{"id":3512,"date":"2018-03-11T19:11:05","date_gmt":"2018-03-11T17:11:05","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=3512"},"modified":"2018-03-12T15:05:34","modified_gmt":"2018-03-12T13:05:34","slug":"die-sache-mit-den-hausaufgaben","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/die-sache-mit-den-hausaufgaben\/","title":{"rendered":"Die Sache mit den Hausaufgaben"},"content":{"rendered":"

Nein, ich bin nicht gerne zur Schule gegangen. Zu den besonders unsch\u00f6nen Begleiterscheinungen der Schulzeit geh\u00f6rten Hausaufgaben. Und obwohl schon der Gedanke daran mich noch heute mit den Augen rollen l\u00e4sst, habe ich das Wort k\u00fcrzlich benutzt, habe mir sogar freiwillig welche ausgesucht. Wie kam es dazu?
\nIch erz\u00e4hle euch am besten die ganze Geschichte, wobei ich euch leider nicht ersparen kann, gemeinsam mit mir in jene dunkle Zeit zur\u00fcckzugehen, an die nur die wenigsten von uns gerne zur\u00fcckdenken: Zur\u00fcck in die Schulzeit.<\/p>\n

Schule. F\u00fcr mich war das ein Ort der Langeweile, an welchem komische Menschen (Lehrer) mit eigenartigen Methoden versuchten, mir Sachen beizubringen, die mich v\u00f6llig kalt lie\u00dfen. Zum Gl\u00fcck gab es noch die Nachmittage. In meiner Freizeit konnte ich meiner Neugier freien Lauf lassen, indem ich mir Wissen \u00fcber jene Themen aneignete, die mir wichtig waren. Damals zum Beispiel Motoren- und Fahrwerktechnik, Fahrzeuggeschichte und dergleichen mehr. Wenn ich mir dabei mathematische Zusammenh\u00e4nge erschloss, umso besser. Es ist mir wichtig, den Unterschied genau herauszuarbeiten: Besagte Zusammenh\u00e4nge dienten <\/em>dem tieferen Verst\u00e4ndnis an anderer Stelle, was dem didaktischen Ansatz der Schule entgegensteht. Dort hei\u00dft es bekanntlich: „Lerne erstmal, vielleicht wirst du sp\u00e4ter sehen, warum es wichtig ist.“<\/em> Ich f\u00fchle mich an das Versprechen vom Einzug ins Paradies nach dem Tode erinnert: „Ertrage die M\u00fchsal deines irdischen Daseins, denn wir versprechen dir im Jeinseits das Paradies.“ Ich bin kein religi\u00f6ser Mensch, weshalb ich mit solchen Versprechen nichts anfangen kann. Anstelle das Jammertal des Lernens ohne erkennbaren Nutzen zu durchschreiten, bevorzuge ich die harte Arbeit im Paradies.<\/p>\n

Wen wundert es also, wenn Das brauche ich doch nie mehr im Leben!<\/em> ein Satz war, den ich mit der Arroganz eines Sch\u00fclers, dessen Bezugsrahmen zum k\u00fcnftigen Dasein eigentlich keinerlei Prognose zul\u00e4sst, vehement vertrat. So viel Selbstkritik darf an dieser Stelle sein!<\/p>\n

Soweit also Mathe, Physik, und so weiter. Au\u00dferdem gab es noch F\u00e4cher wie Deutsch, in welchem man mich speziell in den h\u00f6heren Klassen mit Klassikern wie Schiller maltr\u00e4tierte.<\/p>\n

Aber ist Euch auch wohl, Vater? Ihr seht so bla\u00df.<\/em><\/p>\n

Nein, nicht Ihr seht so bla\u00df aus.<\/em>! Ich glaube, in den R\u00e4ubern steht das so. Oder bei Kabale und Liebe. Oder sonstwo. Ist auch egal, denn ohne das aus<\/em> hatte der Text sich schon mit einem der ersten S\u00e4tze in dasselbe geschossen.
\nHohe Literatur war seither f\u00fcr mich gleichbedeutend mit langweilig und nicht lesenswert. Nicht genug damit, selbstverst\u00e4ndlich mussten diese Werke interpretiert <\/em>werden, wobei – wer w\u00fcrde es anders vermuten? – immer nur eine Interpretation korrekt war: die des Lehrers.<\/p>\n

Dergestalt traumatisiert, machte ich, eigentlich eine Leseratte par Excellence, konsequent einen gro\u00dfen Bogen um das, was als „Literatur“ bezeichnet wird.
\nBis, ja bis zu einer Begebenheit, die sich vielleicht f\u00fcnfzehn Jahre nach dem Abi zutrug: ich hatte mir, am Bahnhof auf einen Freund wartend, dortselbst das Buch Die Pest<\/em> von Albert Camus zugelegt, weil der Klappentext kurzweilige Lekt\u00fcre versprach.
\nEr kommentierte meinen Kauf mit den Worten: „Oh, Weltliteratur.“
\nMeine Reaktion: „Oh, schei\u00dfe!“<\/p>\n

Was soll ich sagen, der gute Albert hat mir geholfen, mein literarisch induziertes Trauma zu \u00fcberwinden, denn ich habe Die Pest<\/em> begeistert gelesen!<\/p>\n

Wobei es nicht nur die Inhalte waren, welche mir den anf\u00e4nglichen Spa\u00df an der Schule – das war etwa der erste Monat der ersten Klasse – verleideten, sondern das System Schule an sich. Oben lie\u00df ich schon einen Punkt anklingen: wenn es mehrere sinnvolle L\u00f6sungen gibt, z\u00e4hlt nur die des Lehrers.<\/p>\n

Vor allem aber gab es Hausaufgaben.<\/p>\n

Mit anderen Worten: man wollte, dass ich mich am Nachmittag, abends oder gar am Wochenende mit diesen eigenartigen Themen befasse, die man in der Schule aufdr\u00fcckt. Das bedeutete: in meiner Freizeit!
\nDa verstehe ich keinen Spa\u00df, weshalb ich etwa ab der zehnten Klasse nicht mehr an dieser Unsitte teilnahm.
\nLehrer hatten \u00fcbrigens eine andere Meinung dazu, aber ich denke, das brauche ich nicht extra erw\u00e4hnen.<\/p>\n

Wundert sich jemand, wenn ich sage, dass der Satz Ich w\u00fcrde gerne wieder in die Schule gehen!<\/em> nie \u00fcber meine Lippen gekommen ist? Dass ich der Schule nicht eine Tr\u00e4ne nachweine?
\nAber Es war doch nicht alles schlecht<\/em>. Nein, war’s nicht. Die Aussage gilt bekannterma\u00dfen nicht nur f\u00fcr die Schule, sie wird gerne auch in der R\u00fcckschau auf totalit\u00e4re Regimes ge\u00e4u\u00dfert. Ich mag da nicht differenzieren.<\/p>\n

Umso erstaunlicher ist von diesem Hintergrund also der Gedanke, den ich k\u00fcrzlich beim Training hatte. Wie Leser eines Blogs wissen, erlerne ich seit gut eineinhalb Jahren das olympische Gewichtheben beim Kraftsportverein Durlach. Eine weitere Sportart, die mir unglaublich viel Freude bereitet. Nun bringt es „das Leben“ – das hei\u00dft der Job oder schlicht mal der Besuch einer Veranstaltung bisweilen mit sich, dass ich ein Training ausfallen lassen muss. So auch letzte Woche. So bat ich den Trainer, mir schlichtweg die f\u00fcr Donnerstag vorgesehenen \u00dcbungen aufs Handy zu schicken, auf dass ich sie zuhause am Wochenende nachhole. Wohl dem, der, wie ich, eine Langhantel daheim hat. Ich will sie nicht missen!<\/p>\n

Und jetzt kommt’s: ich habe, mit Vorfreude in der Stimme, das Wort Hausaufgaben <\/em>verwendet, ohne dass die traumatische Erfahrung der Schulzeit irgendwelche Symptone ausgel\u00f6st h\u00e4tte!
\nIm Gegenteil, freudig las ich die WhatsApp-Nachricht mit den \u00dcbungen und begeistert gestaltete ich meinen Nachmittag mit ihnen.<\/p>\n

Verwundert stelle ich fest, dass das Wort keine allergische Reaktion mehr in mir ausl\u00f6st, offenbar kann ich mittlerweile differenzieren, um welches Thema es sich bei den Aufgaben handelt. Und nat\u00fcrlich spielt auch die Art und Weise, wie sie verteilt werden, eine Rolle.<\/p>\n

Im Zusammenhang mit Hausaufgaben hat sich meine Einstellung also ge\u00e4ndert.<\/p>\n

Was die Schule betrifft, weine ich ihr noch immer keine Tr\u00e4ne nach. Allenfalls w\u00e4re sie mir ein Freudentr\u00e4nchen wert, weil ich sie hinter mir habe. <\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Neulich wurde an meine Schulzeit erinnert, eine Zeit, die ich zum Gl\u00fcck aus meinem Ged\u00e4chtnis verdr\u00e4ngt habe. Was war geschehen? Hausaufgaben! Hausaufgaben, die ich mir vom Training mitgenommen habe. Freiwillig!<\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[342,341,340],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3512"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=3512"}],"version-history":[{"count":7,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3512\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":3519,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3512\/revisions\/3519"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=3512"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=3512"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=3512"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}