{"id":388,"date":"2012-06-19T16:41:00","date_gmt":"2012-06-19T14:41:00","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=388"},"modified":"2012-06-20T13:12:16","modified_gmt":"2012-06-20T11:12:16","slug":"mein-haus-mein-boot-meine-wochenkilometer","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/mein-haus-mein-boot-meine-wochenkilometer\/","title":{"rendered":"Mein Haus. Mein Boot. Meine Wochenkilometer."},"content":{"rendered":"

\"Wochenkilometer\"<\/a>
Nicht meine Wochenkilometer<\/figcaption><\/figure>
\nMenschen sind seit jeher J\u00e4ger und Sammler. Oder beides, wenn das Sammeln von Statistikdaten \u00fcber die Jagdbeute hilft, andere zu beeindrucken. Der gemeine L\u00e4ufling, stets auf der Jagd nach Bestzeiten, dem Idealgewicht, oder sich selbst, greift allzu gerne zu den Segnungen der modernen Technik, um sein Tr\u00e4ning im Vergleich zu bewerten. Idealerweise f\u00fchrt der Vergleich zu einem Resultat der Form „mehr als“. Mehr als letzte Woche \/ Monat \/ Jahr, oder „mehr als du“.<\/p>\n

Und so tut der L\u00e4ufling das, was ihn die Revolution gelehrt hat. Ein kurzer Blick zur\u00fcck zeigt uns, dass schon der H\u00f6hlenbewohner gerne die kahle Wand seiner Behausung mit Abbildungen der erlegten Mammuts, Mufflons oder was da sonst so kreuchte und fleuchte dekorierte. Eine Sitte, die lange vor der Raufasertapete ausstarb. In der Neuzeit adaptierten Teile der Menschheit diesen Brauch, indem sie aus gez\u00e4hlten Mammuts Kerben im Colt machten. Der vorl\u00e4ufige Gipfel solcherlei Auswertung findet sich in Form von Strichen auf Flugzeugen. Ich rede von denen aus der \u00c4ra Richthofen. Erster Weltkrieg, Absch\u00fcsse und so.
\nVorl\u00e4ufig, denn ein sportliches Dasein l\u00e4sst sich ohne Zahlen nicht denken. Und so sind es auch wir L\u00e4uflinge, die wir unsere erlaufenen Kilometer akribisch speichern, auswerten und nat\u00fcrlich publizieren. Garmin & Co erleichtern uns das Erfassen der Daten – vielleicht erinnert sich ein \u00e4lterer Sportler an jene Zeit, in der die L\u00e4nge einer Strecke dadurch ermittelt wurde, dass man sie entweder mit dem Fahrrad abfuhr, oder per auf die Karte gelegtem Bindfaden.
\nHeute sind wir bekanntlich weiter, also: Garmin an, Garmin auslesen. Daten bei Jogmap ablegen,
kmspiel<\/a> nicht vergessen. Dann GarminTrainingCenter oder SportTracks oder Excel oder Papier. Nein, kein Papier.<\/p>\n

Nun d\u00fcrfen wir nicht vergessen, dass es Situationen gibt, in denen auch der voll austr\u00e4nierte L\u00e4ufling mental, sagen wir: instabil ist. Ernsten Schaden wird des L\u00e4uflings Psyche n\u00e4mlich dann nehmen, wenn er feststellen, dass sein Garmin keine Daten aufzeichnen konnte. Weil der Akku leer wurde. Weil das Satellitensignal zwischendrin verloren ging. Dann ist die Entt\u00e4uschung zun\u00e4chst gro\u00df, bis, ja bis die Erinnerung an technikarme Zeiten einsetzt, woraufhin die nicht getrackten Daten nach bestem Wissen und Gewissen gesch\u00e4tzt werden. Leichte Streuung nach oben oder unten (hier ringen dann Ehrgeiz und Ehrlichkeit miteinander) wird in Kauf genommen.<\/p>\n

Was z\u00e4hlt, was gez\u00e4hlt wird, sind gerne die Wochenkilometer. Hier beginnt f\u00fcr mich die Gr\u00fcbelei mit der Definition von „Woche“. Vielmehr mit der Frage, ob ich mich an einer Kalenderwoche orientieren muss, oder ob sich eine Woche durch sieben aufeinander folgende Tage auszeichnet. Feiertage, die sich hervorragend f\u00fcr zus\u00e4tzliche l\u00e4ngere Einheiten eignen, lassen die Statistik nach oben ausschlagen, w\u00e4hrend sich au\u00dfergew\u00f6hnliches berufliches Engagement (Tr\u00e4ningsausfall!) entsprechend negativ auswirkt. Um diese Ereignisse auszugleichen scheint es mir sinnvoll, an jedem Tag die Summe der zur\u00fcckliegenden sieben Tage zu bilden. <\/p>\n

Wochenkilometer lassen sich ideal durch Kilometerbolzen in flachem Gel\u00e4nde optimieren. Jedwede Form von Tempotr\u00e4ning, Lauf-ABC, Athletik\u00fcbungen st\u00f6rt dabei.
\nMit den Wochenkilometern l\u00e4sst sich nur renommieren, wenn der L\u00e4ufling auf das Meiste dessen verzichtet, was Tr\u00e4ningsratgeber, Vernunft und dergleichen ihm anraten. Eine Stunde Rumpftr\u00e4ning = 0 (NULL!) Kilometer. T\u00e4glich 15 Minuten Gymnastik – Nix! Radfahren oder Schwimmen z\u00e4hlt, wenn \u00fcberhaupt, nur bedingt, und das noch dazu in der falschen Statistik.
\nWohl dem, der in der Ebene wohnt, noch schlimmer dran ist derjenige, dessen saisonale Zielsetzung ihn zu vertikalem Tr\u00e4ning n\u00f6tigt. Neulich brauchte ich f\u00fcr eine Strecke von 4,29 Kilometern genau 1 Stunde und 31 Minuten, als ich die Heidelberger
Himmelsleiter<\/a> drei Mal lief. Mit Blick auf die Kilometersammlung v\u00f6llig kontraproduktiv. Unter dem Tr\u00e4ningsaspekt mit der Zielsetzung, etwas f\u00fcr Bergtrails wie den Zugspitz Ultratrail<\/a> zu tun, genau richtig, waren es in Summe doch 870 H\u00f6henmeter. In einer Statistik, die auf Streckenkilometer schielt, wirkt das eher peinlich. Man h\u00f6rt f\u00f6rmlich die Frage „weshalb hat der das \u00fcberhaupt gez\u00e4hlt?“. Ja, wieso eigentlich?<\/p>\n

Wieso sammeln wir Daten?
\nVom Posieren abgesehen, hilft eine statistische \u00dcberwachung bei der Tr\u00e4ningssteuerung. Diese \u00dcberwachung m\u00fcsste unterschiedliche Aspekte des Tr\u00e4nings ber\u00fccksichtigen, nur: sp\u00e4testens wenn zwei Sportler verschiedene Ziele verfolgen, steht die Vergleichbarkeit in Frage. Da f\u00e4llt mir die Fabel vom Hasen und dem Igel ein. Der Tr\u00e4ningshase protzt mit 150 Wochenkilometern, um im Wettlauf vom Igel d\u00fcpiert zu werden. Wetten dass Arabnora, so der „fabelhafte“ Name des Igels, tempotr\u00e4nierte? Die Version mit dem Igelp\u00e4rchen ist eine Propagandal\u00fcge der Excelverfechter!<\/p>\n

Was w\u00e4ren die Alternativen?
\nEine relativ objektive Gr\u00f6\u00dfe kann der Energieverbrauch sein. Man komme mir bitte nicht mit Kalorienverbrauchsz\u00e4hlern bei den Garminnern. Das stellt einen doch gleich in die Ecke „20 Pfund abnehmen in nur drei Tagen“. Mag ja sein, aber ich brauche das Bein noch. Und ist man erst aus der Ecke raus, wird die n\u00e4chste Statistik einseitig betrachtet. Keine Wochenkilometer mehr, sondern Kalorien.
\nAndererseits ist die Zeit als Vergleichsgr\u00f6\u00dfe meiner Ansicht nach deutlich aussagef\u00e4higer als die zur\u00fcckgelegte Strecke, denn sie deckt die verschiedenen Dimensionen eines systematischen Tr\u00e4nings besser ab. Auch die l\u00e4sst sich auch die Tr\u00e4ningszeit missbrauchen. Zwei Stunden t\u00e4glich spazierengehen ist ja sp\u00e4testens dann als Tr\u00e4ning aufzufassen, wenn ich buntere Klamotten anhabe als im B\u00fcro. Und selbst da w\u00fcrde ich jede tippende Minute als Tr\u00e4ning der Unterarmmuskulatur ansehen. Also auch nix. Trotzdem ist es mir, wenn ich eine Kontrollgr\u00f6\u00dfe f\u00fcr mich selbst einf\u00fchre, lieber, die aufgewendete Zeit daf\u00fcr heranzuziehen als die Kilometer.<\/p>\n

Schlussendlich ist selbst einfaches Lauftr\u00e4ning zu komplex, um es auf eine eindimensionale Betrachtungsgr\u00f6\u00dfe abzubilden, egal auf welche. Wenn es denn sein muss, und sei es nur f\u00fcr das bessere Gef\u00fchl, ist mir die Tr\u00e4ningszeit lieber. Mein Auto. Mein Haus. Und letzte Woche waren es drei\u00dfig Stunden.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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