{"id":3450,"date":"2017-08-15T17:16:26","date_gmt":"2017-08-15T15:16:26","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=3450"},"modified":"2017-08-16T17:48:52","modified_gmt":"2017-08-16T15:48:52","slug":"sport-oder-sex","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/sport-oder-sex\/","title":{"rendered":"Sport oder Sex?"},"content":{"rendered":"

Neulich erz\u00e4hlte ich einer Bekannten, wie sehr es mir gef\u00e4llt, wenn ich nach dem Training im Bett liege und sich der ganze K\u00f6rper benutzt anf\u00fchlt. „Wie nach dem Sex“ war ihr Kommentar dazu.<\/p>\n

Wobei ich nicht ganz korrekt zitiere, denn ihre Aussage war „Wie nach gutem Sex“.<\/p>\n

Dabei handelt es sich um eine Formulierung, die ich umso weniger verstehe, je l\u00e4nger ich dar\u00fcber nachdenke – was jetzt nicht hei\u00dfen soll, ich verst\u00fcnde sie ohne Gr\u00fcbeln. Strenggenommen kann ich mit dem Begriff guter Sex<\/em> \u00fcberhaupt nichts anfangen. Was soll denn in diesem Zusammenhang „gut“ hei\u00dfen? Da dr\u00e4ngt sich mir schon dir Frage auf, ob wir das Gegenteil von schlecht<\/em>, oder von b\u00f6se <\/em>meinen. Und wer bei aufdr\u00e4ngen <\/em>im letzten Satz an Notzucht, mindestens aber an N\u00f6tigung denkt, lenkt seine Gedanken m\u00f6glicherweise in Richtung b\u00f6se. Das wiederum lag mir vollkommen fern. Ich halte zun\u00e4chst fest, dass unklar ist, wie das Attribut gut <\/em>im sexuellen Bereich von b\u00f6se <\/em>oder schlecht <\/em>abzugrenzen w\u00e4re.<\/p>\n

Unabh\u00e4ngig davon k\u00f6nnen wir uns fragen, welche Bedingungen erf\u00fcllt sein m\u00fcssen, damit Sex ein guter w\u00fcrde? Ist dies dann der Fall, wenn alle Beteiligten zufrieden sind (ich spare mir den Kalauer mit befriedigt<\/em>)? Wohl kaum, denn wir m\u00fcssen zumindest die M\u00f6glichkeit von einander widersprechenden Einsch\u00e4tzungen in Betracht ziehen. Ich stelle mir ein postkoitales Bettgefl\u00fcster vor:<\/p>\n

Hach, ich fand’s super!<\/em>
\nNaja. Vielleicht sollte ich anfangen zu rauchen, dann k\u00f6nnte ich wenigstens die Zigarette danach genie\u00dfen.<\/em><\/p>\n

War dieser Sex gut oder nicht?<\/p>\n

Bevor ich also lang und breit hin und her \u00fcberlege, mir die Finger wund und das Hirn matt tippe, verzichte ich lieber auf die weitere Er\u00f6rterung sexueller G\u00fcte und widme mich der eingangs er\u00f6ffneten Frage, inwieweit irgendein Sex mit Sport gleichzusetzen sei.<\/p>\n

Dabei l\u00f6se ich mich nicht v\u00f6llig von der guten <\/em>Sache, denn theoretisch k\u00f6nnte ein G\u00fctemerkmal im Ersch\u00f6pfungszustand danach liegen. Je kaputter, desto besser.
\nOder? W\u00fcrde jemand ernsthaft darauf abzielen?
\nDann brauchte man blo\u00df ein wenig Sport treiben, bevor man es treibt – schon wird der Sex „besser“. Oder umgekehrt: Poppen vor dem Sport (gleich Vorerm\u00fcdung), und das Training wird sch\u00f6ner gewesen sein.<\/p>\n

Nur wenige Argumente lassen sich so locker aushebeln.<\/p>\n

\u00dcbrigens sind die verbrauchten N\u00e4hrstoffe verwandt mit dem Erm\u00fcdungszustand, und als Kriterium ebenso nutzlos. Ich bin zu faul, es selbst zu suchen, aber irgendwo in den unendlichen Weiten des weltweiten Netzes findet sich die Information, wie viele Kilojoule st\u00fcndlich \/ min\u00fctlich \/ … bei verschiedenen Formen der Leibesben\u00fctzung (einschlie\u00dflich Sex) verbrannt werden. Konsequenterweise sollte dann auch der Vergleich zu Garten- oder Flie\u00dfbandarbeit gezogen werden. Damit b\u00f6ten sich interessante Auswahlm\u00f6glichkeiten, um chemische Energie in W\u00e4rme zu verwandeln:<\/p>\n

Lass‘ uns das Mittagessen verarbeiten. Sollen wir im Garten ein Vogelh\u00e4uschen aufstellen, oder im H\u00e4uschen v\u00f6geln?<\/em><\/p>\n

Auch Erm\u00fcdung und Energie ist, scheint mir, eine Sackgasse. Wenigstens komme ich dadurch auf den Gedanken, von der Bewegungsseite her in das Thema einzudringen. Ich vermag mir weder Sex noch Sport ohne Bewegung vorstellen, weshalb ich diese Facette als n\u00e4chste betrachte.<\/p>\n

Sie liefert mir ein erstes Abgrenzungsmerkmal weil sich Sport, im Gegensatz zum Sex, ohne Beteiligung fremder Organismen durchf\u00fchren l\u00e4sst. Den Spruch „Masturbation ist Sex mit dem einzigen Menschen, den du wirklich liebst“ kenne ich nat\u00fcrlich auch. Auch Mannschaftssportler werden einwenden, dass obige Aussage nur f\u00fcr Individualsportarten gilt, womit ich beinahe gen\u00f6tigt sein k\u00f6nnte, Masturbation als Individualsportart zu verstehen, den ich Teamsportarten gegen\u00fcberstelle. Ich k\u00f6nnte. Aber ich tue es nicht.<\/p>\n

Stattdessen verweise ich auf die Ausgangssituation, in der von Sport alleine<\/em>, und Sex nicht alleine<\/em> die Rede war. Dabei halte ich bewusst offen, wer denn nun bei Sport und Sex zu den Akteuren z\u00e4hlt. Zu zweit oder in Kleingruppen, in Massen, Geschlechter bunt gemischt oder sortenrein – mir egal. Mir gen\u00fcgt eine einzelne Dame, und ich bin zufrieden. Aber jedem Tierchen sein Pl\u00e4sierchen.
\nKnorkator hat im Song Klonen* <\/em>\u00fcbrigens eine interessante Vision f\u00fcr die Narzissten unter uns formuliert. Noch ist das allerdings Zukunftsmusik. Buchst\u00e4blich.<\/p>\n

Also nochmal: Sex zu zweit (siehe oben) oder Sport alleine (auch siehe oben). Und dann der Zustand danach. Sch\u00f6n und gut, nach beiden Aktivit\u00e4ten kann sich Ermattung einstellen. Da schreit eine Stimme in mir: Wie sieht es beim Sex mit Progression aus?
\nWenn ich Sport treibe, kann ich l\u00e4nger \/ schneller laufen, Rad fahren, schwimmen, usw., ich kann Gewichte erh\u00f6hen und die \u00dcbungen schwieriger gestalten.
\nBietet Sex \u00e4hnliche Gestaltungsm\u00f6glichkeiten, l\u00e4sst sich das SAID**-Prinzip auf ihn anwenden? Ist es demnach notwendig, dass ich bei der Partnerwahl auf den Trainingsstand achte? Vielleicht ein kleines Assessment davor<\/em>? W\u00e4hrend Sportpartner sich leicht einsch\u00e4tzen lassen – was ist deine Marathonbestzeit?<\/em>, f\u00e4llt es mir schwer, vor der geschlechtlichen Paarung eine vergleichbare Frage zu formulieren, die den Informationsbedarf hinreichend zu befriedigen vermag.
\nAu\u00dferdem: so arschig es ist, einem langsameren Trainingspartner davonzulaufen, so uncharmant d\u00fcrfte es sein, mitten im Akt zu sagen: sorry, aber wir brechen an der Stelle ab, unser Leistungsunterschied ist einfach zu gro\u00df<\/em>. Davon abgesehen d\u00fcnkt es mich verzerrt, den Leistungsgedanken ins Bett zu \u00fcbertragen. Vielleicht sehe ich das durch die romantisch-verkl\u00e4rte Brille, aber seit ich erfahren habe, dass selbst Popstars ihren Status nicht durch au\u00dfergew\u00f6hnliche Leistungen im Schlafzimmer erreicht haben, f\u00fchle ich mich in meiner Ansicht best\u00e4tigt.<\/p>\n

Keine Progression beim Sex.<\/p>\n

Auch der Wettbewerbsgedanke liegt ihm fern. Freilich lie\u00dfen sich Pornolympische Spiele denken, die mannigfaltige Formen der Bewertung zulassen. Da brauchen wir nicht erst nach dem m\u00e4chtigsten Gem\u00e4cht und den gr\u00f6\u00dften K\u00f6rbchen Ausschau halten – manch ein Mann w\u00fcrde gerne ein K\u00f6rbchen von der Olympiasiegerin bekommen – sondern ganz simpel nach Zeit und anderen zahlenm\u00e4\u00dfig erfassbaren Gr\u00f6\u00dfen im leiblichen Miteinander suchen. Wer ist zuerst fertig? Oder wer h\u00e4lt l\u00e4nger durch? Ein One-Night-Stand als Wettkampf, worin die Nacht als Zeitraum zwischen Sonnenunter- und Aufgang definiert wird, erhielte schon durch jahreszeitliche und geographische Schwankungen besondere W\u00fcrze. Ich bin sicher, dass Bewohner der Polarregionen mit ihren monatelangen Polarn\u00e4chten als Favoriten in den Kampf gehen d\u00fcrften.<\/p>\n

Kampf?<\/p>\n

Vom Kampf der Geschlechter ist ja oft zu lesen, aber Sex als Kampf? Der Begriff impliziert doch eine Gegnerschaft, die nicht recht zum Charakter des Liebesaktes passen will. Wenn wir hier ein Miteinander anstelle des Gegeneinander voraussetzen, bleibt auch der Wettbewerb auf der Strecke, und damit die Olympischen Liebesspiele.<\/p>\n

Kein schneller, h\u00f6her, weiter und keine B-Note.<\/p>\n

Keine Stilnote, obwohl sich theoretisch Haltungsnoten einf\u00fchren lie\u00dfen, wobei sich postwendend die Frage stellt, wer denn den die Noten vergeben soll? Selbst wenn alles auf Video aufgezeichnet, und von den Akteuren des Akts im Nachgang analysiert w\u00fcrde, m\u00fcsste immer noch gekl\u00e4rt werden, an welchem Ma\u00df sie sexuelle Darbietung zu messen sei. An der Komplexit\u00e4t der eingenommenen Positionen nebst benutzten Werkzeugen vielleicht? Dazu f\u00e4llt mir die Rockband L\u00fcde & die Astros<\/em>ein. Sie besang im Song Keine Lust<\/em> eine scheinbare Kreativit\u00e4t mit den Worten „nackt vor’m K\u00fchlschrank, Spiegel und Ketten – ohne Standard in den Betten<\/em>„. Von dieser Warte aus k\u00f6nnen wir eine Br\u00fccke zum Functional Training schlagen, wo man der selben Logik folgt: wenn eine Hantel gut ist, und Balance\u00fcbungen auch, dann muss es noch besser sein, wenn man auf dem Bosu-Ball Gewichthebe\u00fcbungen ausf\u00fchrt. Bis jemand vorschl\u00e4gt, auch Gesangs\u00fcbungen dabei auszuf\u00fchren, ist wohl nur eine Frage der Zeit.
\nErlaubt ist, was gef\u00e4llt – was bedeutet, dass der pers\u00f6nliche Geschmack schnell eine unziemliche Rolle im quantifizierten Liebesspiel \u00fcbernimmt.
\nDas kannste schon so machen, aber dann isses halt Kacke. <\/em>
\nEine Substanz, deren Verwendung zur sexuellen Erregung \u00fcbrigens kein Geringerer als Marquis de Sade (ja, genau der!) in seinem Buch Die hundertzwanzig Tage von Sodom <\/em>\u00fcberaus detailliert beschrieben hat.<\/p>\n

Was er wohl zur Frage „Sex oder Sport oder Sex oder Sport oder…“ zu sagen gehabt h\u00e4tte?<\/p>\n

Will ich es wirklich wissen?<\/p>\n

Ich glaube schon, kann ihn nur nicht mehr fragen.<\/p>\n

Und ich stelle fest, dass ich nicht weiter komme. Zu verschieden sind f\u00fcr mich beide T\u00e4tigkeiten, zu unvergleichlich trotz herbeiredbarer Gemeinsamkeit, die sich im Vorhandensein k\u00f6rperlicher Aktivit\u00e4t ersch\u00f6pft.<\/p>\n

Und der benutzte K\u00f6rper, womit ich den jeweils eigenen meine?<\/p>\n

Es f\u00fchren offenbar nicht nur viele Wege nach Rom, sondern es gibt auch mehr als nur ein Rom. Daf\u00fcr ist vor allem das, was im Kopf vorgeht, ganz anders. Egal wobei.<\/p>\n

Nun bin ich vom Schreiben ersch\u00f6ft.<\/p>\n

Das ist wie nach dem…..Schreiben!<\/p>\n

* Knorkator – Klonen<\/a>
\n** SAID: Specific Adaption to Imposed Demands<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Neulich erz\u00e4hlte ich einer Bekannten, wie sehr es mir gef\u00e4llt, wenn ich nach dem Training im Bett liege, und der ganze K\u00f6rper sich benutzt anf\u00fchlt. „Wie nach dem Sex“ war ihr Kommentar dazu. Sind beide Zeitvertreibe tats\u00e4chlich Alternativen zueinander? Soll ich Unvergleichliches vergleichen? Klar soll ich!<\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[329,328,327],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3450"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=3450"}],"version-history":[{"count":12,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3450\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":3462,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/3450\/revisions\/3462"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=3450"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=3450"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=3450"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}