{"id":3732,"date":"2019-01-26T22:00:04","date_gmt":"2019-01-26T20:00:04","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=3732"},"modified":"2019-07-01T11:59:11","modified_gmt":"2019-07-01T09:59:11","slug":"ausdrucksschwach","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/ausdrucksschwach\/","title":{"rendered":"Ausdrucksschwach"},"content":{"rendered":"\n

Auch wenn Sp\u00f6tter im reichhaltigen Angebot der Emojis eine R\u00fcckkehr zur Hieroglyphenschreibweise des alten \u00c4gypten erkennen wollen, sind die Dinger, die wir in Skype, WhatsApp oder Telegram verwenden, doch wirklich praktisch: Wo ein einziges getipptes Emojibild mehr Inhalte r\u00fcberbringt, als eine ganze Horder m\u00fchevoll getippter W\u00f6rter! Und wer tippt schon gerne auf dem Handy?<\/p>\n\n\n\n

Freilich f\u00fchrt es hin und wieder zu – meiner – Verwirrung, wenn das getippte Tastaturk\u00fcrzel nicht zur erwarteten Anzeige f\u00fchrt, weil Skype anders tickt als WhatsApp, und ich dummerweise im anderen Medium unterwegs bin. Im Gro\u00dfen und Ganzen funktioniert die Sache f\u00fcr mich vortrefflich.<\/p>\n\n\n\n

Eigentlich.<\/p>\n\n\n\n

Denn ich muss einen eklatanten Mangel bei den verf\u00fcgbaren Emojis feststellen. Nicht generell, nein auf keinen Fall. Diese Messenger erm\u00f6glichen mir, Gef\u00fchle zum Ausdruck zu bringen, von denen ich \u00fcberhaupt nicht wei\u00df, dass ich sie habe. Obendrein ginge das derart fein abgestuft, dass es eines mehrj\u00e4hrigen Studiums der Psychologie bed\u00fcrfte, um sie korrekt zu verwenden. Ich k\u00f6nnte behaupten, dass Kommunikation \u00fcber derartige Medien \u00fcberhaupt nur deshalb konfliktfrei klappt, weil niemand die sichere Verwendung der Symbole beherrscht.<\/p>\n\n\n\n

L\u00e4cheln kann ich in der Art von Mona Lisa allerfeinst angedeutet oder breit grinsend, ich kann auch mit nur einem einzigen Zeichen sagen, dass ich l\u00e4chle mit leichtem Augenzwinkern und der Zunge zwischen den Z\u00e4hnen, wobei ich ganz klar die Mimik eines beim Genuss eines St\u00fcckes Kirsch-kuchens auf einen Kern aus selbiger Frucht gebissen habenden Menschen zeige, der f\u00fcrchtet, ihm sei ein St\u00fcck Zahn abgebrochen.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Auf der negativen Seite der Emotionspalette bietet sich ein \u00e4hnlich reichhaltiges Angebot: Trauer und Wut in s\u00e4mtlichen Nuancen, vom leichten Tsts, du Schlingel<\/em> ist bis hin zum Tobsuchtsanfall alles vertreten.<\/p>\n\n\n\n

Fast alles.<\/p>\n\n\n\n

Es fehlt dieses endg\u00fcltig-niederschmetternde Wort, welches nur eine Frau einem Mann gegen\u00fcber \u00e4u\u00dfern kann, die den Tod der tausend Qualen f\u00fcr noch zu gut f\u00fcr ihn erachtet. Nur eine Frau kann dieses so harmlos daherkommende Wort in einer Weise \u00e4u\u00dfern, dass ihr armes Opfer sich w\u00fcnscht, es w\u00fcrde in einem Schauprozess sein Todesurteil von einem psychopathischen Richter verk\u00fcndet bekommen. Niemand, ich betone, niemand kann ein vernichtenderes Urteil aussprechen, welches das arme, bedauernswerte Opfer tief in den Staub dr\u00fcckt, w\u00e4hrend der letzte Rest seiner kl\u00e4glichen Selbstachtung aus ihm heraustropft wird, als eine Frau, deren Urteilsspruch aus diesem einen Wort besteht:<\/p>\n\n\n\n

Schade.<\/em><\/p>\n\n\n\n

Hier klafft leider – oder vielleicht zum Gl\u00fcck – eine L\u00fccke.<\/p>\n\n\n\n

A propos Frau. Auch f\u00fcr das zwischenmenschliche Miteinander h\u00e4lt die Kommunikationssoftware eine derartige Menge an unter Zuneigungsverdacht stehenden Symbolen bereit, dass ich nicht wage, auch nur eines davon zu verwenden. Es beginnt mit Gesichtern, die an den unterschiedlichsten Stellen beherzt daherkommen: Augen, Mund und Haare sind mit Herzchen verziert. Woher soll ich wissen, was das bedeutet? Und selbst wenn ich es w\u00fcsste: Wei\u00df das das Gegen\u00fcber? Bekomme ich sowas geschickt, muss ich nachfragen, was denn damit zum Ausdruck gebracht werden soll, und das f\u00fchrt wiederum leicht dazu, dass das Gegen\u00fcber vergrault wird. Ein Minenfeld, und wir haben das solit\u00e4r auftretende Emoji noch nichtmal verlassen.<\/p>\n\n\n\n

Es gibt paarweise dargestellte Figuren, wobei sich hier immerhin geschlechtliche und famili\u00e4re Konstellationen erkennen lassen. Familien mit mehr als zwei Kindern und Patchworkfamilien sind zumindest bei WhatsApp nicht vorgesehen. Die m\u00fcssen dann halt schauen, wie sie von ihrem gemeinsamen Urlaub erz\u00e4hlen.<\/p>\n\n\n\n

Aber was, bittesch\u00f6n, will mir beispielsweise ein gr\u00fcnes Herz sagen? Ist die Dame vom Mars? Mag sie Blumen? Sagt sie mir, ihr Herz schimmelt schon vor Sehnsucht, oder ich kann warten, bis meins anf\u00e4ngt zu schimmeln? Ein blaues Herz w\u00fcrde dann auf ihre Vorliebe f\u00fcr Roquefort, Frankreich allgemein, den Sommer oder einen Vollsuff hindeuten. <\/p>\n\n\n\n

Ein ganz hei\u00dfes Pflaster, von dem ich mich mal besser fernhalte. Meine pers\u00f6nlichen Regeln f\u00fcr mich lauten: Erstens, verwende das Zeug nicht. Zweitens, wenn du sowas geschickt bekommst, frag‘ nach.<\/p>\n\n\n\n

Au\u00dferdem schweife ich ab. <\/p>\n\n\n\n

Und zwar sowas von und derma\u00dfen, dass ich flugs die Kurve zu kriegen gedenke.<\/p>\n\n\n\n

Zusammenfassend kann ich alles M\u00f6gliche, beinahe jede K\u00f6rperfunktion und Gef\u00fchlsregung (bis auf Schade,<\/em> aber ich bin ja eh‘ ein Mann, da macht das nichts) r\u00fcberbringen. Den kompletten Speiseplan eines Dreisterne-Restaurants. Den Krankheitserreger der Lebensmittelvergiftung (weil ich f\u00fcr das teure Restaurant zu geizig war), und das Medikament dagegen. <\/p>\n\n\n\n

Nur beim Sport wird’s eng.<\/p>\n\n\n\n

Wittgenstein hatte v\u00f6llig Recht als er sagte: Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt<\/em>. Und wenn ich mir so ansehe, was es an Symbolen gibt, mit denen man sich \u00fcber sportliche Themen austauschen kann, muss ich leider sagen: Es ist eine erb\u00e4rmlich kleine Welt.<\/p>\n\n\n\n

Nehmen wir einmal an, zwei Menschen wollen sich zum Fahrradfahren verabreden. Mit dem Zeichenvorrat von WhatsApp ist es keineswegs ausgeschlossen, dass der eine mit einem Mountainbike aufkreuzt, w\u00e4hrend die andere Person das passende Vehikel zum Kunstradfahren im Gep\u00e4ck hat. Und warum? Es gibt genau ein Fahrrad-Emoji. Strenggenommen zwei, allerdings handelt es sich um denselben Fahrradtyp, gefahren von Mann bzw. Frau. Mountainbike? Wie soll das denn gehen? Erz\u00e4hlt mir bitte nicht, dass es sich beim Wort Mountainbike um ein Kompositum handelt, bestehend aus Mountain und Bike, welches man in gleicher Weise mit dem Bergsymbol, gefolgt vom Radfahrer darstellen kann. Das f\u00fchrt zu nichts, weil sich die Katze in den eigenen Schwanz bei\u00dft, wenn ich nun frage, ob mit dieser Symbolfolge gesagt wird, man habe sich ein Mountainbike gekauft – oder man habe mit dem Rennrad <\/em>den Mont Ventoux erklommen. Das Bild mit dem Berg als Hintergrund f\u00fchrt uns \u00fcbrigens in dieselbe Misere.<\/p>\n\n\n\n

Nein, ein differenziertes Gespr\u00e4ch bleibt uns in Sachen Sport leider verwehrt. Ja, es gibt eine Langhantel. Reden wir vom Olympischen Gewichtheben? Und was machen die Powerlifter, bittesch\u00f6n? Von Kettlebells will ich ja gar nicht reden, die gibt’s \u00fcberhaupt nicht, weshalb ich fragen brauche, ob man zwischen Hardstyle und Competition Style unterscheiden w\u00fcrde. Wo nichts ist, kann man auch nichts auseinander halten.<\/p>\n\n\n\n

Oder Laufen. Fell Running, Trailrunning, Ultramarathon, auf der Stra\u00dfe, in der Halle oder drau\u00dfen? Ist es ein Etappenlauf, Punkt-zu-Punkt oder l\u00e4uft man in Runden?<\/p>\n\n\n\n

Ein Pokal und f\u00fcnf Medaillen helfen wenig, wenn der Sport, in dem man sie erringen k\u00f6nnte, nicht vertreten ist.<\/p>\n\n\n\n

Diese Symbolsprache ist in manchen Bereichen erstaunlich ausdrucksschwach. Inselbegabt, mit viel Ozean drumherum.<\/p>\n\n\n\n

Ich mache jetzt eine Runde Yoga, danach leichtes Krafttraining. Wenn ich dieses Training beschreiben will, muss ich es in Worte fassen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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