{"id":3350,"date":"2016-08-11T00:13:45","date_gmt":"2016-08-10T22:13:45","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=3350"},"modified":"2016-08-11T14:44:39","modified_gmt":"2016-08-11T12:44:39","slug":"notizen-zum-olymp","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/notizen-zum-olymp\/","title":{"rendered":"Notizen zum Olymp"},"content":{"rendered":"

\"miktolymp\"<\/a>
\nAuch G\u00f6tten m\u00fcssen wohnen, zu welchem Zwecke sie sich schon vor Urzeiten den Olymp auserkoren haben. Alle zwei Jahre am\u00fcsieren sie sich ob der Bem\u00fchungen sterblicher Sportler im Rahmen olympischer Spiele. Die Regeln daf\u00fcr machen – wer wohl? – die G\u00f6tter.<\/p>\n

Obzwar dieser Zusammenhang seit \u00c4onen bekannt ist, regen sich Sterbliche immer wieder aufs Neue \u00fcber olympische Beschl\u00fcsse auf. Es sei ungerecht, ein Skandal gar, Russland trotz staatlich organisierten Dopings zur Olympiade in Brasilien zuzulassen, skandiert der P\u00f6bel. Und die Entscheidung f\u00fcr – hier bitte ein beliebiges Gastland einsetzen – sei sowieso nur zustandegekommen, weil Bestechungsgelder in f\u00fcr uns Normalverdiener schwindelerregender H\u00f6he geflossen seien.<\/p>\n

Um Missverst\u00e4ndnisse auszuschlie\u00dfen: den Schwindel in unseren K\u00f6pfen erregt die H\u00f6he der gemutma\u00dften Summen. Geschwindelt wurde an anderer Stelle gewiss auch, was jedoch in die Zust\u00e4ndigkeit der Finanzbeh\u00f6rden f\u00e4llt.<\/p>\n

Wor\u00fcber regt man sich eigentlich auf?<\/p>\n

G\u00f6tter spielen ihr eigenes Spiel, nach ihren eigenen Regeln. Menschen m\u00fcssen sie nicht verstehen.<\/p>\n

Oder?<\/p>\n

Wer, mag man einwerfen, bin ich selbst \u00fcberhaupt, dass ich mir anma\u00dfe, \u00fcber die olympischen Spiele zu schreiben? Wo ich nur sporadisch mal zusehe. Turner finde ich beeindruckend, Wildwasserkajaks erfrischend kurzweilig. Fu\u00dfball? Naja. Gebt mir ein Beutelchen Reis zum umschubsen. Distanziertes Interesse, w\u00fcrde ich es nennen.<\/p>\n

Was legitimiert mich, meine Stimme zu erheben?<\/p>\n

Erstens: ich bin selbst Sportler. Und noch tr\u00e4gt Olympia ein sportliches Feigenblatt.<\/p>\n

Zweitens ber\u00fchren manche Handlungen menschliche Beurteilungsgr\u00f6\u00dfen wie etwa Moralit\u00e4t. Ich bin Mensch.<\/p>\n

Drittens, hier passt ein klassisch gewordenes Zitat: weil ich es kann.<\/p>\n

Also frisch ans Werk und munter losgetippt.<\/p>\n

Olympische Spiele also. Nach offizieller Lesart, die zu betonen das Marketing des IOC-Konzerns und seiner finanziellen sowie politischen Unterst\u00fctzer nicht m\u00fcde wird, lebt man das Ideal von Pierre de Coubertin. M\u00f6ge sich die Jugend der Welt im sportlichen Wettstreit messen. Unausgesprochen schwingt darin der Gedanke an Fairness und Moralit\u00e4t bei allen Beteiligten mit.<\/p>\n

Es d\u00fcrfte f\u00fcr die meisten Menschen klar sein, dass jedwede Vorstellung von Integrit\u00e4t im Handeln des IOC mit dem amtierenden Pr\u00e4sidenten den Bach herunterging. Ob man das russische Team nun komplett h\u00e4tte ausschlie\u00dfen m\u00fcssen, oder nicht, w\u00e4re anderenorts zu diskutieren; meine Gedanken zur Frage, welche Entscheidung wem gegen\u00fcber gerecht gewesen w\u00e4re, \u00e4u\u00dfere ich weiter unten.<\/p>\n

Zur\u00fcck zu Bach.<\/p>\n

Und zur Korruption<\/strong>.
\nWeltumspannende Gro\u00dfereignisse wie Fu\u00dfball-WM oder eben die olympischen Spiele scheinen f\u00fcr Korruption besonders anf\u00e4llig zu sein. Wobei…Korruption ist so ein h\u00e4ssliches Wort. Versetzen wir uns doch einmal in die Lage eines, sagen wir: japanischen Sportfunktion\u00e4rs, der \u00fcber den Austragungsort der \u00fcbern\u00e4chsten Winterspiele befinden soll. Etliche L\u00e4nder bewerben sich, und der arme Mann wei\u00df irgendwann nicht mehr, wo ihm der Kopf steht.<\/p>\n

Bis eines Tages ein nagelneuer Jaguar vor seiner Haust\u00fcr parkt. Mit den besten Empfehlungen. Ach<\/em>, denkt er sich, in Gro\u00dfbritannien bauen sie diese tollen Autos. Das muss ich mir merken<\/em>.
\nZwei Wochen sp\u00e4ter \u00fcberreicht ihm ein Bote einen handlichen Koffer mit einer Million Schweizer Franken. In bar. So f\u00fchlt sich also das Geld an, mit welchem ich in der Schweiz bezahlen w\u00fcrde, f\u00e4nden die Winterspiele dort statt. Interessant. <\/em><\/p>\n

Wollen wir ihm seine Dankbarkeit verdenken? Ver\u00fcbeln wir es den gr\u00f6\u00dfm\u00fctigen Spendern?
\nIch finde, wir sollten gl\u00fccklich dar\u00fcber sein dass es Menschen gibt, welche den Konflikt anderer erkennen. Lasst uns das Wort Korruption aus unserem Wortschatz streichen.<\/p>\n

Unser Funktion\u00e4r hat nichts weiter erhalten, als eine gutgemeinte Entscheidungshilfe<\/em>.<\/p>\n

Dann w\u00e4re da noch die Sache mit dem Doping<\/strong>.
\nAls normale Menschen sind wir doch alle froh, wenn niemand sich f\u00fcr unseren Harndrang interessiert. Ich wei\u00df ja nicht, wie es euch geht, aber bestimmte k\u00f6rperliche Verrichtungen f\u00fchre ich lieber alleine durch. Pipi vor Publikum. Alleine der Druck, bei einer Dopingkontrolle M\u00fcssen zu m\u00fcssen, gibt dem Wort Harndrang<\/em> eine sehr zwanghafte Bedeutung.
\nAndererseits will ich als Sportler daran glauben k\u00f6nnen, dass eine Sportlerin, der man die Goldmedaille umh\u00e4ngt, die ist, die sich am meisten f\u00fcr ihren Erfolg geschunden hat. Und mehr Talent hatte. Und mehr Gl\u00fcck. Ich will nicht diejenige mit dem besten Apotheker bewundern.<\/p>\n

Deshalb finde ich Doping doof.<\/p>\n

Noch d\u00e4mlicher finde ich diesen eigenartigen von manchen Leuten herbeigeredeten Konkurrenzkampf zwischen Staaten. <\/p>\n

Geht’s noch?<\/p>\n

Land A hat mehr Medaillen als Land B.<\/p>\n

Daf\u00fcr hat Land C seine Medaillen in wichtigeren Sportarten.<\/p>\n

Wie bitte?<\/p>\n

Was soll denn dieser schwachsinnige Schwanzvergleich?<\/p>\n

Und dann gibt es da ein Land, dem die Chose so wichtig ist, dass es von Staats wegen dopen l\u00e4sst. M\u00f6glicherweise war es auch jenes Land, das tollpatschig genug war – das Pech hatte? – sich mit der Hand in der Bonbondose erwischen zu lassen. Dar\u00fcber vermag ich nicht zu urteilen.
\nNun d\u00fcnkt mich, dass ein staatlich unterst\u00fctztes, eventuell gar organisiertes, auf jeden Fall systematisches (im Sinne von: im sportlichen System des Staates verankert), Doping eine ganz besondere Gr\u00f6\u00dfenordnung darstellt. Besonders \u00fcbel. Schlimm genug, dass der sportpolitische Laie in mir schweigt, um den Moralisten hervorzukehren, welcher klar sagt: wenn dem so ist, darf das Land nicht teilnehmen.<\/p>\n

Im Interesse des letzten Rests an Vertrauen, das Olympia gerade noch genie\u00dft.<\/p>\n

Im Interesse der sauberen Sportler.<\/p>\n

Womit ich nicht diejenigen meine, die noch nicht ertappt wurden, sondern die wirklich sauberen.<\/p>\n

Was aber geschieht? Man trifft eine Entscheidung, die armseliger nicht h\u00e4tte sein k\u00f6nnen. In fr\u00fcheren Zeiten h\u00e4tte man einen solchen Beschluss mit dem Begriff Staatsr\u00e4son<\/em> gerechtfertigt. Heutzutage entscheidet man und schweigt, denn der Olymp braucht sich niemandem gegen\u00fcber zu erkl\u00e4ren.<\/p>\n

Olympisch<\/em>, das war einmal ein Attribut, welches synonymisch f\u00fcr Fairness und Integrit\u00e4t h\u00e4tte stehen k\u00f6nnen.
\nHeute w\u00fcrde ich eine faule Mauschelei, oder das Ergebnis miesen Geschachers olympisch <\/em>nennen.<\/p>\n

Ist das gerecht<\/strong>?
\nIch denke schon, dass wir uns diese Frage stellen m\u00fcssen. Vielmehr: wem gegen\u00fcber w\u00e4re welche Entscheidung ungerecht?
\nIch beginne, indem ich mich mit einem zuweilen ge\u00e4u\u00dferten Vorschlag auseinandersetze, welcher da lautet, man m\u00f6ge s\u00e4mtliches Doping freigeben. Dieser Vorschlag wird verschiedenartig begr\u00fcndet, zum Beispiel damit, dass somit Klarheit geschaffen w\u00e4re. Oder damit, dass der Verdacht, ein sauberer <\/em>Sportler sei nur nicht erwischt worden. In der Tat, der Generalverdacht w\u00fcrde entfallen. Abgel\u00f6st durch die Gewissheit, ein jeder Sportler w\u00fcrde zu Mittelchen <\/em>greifen.<\/p>\n

W\u00e4re das gerecht?<\/p>\n

Es w\u00e4re jenen Sportlern gegen\u00fcber nicht gerecht, die eine auf Pharmazie basierende Leistungssteigerung ablehnen. Das Dopingverbot w\u00fcrde durch eine unausgeschriebene Dopingpflicht<\/em> abgel\u00f6st, in der jedes <\/em>Mittel recht w\u00e4re. Wer wollte gegen k\u00fcnstliche Muskelimplantate, oder Exoskelette argumentieren?<\/p>\n

Nein, Freigabe von Doping w\u00e4re keineswegs gerecht, sie w\u00fcrde eine Ungerechtigkeit durch eine andere abl\u00f6sen.<\/p>\n

W\u00e4re ein Hinauswurf Russlands ungerecht gewesen?<\/p>\n

Ja. Er w\u00e4re den sauberen russischen Sportlern nicht gerecht geworden. Vielleicht auch den unsauberen, denn niemand wird ernsthaft behaupten wollen, dass H\u00f6chstleistungen gedopter Sportler ausschlie\u00dflich dem Doping zu verdanken sind. Nein, die rei\u00dfen sich genauso den Arsch auf. Und nehmen zus\u00e4tzlich irgendwelches Zeugs. Aber zur\u00fcck zu den Sauberm\u00e4nnern und -frauen. Sie h\u00e4tte es hart und unverdient getroffen.<\/p>\n

Kollektivstrafen sind nicht gerecht.<\/p>\n

Aber: Eine Kollektivstrafe kann eventuell etwas bewirken. M\u00f6glicherweise \u00fcbermittelt sie den verantwortlichen Verb\u00e4nden sehr klar und unmissverst\u00e4ndlich, dass sie den Bogen \u00fcberspannt haben.
\nWenn ein Land, dem staatliches Doping im gro\u00dfen Umfang nachgewiesen wurde, trotz, wie es so sch\u00f6n hei\u00dft, erdr\u00fcckender<\/em> Beweislage, einen erklecklichen Teil seiner Athleten nach Rio schicken darf, verlagert man die Verantwortlichkeit wieder auf die individuelle Ebene. Weg von der kollektiv-staatlichen Ebene, auf die sie geh\u00f6rt. Der Staat beschei\u00dft, und der Einzelne haftet.<\/p>\n

Ist das den Athleten anderer L\u00e4nder gegen\u00fcber gerecht?<\/p>\n

Vielmehr (ich bleibe konsequent bei der kollektiven Verantwortlichkeit): ist das den anderen teilnehmenden L\u00e4ndern gegen\u00fcber gerecht? Denn wenn wir davon ausgehen, dass sich die f\u00fchrenden Politiker eines Landes im inter-nationalen Schwanzvergleich mit olympischem Lorbeer schm\u00fccken, wenn wir einen Staat als System auffassen, das erfolgreiche Sportler hervorbringt, so m\u00fcssen wir auch eine systemische Verantwortlichkeit durchsetzen.<\/p>\n

Es gilt in einem solchen Fall also zwischen verschiedenen Ungerechtigkeiten abzuw\u00e4gen. Ich zweifle, dass man in diesen Kategorien dachte, als man sich entschloss, Russland teilnehmen zu lassen. Sportpolitik ist in erster Linie Politik, der Sport kommt im Begriff zwar zuerst, in der Aus\u00fcbung dieser Disziplin scheint er nicht in Erscheinung zu treten.<\/p>\n

H\u00e4tte man…?<\/p>\n

Ich, als ahnungsloser Sterblicher, h\u00e4tte dieses Exempel statuiert. Mit aller Ungerechtigkeit, die ein solcher Entscheid mit sich gebracht h\u00e4tte. Und mit der Gewissheit, dass das IOC sich mit dieser Entscheidung bei einigen Leuten unbeliebt gemacht h\u00e4tte. Dem gegen\u00fcber h\u00e4tte man der Erosion des Vertrauens in den Sport entgegenwirken k\u00f6nnen. Anders als beim Radsport, in dessen Kontext die erste Assoziation im Gedanken besteht: was haben die Jungs genommen? Welcher Pharmakonzern hat das bessere Labor – oder sind jetzt die Hersteller von Elektroantrieben am Zuge? Hier ist ein von Misstrauen gepr\u00e4gter Sarkasmus am Zuge, den keine Sportart verdient hat.<\/p>\n

Vertrauen sieht anders aus.<\/p>\n

Vertrauen in den Olymp.<\/p>\n

Aber ich bin eben nur ein gew\u00f6hnlicher Sterblicher, der die g\u00f6ttlichen Spiele nicht verstehen kann.<\/p>\n

Es bleibt leider der Eindruck, dass die Olympischen Spiele im Jahre 2016 wieder ein bisschen olympischer <\/em>geworden sind.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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