{"id":3559,"date":"2018-07-31T10:49:25","date_gmt":"2018-07-31T08:49:25","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=3559"},"modified":"2018-07-31T10:49:25","modified_gmt":"2018-07-31T08:49:25","slug":"das-fitness","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/das-fitness\/","title":{"rendered":"Das Fitness"},"content":{"rendered":"

„Ich gehe ins Fitness“ h\u00f6re ich ab und zu, und meistens blicke ich in ein verkl\u00e4rtes Augenpaar, als w\u00fcrde es sich bei Das Fitness<\/em> um einen magischen Ort handeln. Eine Art Wunschbrunnen, der W\u00fcnsche zwar nicht wahr werden l\u00e4sst, aber – ja, was eigentlich? Mir ist nicht v\u00f6llig klar, was Menschen dort zu finden hoffen, aber, wie gesagt: Wenn Augen leuchten, muss es etwas geben, das sie strahlen l\u00e4sst.<\/p>\n

Wobei: Meine Gespr\u00e4chspartner lassen normalerweise durchblicken, dass sie diesen Ort nicht ganz freiwillig aufsuchen. Ich muss mal was machen<\/em> ist so eine Formel, auf welche die Pflicht von denen gebracht wird, die sich noch im Fr\u00fchstadium der Erweckung befinden. Routiniers erkenne ich dagegen an einem nonchalant ge\u00e4u\u00dferten „Einmal in der Woche gehe ich ins Fitness“, es muss sich also um eine Form der Andacht handeln, die um des gew\u00fcnschten Effekts halber regelm\u00e4\u00dfig auszu\u00fcben ist.<\/p>\n

Weiterhin stelle ich eine Tendenz fest, sich dem Anlass gem\u00e4\u00df zu kleiden. Die Art der Klamotten l\u00e4sst mich eine gewisse N\u00e4he zu sport\u00e4hnlicher Bet\u00e4tigung vermuten, ganz im Gegensatz zum K\u00f6rperbau der Glaubensgemeinde. Meine Beobachtungen zeigen klar, dass sportliche Menschen, die ein Fitnesscenter besuchen (ein Kontrollbesuch zeigte mir, dass der Besuch eines solchen Sport keinesfalls ausschlie\u00dft), alternative Formulierungen wie „Ich geh‘ trainieren“ oder „Keine Zeit, da bin ich im Fitti“ verwenden.<\/p>\n

Gehen wir der Sache auf den Grund – und in Das Fitness<\/em>.<\/p>\n

Zun\u00e4chst f\u00e4llt Sch\u00f6nheit auf.<\/p>\n

Alles ist sch\u00f6n.<\/p>\n

Die Umkleider\u00e4ume – sch\u00f6n.<\/p>\n

Der Parkettboden – sch\u00f6n. Niemals wird eine Kettlebell die empfindliche Oberfl\u00e4che ber\u00fchren.<\/p>\n

Die Trainingsmaschinen – sch\u00f6n. Niemals wird sie ein Schwei\u00dftropfen besudeln.<\/p>\n

Die Menschen am Tresen – sch\u00f6n. Genauer gesagt, sind die Menschen hinter dem Tresen sch\u00f6n. Auf den Barhockern davor hocken unsere Probanden, den Blick schmachtend an sixbepackten und bibezepsten Models geheftet, wie sie auf den Titelseiten der herumliegenden Magazine prangen. Deren Inhalt gibt \u00fcbrigens die Grundhaltung vor, lenkt das Denken in die gew\u00fcnschte Richtung einer Welt, die von drei (und nur drei!) Themen beherrscht wird:<\/p>\n

– Auch du kannst aussehen wie die Models, deren Foto du gerade ansabberst. Und, das Beste daran: Du brauchst nichts daf\u00fcr tun! Ab und an in Das Fitness<\/em>, dazu schluckst du diese Pillen, und schon bist auch du ein Fitnessmodel. <\/p>\n

So<\/em> nimmst du ab. In Nullkommanix und ohne Anstrengung. Es bedarf der regelm\u00e4\u00dfigen Gehirnw\u00e4sche im Das Fitness<\/em> bei einem der angebotenen Kurse, wo du die Hostie in Form dieses P\u00fclverchen erstehen kannst. Denn die ges\u00fcndeste Ern\u00e4hrung verpufft ohne Nahrungserg\u00e4nzung wirkungslos.<\/p>\n

– Und nat\u00fcrlich: Seeeeex! Jedes zweite Heft teilt dir mit, wie du f\u00fcr noch mehr \/ besseren \/ tolleren \/ usw. Seeeeex trainieren musst.<\/p>\n

Mit diesen drei Aspekten ist das Haltungskollektiv der Glaubensgemeinde hinreichend festgelegt, um sie dreht sich Denken und Tun, worin Das Fitness<\/em> die Gl\u00e4ubigen kr\u00e4ftig unterst\u00fctzt. Schon der Begriff Fitness ist ausreichend wolkig, auf dass ein jeder sich in der Gewissheit wiegen kann, er w\u00fcrde in Das Fitness<\/em> „fit“ werden. Was auch immer sich hinter dem Ausdruck verbergen mag, will eh‘ niemand so genau wissen. Sport an wird ebenso wenig hinterfragt, geschweige denn, ob die praktizierten Aktivit\u00e4ten langfristig wohl Wirkung zeigen. Soll es mir wert sein, an Zieldefinition oder gar Ergebnis\u00fcberpr\u00fcfung zu erinnern? Nein, weshalb auch. In Das Fitness<\/em> gibt es Zumba und Bodypump anstelle des gemeinsamen Absingens von Chor\u00e4len, und ebenso wenig wie ein Gl\u00e4ubiger an den Grundfesten seines Glaubens zweifelt, wird ein Dasfitnessit kaum fragen, wieso er jahrelang auf Minitrampolins herumh\u00fcpft, mit Hantelattrappen und Schwingst\u00e4ben hantiert, ohne signifikant leistungsf\u00e4higer sein als ein Jahr nach dem Beitritt zur Sekte. Ein solcher H\u00e4retiker w\u00fcrde sofort versto\u00dfen!<\/p>\n

Nat\u00fcrlich ist nichts gegen regelm\u00e4\u00dfige Bewegung ohne den Anspruch auf Progression einzuwenden. Unsch\u00f6n an Das Fitness<\/em> ist jedoch diese kollektive Selbstl\u00fcge, die an Preis ohne Flei\u00df glaubt, ohne die Unerreichbarkeit der arg hoch h\u00e4ngenden Trauben erkennen zu wollen. Das Fitness<\/em> verkauft rhythmische Bewegung bei lauter Musik als Sport, wo es ehrlicher w\u00e4re, die zuckenden Leiber als T\u00e4nzer zu bezeichnen. Zugegeben klingt „Ich gehe tanzen“<\/em> weniger ambitioniert als „Ich gehe zum Zumba ins Fitness<\/em>„. Au\u00dferdem: Wie will man T\u00e4nzern das passende Outfit (so der Fachbegriff f\u00fcr trendige Klamotten) verkaufen, wenn die Religion namens Das Fitness<\/em> ihnen nicht deutlich macht, dass nur in diesen Klamotten der Sixpack, Bizeps, Abnehmen und Seeeeex zu erreichen ist.<\/p>\n

Das Fitness<\/em> kann auch niemanden brauchen, der technisch anspruchsvolle Bewegungen bei hoher Intensit\u00e4t ausf\u00fchren, und sich dabei steigern will. man m\u00fcsste ja Monate mit dem Erlernen der Technik zubringen – und der Hohepriester (Trainer genannt) infolgedessen Zeit f\u00fcr die Betreuung einplanen. Ebensogut k\u00f6nnte ein katholischer Pfarrer zus\u00e4tzlich zur allsonnt\u00e4glichen Massenpredigt in Einzelgespr\u00e4chen den Kontakt zu seinen Schafen suchen. Nein, derlei widerspricht dem Selbstverst\u00e4ndnis von Das Fitness<\/em>. Niedrige Einstiegsh\u00fcrden sind gefragt, und weil es keine Steigerung in Form von schneller laufen, mehr Gewicht und \u00c4hnlichem gibt, erh\u00f6hen wir einfach die Anzahl der \u00dcbungen, oder ein neuer Trend namens Functional Fitness erkl\u00e4rt mit seinem Namen alles andere als nichtfunktional, w\u00e4hrend die Zahl gleichzeitig eingesetzter Ger\u00e4tschaften erh\u00f6ht wird. Das Fitness<\/em> sagt: Der aber, mit einer Hantel auf dem Bosu-Ball steht, kann im Prinzip auch \u00fcber Wasser gehen.<\/em><\/p>\n

Wasser, soviel sei hier gesagt, ist von besonderen Marken mit hereingemixtem P\u00fclverchen zu trinken; beides wird in Das Fitness<\/em> feilgeboten.<\/p>\n

Trainieren l\u00e4sst sich im Fitnessstudio \u00fcbrigens ganz vortrefflich, lassen wir uns dabei nicht davon irritieren, dass Das Fitness<\/em> die gleichen R\u00e4umlichkeiten nutzt. Auch Sakralbauten k\u00f6nnen Kontemplation und innerer Einkehr dienen. Und normalerweise ist die Sektengemeinde recht tolerant; kommen sich T\u00e4nzer und Trainierende schon r\u00e4umlich kaum in die Quere, sind Letztere vom Gl\u00e4ubigen an einer Maschine oder einer Hantel vorwiegend in der Art der Nutzung zu unterscheiden. Es wage jedoch kein Sterblicher, eine Kettlebell auf dem Parkett abzustellen, Fegefeuer und ewige Verdammnis sind ihm gewiss!<\/p>\n

Letztlich ist Das Fitness<\/em> das, was ehedem der Ablass war: Der Gl\u00e4ubige zahlt, damit ihm S\u00fcndenstrafen vergeben werden. So lebt er in der Hoffnung auf eine das irdische Paradies im Diesseits, was einen gewaltiger Fortschritt im Vergleich zur Ablasspraxis darstellt, wo der Kirche bekanntlich nichts anderes \u00fcbrig blieb, als mit einem weniger schrecklichen Jenseits zu locken. Eine Hoffnung, die von Fitnessmagazinen illustriert und am Leben erhalten wird.<\/p>\n

Brauchen wir jemanden, der f\u00fcnfundneunzig Thesen an die Studiot\u00fcr nagelt? Ach was, Das Fitness<\/em> liefert denen, die rechten Glaubens und Wollens sind, Hilfe bei der Selbstt\u00e4uschung. Ein wenig Zweifel zu s\u00e4en finde ich indes angebracht.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

„Ich gehe ins Fitness“ h\u00f6re ich ab und zu, und meistens blicke ich in ein verkl\u00e4rtes Augenpaar, als w\u00fcrde es sich bei Das Fitness um einen magischen Ort handeln. Eine Art Wunschbrunnen, der W\u00fcnsche zwar nicht wahr werden l\u00e4sst, aber – ja, was eigentlich? Sehen wir uns Das Fitness n\u00e4her an.<\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[334,343],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3559"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=3559"}],"version-history":[{"count":9,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3559\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":3569,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3559\/revisions\/3569"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=3559"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=3559"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=3559"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}