{"id":3149,"date":"2016-01-03T19:46:48","date_gmt":"2016-01-03T17:46:48","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=3149"},"modified":"2016-01-03T20:24:50","modified_gmt":"2016-01-03T18:24:50","slug":"vorsaetzlich","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/vorsaetzlich\/","title":{"rendered":"Vors\u00e4tzlich?"},"content":{"rendered":"<p>So ein Jahresswechsel ist faszinierend: ich lege mich schlafen, wache auf &#8211; und alles ist wie zuvor. Wieso auch nicht, es \u00e4ndert sich ja blo\u00df die Jahreszahl im Datum, das ich schreibe. Ein banaler Vorgang, der das menschliche Konstrukt namens <em>Kalender<\/em> wiedergibt.<\/p>\n<p>Nichts Besonderes also.<\/p>\n<p>F\u00fcr mich.<\/p>\n<p>Andere Menschen hingegen hatten die radikale Neuausrichtung ihres Lebenswandels zu just diesem Datum vor Monaten vors\u00e4tzlich beschlossen. Und deshalb ist seit vorgestern, jenem Tag, an welchem sich viele der kleinen Raupen Nimmersatt \u00fcber Nacht in einen wundersch\u00f6ner Schmetterling verwandelten alles anders.<\/p>\n<p>Wirklich?<\/p>\n<p>Bleibt das auch so?<\/p>\n<p>Ich hege Zweifel.<\/p>\n<p>Zweifel an der Ver\u00e4nderung, an der Dauer des Zustands und letztlich an der Motivation, die vor Wochen oder gar Monaten zu dem gef\u00fchrt hatten, was der Volksmund <em>gute Vors\u00e4tze f\u00fcr das Neue Jahr<\/em> nennt.<br \/>\nTja, diese Vors\u00e4tze.<br \/>\nSchon sprachlich scheinen sie mir der guten Sache &#8211; sprich: einer vom Vorsetzenden herbeigew\u00fcnschten, ersehnten, ertr\u00e4umten, meist jedenfalls keineswegs erstrebten oder gar hingearbeiteten \u00c4nderung &#8211; eher hinderlich denn f\u00f6rderlich zu sein.<br \/>\nNehmen wir an, ein Mensch setzt sich vors\u00e4tzlich einen Vorsatz vor. Dieser macht dann, was Vors\u00e4tze ihrem Namen nach eben tun: er sitzt. Und zwar vor besagtem Menschen, ihm deshalb im Wege herum. Das macht ihn gewisserma\u00dfen zum Vorsitzenden, vielleicht auch zum Vorgesetzten, was die Sache nicht unbedingt erleichtert, denn so ein Vorgesetzter zeichnet sich im Gegensatz zur F\u00fchrungskraft dadurch aus, dass er Anweisungen gibt, die <em>zu befolgen sind<\/em>. Der Philosoph spricht hier vom <em>normativen Ist<\/em>, w\u00e4hrend sich der B\u00fcrger an die h\u00e4rtest m\u00f6gliche Formulierung obrigkeitlicher Anordnungen erinnert f\u00fchlt, die bekanntlich ohne Wenn und Aber <em>zu befolgen sind<\/em>. Wen interessieren schon Interessen und Motive desjenigen, der <em>zu folgen hat<\/em>.<\/p>\n<p>Da werfen wir einen kurzen Blick ins Lexikon, Stichwort <em>Motivation<\/em>, wo wir uns den Unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation vor Augen halten. Intrinsisch motivierte Menschen tun etwas, weil sie Lust dazu haben. Ich kenne genau einen Menschen, der von einem auf den anderen Tag mit dem Rauchen aufh\u00f6rte: <em>Ich hab&#8216; keinen Bock mehr zu rauchen<\/em>. Die halbe Schachtel Zigaretten wurde irgendwann weiterverschenkt.<\/p>\n<p>Extrinsch Motivierte handeln, weil sie es m\u00fcssen. Oder glauben, es zu m\u00fcssen.<\/p>\n<p>Ich will niemandem was unterstellen, aber diese Vorsetzerei riecht f\u00f6rmlich nach <em>Ach, ich glaube ich muss was f\u00fcr meine Gesundheit tun. Ich bin ja so dick. Weniger Essen und mehr Sport. Ab dem ersten Januar melde ich mich im Studio an.<\/em><\/p>\n<p>\u00c4h. Nur mal angenommen, solch ein Satz f\u00e4llt Anfang Oktober. Wie genau darf ich mir das vorstellen? Jemand findet sich <em>jetzt<\/em> nicht fit, und will ein Vierteljahr weiterfressen und auf der Couch herumliegen?<\/p>\n<p>Das kann nicht funktionieren.<\/p>\n<p>Wenn derjenige am 1.Januar wirklich den Weg zu sportlicher Bet\u00e4tigung findet, wird er ihn kurze Zeit sp\u00e4ter verloren haben.<\/p>\n<p>Intrinsisch geht anders. Vielmehr: es geht \u00fcberhaupt.<\/p>\n<p>Es gibt keinen Vorsatz, der vorne herumsitzt. Was soll er ohne Beine auch anderes tun? Mit Beinen, welche ihm die Lust des Menschen an der Ver\u00e4nderung macht &#8211; sie ist ihrerseits tiefer Einsicht in ihre Notwendigkeit geschuldet &#8211; gibt es anstelle des Vorsatzes einen Vorgang. Und weil der Mensch Lust im Sinne von Freude empfindet, wird aus dem Vorhaben ein Vorspiel. Schlie\u00dflich soll die Chose Spa\u00df bereiten.<\/p>\n<p>Ich habe leicht Reden, bin ich doch sportlich?<\/p>\n<p>Klar habe ich das &#8211; was den Sport betrifft.<\/p>\n<p>Nur, dass ich nicht blo\u00df von der Bewegung spreche, sondern von Verhaltens\u00e4nderungen. Dass die verflucht schwierig herbeizuf\u00fchren und noch schwerer beizubehalten sind, wei\u00df ich selber. Von au\u00dfen angesto\u00dfen &#8211; <em>ich muss Sport treiben!<\/em> &#8211; wird&#8217;s nichts. Nicht, wenn du musst. Da hilft auch keine Datumskr\u00fccke. Wenn du <em>willst<\/em>, wird ein Schuh draus, in diesem Fall wahrscheinlich ein Laufschuh.<\/p>\n<p>Glaubst du zu m\u00fcssen &#8211; lass&#8216; es, und genie\u00dfe die anderen Dinge, die dir wirklich Spa\u00df machen.<\/p>\n<p>Wenn du willst &#8211; tu&#8216; es. Jetzt.<\/p>\n<p>Viel Spa\u00df beim Vorspiel!<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"<p>So ein Jahresswechsel ist faszinierend: ich lege mich schlafen, wache auf &#8211; und alles ist wie zuvor. Bei mir.<br \/>\nAndere Menschen hingegen hatten die radikale Neuausrichtung zu just diesem Datum vor Monaten vors\u00e4tzlich beschlossen. Und deshalb ist seit vorgestern alles anders. 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