf Niko, mach!<\/em> liefert. Ich hei\u00dfe zwar nicht Niko, auch kenne ich niemanden dieses Namens, wirken tut er trotzdem. <\/pre>\n\n\n\n
Weil die Morgenstund' Gold im Munde f\u00fchrt und ich die goldene Mitte leichten Trainings w\u00e4hlte, bin ich also ein Tugendbold und es steht Eins zu Null f\u00fcr Aristoteles? Nicht ganz....<\/pre>\n\n\n\n

Ein Lob von Juliette<\/h4>\n\n\n\n
Anders als Aristoteles ist Juliette eine fiktive Figur, erdacht von Donatien Alphonse Francois Marquis de Sade, seines Zeichens Namenspatron des Sadismus. Wer seine B\u00fccher liest, wird schnell verstehen, weshalb.
Juliette oder die Vorteile des Lasters<\/em> ist eines seiner Werke, in dem Julchen ein \u00fcberaus ausschweifendes Leben f\u00fchrt. Es sind Ausschweifungen, die auch hartgesottenen, pornogest\u00e4hlten Jetztzeitlern Schames- bis Zornesr\u00f6te ins Gesicht schie\u00dfen lassen d\u00fcrften. Damit ist noch nichtmal erw\u00e4hnt, dass die Gute (ob dieser Benennung w\u00fcrde sie sich beleidigt gef\u00fchlt haben...) jedweder Loyalit\u00e4t abhold war. Freundschaft schien ihr ein gespannter Bogen zu sein, dazu gedacht, den Pfeil des Verrats abzuschie\u00dfen.
Dazu mochte sie k\u00f6rperlich-seelische Qualen, die sie ebenso freudig spendete wie sie entgegenzunehmen, so gerne wie andere Menschen ihren Fr\u00fchsport.<\/pre>\n\n\n\n
Denn ich springe keineswegs leicht aus den Federn. Auch wenn ich wach bin, bedarf es einer qu\u00e4lenden Willensanstrengung, bisweilen unterst\u00fctzt durch meine Blase, um mich aus dem gem\u00fctlichen Bett nebst dem Schweifen lassen meiner Gedanken zu erheben. Und wer im halbwachen Zustand ohne nennenswerte Koordinationsf\u00e4higkeit schon mal Seilspringen versucht hat, der wei\u00df, dass Juliette sich \u00fcber das Gef\u00fchl eines flott geschwungenen Stahlseils an nackten Zehen gefreut h\u00e4tte. An ihren eigenen Zehen, wie auch an den Zehen eines anderen Menschen. Meinen zum Beispiel.
Insofern fehlt das Ma\u00df, bin ich lasterhaft unterwegs. Besonders auch deswegen, weil einstellige Uhrzeiten nach meiner Definition grunds\u00e4tzlich als lasterhaft gelten m\u00fcssen.
<\/pre>\n\n\n\n
Es steht Eins zu Eins, denn ich fr\u00f6ne lasterhaftem Tun.<\/pre>\n\n\n\n
Bekomme ich Applaus von beiden Seiten? Juliette und Aristoteles nebeneinander, fr\u00f6hlich in die H\u00e4nde klatschend? Oder ist jeder der beiden unzufrieden mit mir, weil ich mich weder gescheit qu\u00e4le, noch richtig \"tugendlich\" bin?<\/pre>\n\n\n\n
Ich lobe mich einfach selbst.<\/pre>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

In den letzten Wochen habe ich gerne mal eine kleine Trainingseinheit am Morgen, bevor ich ins B\u00fcro fahre, eingeflochten. Mit klein meine ich die Zeit, keineswegs immer etwas locker-entspanntes Training ohne Belastungsreiz. Nun bin ich wahrlich kein Freund von morgendlicher Aktivit\u00e4t, was mich fragen l\u00e4sst, von welcher Seite ich hierf\u00fcr wohl ein Schulterklopfen zu erwarten … \u201eJuliette w\u00fcrde mich loben. Oder t\u00e4te es Aristoteles?\u201c<\/span> weiterlesen<\/a><\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[389,388,324,390],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3884"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=3884"}],"version-history":[{"count":11,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3884\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":3899,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3884\/revisions\/3899"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=3884"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=3884"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=3884"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}