{"id":3471,"date":"2017-11-04T00:27:12","date_gmt":"2017-11-03T22:27:12","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=3471"},"modified":"2017-11-04T01:09:43","modified_gmt":"2017-11-03T23:09:43","slug":"rezension-siegen-ist-kopfsache","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/rezension-siegen-ist-kopfsache\/","title":{"rendered":"Rezension „Siegen ist Kopfsache“"},"content":{"rendered":"

Ich finde, aus den meisten B\u00fcchern l\u00e4sst sich irgendein Nutzen ziehen, etwas lernen. Im Sinne von „so schlecht kann man nicht schreiben“. Das gilt f\u00fcr die meisten, wohlgemerkt, denn „Siegen ist Kopfsache“ ist eines von den anderen. <\/p>\n

Dabei verspricht der Untertitel „Die mentalen Erfolgsstrategien der Ausnahme-Athleten“ ziemlich viel, wie mich auch der Umschlagtext neugierig gemacht hat. Voller Vorfreude griff daher ich an meinem ersten Urlaubswochenende zum frisch erstandenen Buch, bereitete mir eine Kanne Tee, um mich in genussreichen Lesestunden von den Erkenntnissen, die der Autor Fitzgerald aufbereitet hatte, belehren zu lassen.<\/p>\n

Leider hielt die Freude nur kurz.<\/p>\n

Es begann im ersten Kapitel, beim Einf\u00fchrungsbeispiel.
\nGegen ein solches ist nichts zu sagen, schlie\u00dflich sind diese ein probates Mittel, um den Leser an das Thema heranzuf\u00fchren. Viele B\u00fccher illustrieren ihren Inhalt anhand von Beispielen, was ich an und f\u00fcr sich gut finde. Verstand und Emotion, sozusagen: Geschichten bedienen die Emotion, w\u00e4hrend der Verstand mit sachlichen Informationen gef\u00fcttert wird. Solcherart wird mensch \u00fcber zwei unterschiedliche Informationsverarbeitungssysteme bef\u00fcttert – passt!<\/p>\n

Vielmehr passt es dann, wenn beides geliefert wird – und wenn, anders als in diesem eigenartigen Druckwerk, die Beispiele ihre Rolle erf\u00fcllen, welche darin besteht, den theoretisch-informativen Inhalt leichter verdaulich zu machen.
\nNicht nur beim ersten, sondern auch bei jedem anderen Kapitel werden die Beispiele derart ausschweifend dargestellt, dass jedweder Bezug zum Thema verloren geht. \u00dcber (zu) viele Seiten hinweg werden Leben und Wirken der Sportler beschrieben und ihre Wettk\u00e4mpfe mit dem Gegner und sich selbst en Detail ausgebreitet. Ich fragte mich oft, ob ich den entscheidenden Hinweis verpasst habe. Hatte ich nicht, weil es keinen gibt.<\/p>\n

Au\u00dferdem folgen die Beispiele ausnahmslos einem simplen Muster:<\/p>\n

Ein guter Sportler erkennt sein herausragendes Talent.
\nEr stellt fest, dass er unter seinen M\u00f6glichkeiten bleibt.
\nTiefe Krise, Hinwendung zu anderen Aktivit\u00e4ten.
\nSchl\u00fcsselerlebnis.
\nNeuer Anlauf und – schwupps! – wie von Zauberhand bricht der Bann und alles ist gut.<\/p>\n

Und das in jedem Kapitel. Sp\u00e4testens beim zweiten Beispiel h\u00f6rte ich die Stimme in meinem Kopf, die dem Autor genervt zurief: „ja doch, ist gut, ich hab’s kapiert. Was ist jetzt anders? Wo ist der Punkt?“. Eine solche lustlose Aneinanderreihung stets desselben langweilt mich zutiefst.<\/p>\n

Um meine Kritik an einem Beispiel zu illustrieren: W\u00fcrde Fitzgerald ein Kochbuch verfassen, so erf\u00fchre der Leser von einem sehr guten Koch, dem allerdings leider das letzte Qu\u00e4ntchen zum perfekten Rezept fehlt. Er st\u00fcrzt ob des Ungemachs in eine tiefe pers\u00f6nliche Krise, in deren Folge er sein Tun anderen Feldern widmet. Als Postbote, Rechtsanwalt oder Programmierer beispielsweise. Nat\u00fcrlich l\u00e4sst ihn seine alte Leidenschaft nicht los, weshalb er
\n– nach dem Gespr\u00e4ch mit einer Bezugsperson
\n– einem tiefen Sturz
\n– Handauflegen durch sich selbst
\n(etc., hier kann beliebig ausgew\u00e4hlt werden)
\ngel\u00e4utert an den Herd zur\u00fcckkehrt und fortan sein herausragendes Potenzial zu nutzen versteht.<\/p>\n

Diese Geschichte bildet einen gro\u00dfen Teil jedes Kapitels. Jedes einzelnen Kapitels. Immer derselbe Ablauf.<\/p>\n

Ach ja, ich hatte mich f\u00fcr ein Kochbuch <\/em>als Beispiel entschieden. Der Leser wird leider entt\u00e4uscht, denn Rezepte der neu geborenen Meisterk\u00f6che stehen keine drin. Bestenfalls erf\u00e4hrt er: mehr Salz<\/em>.<\/p>\n

Was war gleich wieder der Kern, um den es gehen soll?
\nDer Umschlagtext behauptet, viele Sportler w\u00fcrden im Wettkampf unter ihren M\u00f6glichkeiten bleiben – und, wenn zwei Athleten dasselbe Potential haben, gewinnt derjenige, der n\u00e4her an seine Grenzen geht. Die Psyche also wieder mal. Ein hochinteressantes Thema mit plausibler These, die, denke ich, jeder nachvollziehen kann.
\nEs ist nur schade dass Fitzgerald viel ank\u00fcndigt, ohne zu liefern. Dabei w\u00e4re es ein Leichtes, den Bogen zum Belastungs- \/ Beanspruchungsmodell aus der Arbeits- und Organisationspsychologie zu schlagen, um hier Ansatzpunkte oder Vergleichsm\u00f6glichkeiten zu suchen; \u00c4hnlichkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten.
\nEbenso h\u00e4tte er auf bekannte Werkzeuge verweisen k\u00f6nnen.<\/p>\n

Weshalb kratzt er im gesamten Buch derma\u00dfen an der Oberfl\u00e4che?<\/p>\n

Ich muss mich korrigieren: er kratzt nicht. Kratzer hinterlassen schlie\u00dflich Spuren, gehen also in die Tiefe (wenn auch nur wenig). Diesem Vorwurf muss sich Fitzgerald nicht aussetzen, er ber\u00fchrt nichts. Nicht die Oberfl\u00e4che, und schon gar nicht den Geist des Lesers.<\/p>\n

Mit dem fehlenden Tiefgang k\u00f6nnte ich ja noch leben, wenn die Lekt\u00fcre halbwegs kurzweilig w\u00e4re. Zur Not k\u00f6nnte sich ein Leser die wichtigen Punkte aus den Beispielen und dem F\u00fclltext zwischen diesen herausfiltern. Wenn, ja wenn etwas wie eine inhaltliche Struktur zu erkennen w\u00e4re. Von Stichpunkten, Zwischen\u00fcberschriften oder gar Diagrammen, die einen roten Faden, oder Landmarken verdeutlichen k\u00f6nnten, will ich gar nicht reden (jedes Kapitel besteht aus einer \u00dcberschrift und Flie\u00dftext. Immerhin mit Abs\u00e4tzen). Weshalb das Buch \u00fcberhaupt in Kapitel aufgeteilt ist, hat sich mir nicht erschlossen, jedes einzelne folgt dem gleichen Aufbau und transportiert nach der Lebensbeichte der Hauptfigur dasselbe Geblubber.
\nAber meinetwegen, wenn es keine Zusammenfassungen oder pr\u00e4gnant formulierte Zwischenergebnisse gibt, geht es auch ohne – ich filtere selbst. Mein Filter blieb jedoch leer.<\/p>\n

Schlussendlich handelt es sich bei „Siegen ist Kopfsache“ um mehr als dreihundert Seiten Nichts; eine Nullnummer, die mich vor allem deswegen \u00e4rgert, weil das Thema so viel hergibt.<\/p>\n

Ich tr\u00f6stete mich durch den Kauf zweier weiterer B\u00fccher; aus einem der beiden* zitiere ich gerne, denn es gibt die Richtung vor, die Fitzgerald h\u00e4tte nehmen k\u00f6nnen:
\nDas Ziel des Mentalen Trainings besteht darin, sich in einen psychischen Zustand zu versetzen, der es erm\u00f6glicht, unter allen denkbaren Bedingungen die eigenen realistischen Leistungsm\u00f6glichkeiten zu entfalten.<\/em><\/p>\n

In diesem einen kurzen Satz steckt mehr, als in dreihundert Seiten Papierm\u00fcll von Fitzgerald. W\u00e4re das Buch unbedruckt, h\u00e4tte es gleich viel Inhalt, ich k\u00f6nnte es aber wenigstens als Notizbuch verwenden!<\/p>\n

* das rezensiere ich auch noch, soviel Spannung g\u00f6nne ich mir! \ud83d\ude42<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Ich finde, aus den meisten B\u00fcchern l\u00e4sst sich irgendein Nutzen ziehen, etwas lernen. Im Sinne von „so schlecht kann man nicht schreiben“. Das gilt f\u00fcr die meisten, wohlgemerkt, denn „Siegen ist Kopfsache“ ist eines von den anderen. <\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[3,13,9],"tags":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3471"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=3471"}],"version-history":[{"count":11,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3471\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":3482,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3471\/revisions\/3482"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=3471"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=3471"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=3471"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}