{"id":3783,"date":"2019-05-05T17:32:48","date_gmt":"2019-05-05T15:32:48","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=3783"},"modified":"2019-07-01T11:58:14","modified_gmt":"2019-07-01T09:58:14","slug":"verreise-ich-gerne","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/verreise-ich-gerne\/","title":{"rendered":"Verreise ich gerne?"},"content":{"rendered":"\n
Beim Ausdauersport bewege ich mich naturgem\u00e4\u00df fort, bin also mobil. Dass in dieser Form gerne unterwegs bin, steht au\u00dfer Frage; demgegen\u00fcber \u00fcberlege ich mir, ob ich denn ebenso gen\u00fcsslich auf Reisen bin. Zum Einen bringt die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen eben jenes Reisen mit sich, zum anderen macht meine frisch angenomme neue Rolle als Account Manager hie und da berufliches Unterwegssein notwendig. Dies brachte mir Anfang April eine sch\u00f6ne, intensive Woche in Japan ein, die mir den Anlass zur eingangs formulierten Frage gab: Verreise ich gerne?
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Au\u00dferdem gibt es da noch das, was gemeinhin als \"Urlaub\" bekannt ist, womit der Bogen zu freizeitlichen Aktivit\u00e4ten gespannt w\u00e4re. Ich erinnere mich an den auf einer Huskyfarm in Norwegen verbrachten Urlaub - zehn unglaublich erholsame Tage voller Ruhe, die indes die sogenannte Hinreise <\/em>zur Voraussetzung hatten - denn um dort zu sein<\/em>, musste ich erstmal hinkommen<\/em>.  Damit bin ich erneu beim Kern dessen angelangt, was mich besch\u00e4ftigt: Verreise ich gerne?
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Ich frage wohlgemerkt nicht, ob ich es mir gef\u00e4llt, anderswo als zuhause zu sein, sondern ich denke \u00fcber den Prozess nach, der mich dorthin bringt.
Dabei scheint mir scheint eine Unterscheidung zwischen der Benutzung \u00f6ffentlicher Verkehrsmittel und dem Individualverkehr - sprich: Auto - dienlich.<\/pre>\n\n\n\n
Ich beginne meine \u00dcberlegungen am Beispiel des Norwegenurlaubs, wohin wir per Bahn und Flugzeug reisten. Genau genommen nutzten wir zun\u00e4chst ein Auto, um zur ersten Bahn zu gelangen, dann mit der zweiten zum Abflughafen, um nach einer Zwischenlandung in Oslo per Inlandsflug weiterzureisen. Am Zielflughafen angekommen, holte man uns per Auto ab. Gen Osaka verlief der Transfer \u00fcbrigens \u00e4hnlich, weshalb ich meinem Dank der Kollegin gegen\u00fcber, die die Reise nach Japan organisierte, kaum in Worte zu fassen, erinnere ich mich doch mit Grausen an die Planung der Norwegenreise: Da waren mehrere Verkehrstr\u00e4ger zu koordinieren, die an allen m\u00f6glichen Orten losfliegen oder -fahren, und das zu allen m\u00f6glichen Uhrzeiten. Ein Wirrwarr, in dem ich mich nur schwer zurechtfinden mag, will ich doch lediglich zu einer passenden Uhrzeit von zuhause weg, um nach angemessener Reisedauer am Ziel anzukommen. Stattdessen darf ich mich damit befassen, welche Fluglinie von wo abfliegt, eventuell an einem Ort landet, der idealerweise ein St\u00fcck n\u00e4her an meinem Reiseziel liegt als der Start - und das, ich wage kaum zu tr\u00e4umen, so, dass ich von dort aus weiterreisen kann. Ist diese Aufgabe erledigt, gilt es, eine Zugverbindung zu finden, die im Wesentlichen dort ankn\u00fcpft, wo das Flugzeug losfliegt. Meist sind da mehrere Etappen n\u00f6tig.  
Selbstredend gilt es, jeweils Pufferzeiten einzuplanen, so dass aus einer Reisedauer von ein paar Stunden schnell mal ein ganzer Tag wird. Und dabei habe ich die Security-Checks am Flughafen noch nicht ber\u00fccksichtigt.<\/pre>\n\n\n\n
\u00d6ffentliche Verkehrsmittel sind ein selbstgen\u00fcgendes System, dem ich mich ausliefern muss, um es zu nutzen. Ich bin versucht, an dieser Stelle das Wort kafkaesk<\/em> zu verwenden. Nicht alleine deshalb, weil es so gut zum Thema passt, au\u00dferdem wirkt ein Text mit diesem Wort sehr gebildet. Sei's drum, zur\u00fcck zum System. Ihm ist es v\u00f6llig wurscht, wohin ich will, wann und wie. Es l\u00e4sst seine Verkehrsmittel sich bewegen, wohin es sie bewegt haben will, und ich bin derjenige, der sein Vorhaben anzugleichen hat.
Das gilt f\u00fcr den Fernverkehr genauso wie im Nahverkehr. Eine Strecke, die ich mit dem Auto in zwanzig, mit dem Rad in f\u00fcnfundzwanzig Minuten bew\u00e4ltige, ohne mich nennenswert zu beeilen, habe ich mit der Stra\u00dfenbahn testweise in der doppelten Zeit zur\u00fcckgelegt. Dazu kommt der Fu\u00dfmarsch zur Haltestelle und vom Ende zum eigentlichen Ziel. Nat\u00fcrlich h\u00e4lt sie auch dort, wo sie f\u00fcr mich gar nicht halten br\u00e4uchte. Wohl zum Ausgleich daf\u00fcr, dass sie nicht dort h\u00e4lt, wo ich es gerne h\u00e4tte, oder von vorne herein nicht dorthin f\u00e4hrt, wohin ich will. Entspannend sei es, sagen manche, die gerne per Bus und Bahn fahre. Man k\u00f6nne dabei lesen oder andere Dinge tun. Mag sein, dass man sich anderweitig befassen kann, sogar D\u00f6sen l\u00e4sst sich auf l\u00e4ngeren Strecken. Auf l\u00e4ngeren, wohlgemerkt. Wenn ich alle dreiviertel Stunde umsteigen muss, h\u00e4lt sich das Lesevergn\u00fcgen in zeitlich engen Grenzen. Au\u00dfderdem verbinde ich mit dieser Besch\u00e4ftigung so etwas wie \"Gem\u00fctlichkeit\", ein Hei\u00dfgetr\u00e4nk in Reichweite und die F\u00fc\u00dfe hochgelegt. Platz und etwas, das im \u00f6ffentlichen Raum naturgem\u00e4\u00df vollkommen fehlt: Privatsph\u00e4re. Wie soll ich mich inmitten fremder Menschen, die mir auf der Pelle hocken oder stehen, gehen lassen?
Beim Umsteigen darf ich jedes Mal meine Siebensachen zusammensammeln, sie zu einem anderen Ort schleifen, dortselbst wieder verstauen, um mich erneut leidlich einzurichten.<\/pre>\n\n\n\n
Ein kleiner, am\u00fcsanter Lichtblick sind dabei oft die ferngesteuert-\u00fcberforderten Menschen, denen es nicht gelingt, in einer Reihe arithmetisch sortierter und gleicherma\u00dfen korrekt wie gut lesbar bezeichneter Sitze eines Flugzeugs den f\u00fcr sie passenden zu finden: \"Sie sitzen in Reihe 34. Wir beginnen bei 1 zu z\u00e4hlen und gehen z\u00fcgig durch, bis die Zahl \"34\" auf dem Schild steht. Dort werfen wir unser Handgep\u00e4ck ins Fach und setzen uns schnell hin, damit die hinter uns kommenden Passagiere auch auf ihren Platz gelangen k\u00f6nnen\". Dies so scheinbar simple Verfahren ist, ich habe es selbst erlebt, f\u00fcr viele zuviel.<\/pre>\n\n\n\n
Kurzum: \u00d6ffentliche Verkehrsmittel und ich, wir werden keine Freunde. Sie sind ein notwendiges Mittel zum Zweck, mehr aber auch nicht.<\/pre>\n\n\n\n
Ist es denn mit dem Auto besser? Abgesehen davon, dass die in angemessener Zeit mit dem Auto zur\u00fccklegbare Strecke Reisen nach Japan oder Norwegen wenig sinnvoll erscheinen l\u00e4sst, bietet es eine ganze Reihe von Vorteilen. Zun\u00e4chst einmal steht es vor meiner Haust\u00fcr und ist dann bereit, wenn ich es bin. Muss ich vor der Fahrt nochmal aufs Klo? Das Auto wartet. M\u00f6chte ich eine Stunde sp\u00e4ter losfahren? Es steht geduldig da, bis ich zu ihm komme. Will ich fr\u00fcher fahren? Es ist bereit. Ich brauche weder Gep\u00e4ck mitten auf der Strecke herumtragen, sondern kann meine privaten Sachen nach Herzenslust verteilen. Kaffee und andere Getr\u00e4nke meiner Wahl in den Cupholder und genau die Musik h\u00f6ren, die mir gef\u00e4llt. Will ich keine Beschallung, ist es still. Das Auto f\u00e4hrt die von mir gew\u00e4hlte Route und h\u00e4lt dort - und nur dort!, wo ich halten m\u00f6chte.<\/pre>\n\n\n\n
Ein Auto ist eben kein \u00f6ffentlicher, sondern ein privater Raum.<\/pre>\n\n\n\n
Im Vergleich mit dem \u00f6ffentlichen Verkehr wird au\u00dferdem deutlich, warum in der Informationstechnologie vor \"Medienbr\u00fcchen\" gewarnt wird. Mit jedem Wechsel eines Mediums steigt die Fehlerquelle, gehen potenziell Informationen verloren. Ein unterbrochener Transport - vulgo: Wechsel des Verkehrsmittels - macht die oben angesprochenen Pufferzeiten n\u00f6tig.<\/pre>\n\n\n\n
Also ein klarer Fall pro Individualverkehr? Leider ist dem keineswegs so. Denn ich anerkenne gerne, dass ich beim Autofahren nicht abschalten kann. Das ist eine Erkenntnis, die leider nicht jeder hat. Da wird an Ampeln geschlafen und Ewigkeiten gebraucht, bis eine ver\u00e4nderte Verkehrssituation erkannt, ad\u00e4quat verarbeitet und in Handeln umgesetzt wurde. Die mittlere Spur auf Autobahnen, das brauche ich kaum erw\u00e4hnen, ist selbstredend zur Entspannung bei zweistelligem Tempo gedacht (haben die Leute kein Wohnzimmer zum D\u00f6sen?). Ich selbst bin auf Autobahnen eher gem\u00e4chlich unterwegs, dennoch erstaunt es mich immer wieder, wie un\u00fcblich der Blick in den R\u00fcckspiegel zu sein scheint, noch weniger ist die rechte Spur gebr\u00e4uchlich. Nicht, dass es auf Bundesstra\u00dfen besser w\u00e4re.
Oder eine Landstra\u00dfe mit Kurven, in welchen die Reifen ein fr\u00f6hlich' Liedlein pfeifen k\u00f6nnen. Sie k\u00f6nnten, denn...<\/pre>\n\n\n\n
Ich gelange zur Ansicht, dass ich nicht unbedingt gerne verreise. Ich bin gerne anderswo, der Weg dorthin ist mir jedoch l\u00e4stig.
Wenn der Weg selbst das Ziel ist, beim Wandern, Laufen oder Radfahren, wenn also die Bewegung schon das Ziel in sich tr\u00e4gt, reise ich sehr gerne. Ist das Ziel aber das Ziel, macht dies den Weg zu einer langen, bisweilen beschwerlichen Warterei darauf, dass ich endlich ankomme.<\/pre>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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