{"id":2978,"date":"2015-07-05T21:20:26","date_gmt":"2015-07-05T19:20:26","guid":{"rendered":"http:\/\/das-lauferei.de\/?p=2978"},"modified":"2015-07-06T08:58:59","modified_gmt":"2015-07-06T06:58:59","slug":"spiele-mit-den-bundesjugendsperenzien","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/das-lauferei.de\/spiele-mit-den-bundesjugendsperenzien\/","title":{"rendered":"Spiele mit den Bundesjugendsperenzien"},"content":{"rendered":"

„Sportfest“ war f\u00fcr mich immer ein Riesenspa\u00df, was auch daran gelegen haben mag, dass sie w\u00e4hrend der Unterrichtszeit stattfanden, denn ausgefallener Unterricht war gewonnene Lebenszeit. Falls meine Erinnerung tr\u00fcgt, die Bundesjugendspiele also am Wochenende stattfanden, tut dies meiner Freude keinen Abbruch: ich fand es geil, obwohl ich das Wort damals noch nicht kannte.<\/p>\n

Wie das Leben so spielt, war ich eher m\u00e4\u00dfig begabt, hatte keine Ahnung von Training (wie auch, ich war jung und brauchte kein Geld), und noch weniger Ehrgeiz. Weitsprung, Weitwurf und die l\u00e4ngeren Strecken waren ok, auf Sprints hatte ich keine Lust, was sich konsequent im Ergebnis niederschlug. War ich deshalb niedergeschlagen, als man mir die Siegeruhrkunde \u00fcberreichte? Weil eine Ehrenurkunde f\u00fcr mich als siegerurkundenbeurkundetem Durchschnittssportler ein unerf\u00fcllter Traum blieb?<\/p>\n

Nein.<\/p>\n

Doch wie ich erst jetzt erfahre, k\u00f6nnte ich deshalb zeitlebens mit einem Trauma gelebt haben.<\/p>\n

Da kommt ein unsportliches Kind weinend vom Sportfest nach Hause, und Muttchen fordert sofort die Abschaffung der Bundesjugendspiele, denn Mi\u00dferfolg soll nicht verarbeitet, er muss vermieden werden. <\/p>\n

Geht’s noch?<\/p>\n

Selbstverst\u00e4ndlich muss sich eine etablierte Veranstaltung wie die Bundesjugendspiele gefallen lassen, dass man ihr Konzept hinterfragt, und ebenso ist es f\u00fcr mich klar, dass dieses Konzept nicht das von vor vierzig Jahren sein braucht – da fangen wir gleich mit der Auswahl der Sportarten an. Lasst den Sprint weg, ich will eine Ehrenurkunde!
\nIch halte es auch f\u00fcr angebracht, \u00fcber \u00e4hnliche Veranstaltungen aus anderen Bereichen nachzudenken: Kunst, Naturwissenschaften, und so weiter. Mangels besserer Begriffe spreche ich von leistungsorientierten Workshops<\/em>.<\/p>\n

Ja, Workshops – weil es Spa\u00df machen muss!<\/p>\n

Ja, leistungsorientiert – weil ein Mensch ein Recht darauf hat, seine Grenzen und sein Talent zu erfahren!<\/p>\n

Es kann nicht darum gehen, einen jungen Menschen ein Erleben des eigenen Scheiterns vorzuenthalten; ein Satz, bei dessen Formulierung ich mich im Geiste bereits ermahne, erl\u00e4uternde Worte folgen zu lassen. Mit Scheitern<\/em> meine ich das Scheitern eines Vorhabens, nicht das Scheitern der Person, welches sich im Kopf besagter Person manifestiert – oder in den K\u00f6pfen seiner Eltern.
\nDarin liegt f\u00fcr mich des Pudels Kern: Selbst wenn Eltern ein dummes, fettes, h\u00e4ssliches Kind haben, erlebt es sein schlechtes Abschneiden bei den Bundesjugendspielen (um beim Beispiel zu bleiben) erst dann als pers\u00f6nliche Schmach, wenn seine Eltern es als solche empfinden. Wie w\u00e4re es, wenn sie ihr dfh-Kind einfach lieben? Und zwar auch dann, wenn es unsportlich ist (oder worauf der elterliche Ehrgeiz sonst abzielt).<\/p>\n

Ich behaupte: Wenn das dfh-Kind mit seinen Niederlagen selbstbewusst umgehen lernt, wird es der dfh-Erwachsene vermutlich auch tun, und so erfolgreicher sein als ein frustrationsintoleranter Narziss. Mal abgesehen davon, dass sowohl der d- als auch der f-Anteil ver\u00e4nderliche Gr\u00f6\u00dfen sind, denn Intelligenz l\u00e4sst sich entwickeln, und zum Thema Abnehmen brauche ich auf einem sportlastigen Blog wohl nichts schreiben.<\/p>\n

Der entscheidende Punkt ist ja, dass Ergebnisse jedweder Art keine Bewertung des Menschen an sich sind, sondern schlicht Informationen \u00fcber Teilaspekte seiner Aktivit\u00e4ten. Momentaufnahmen. Freilich will jeder gerne auf dem Siegertreppchen stehen, und verlieren ist verdammt hart f\u00fcr jeden, der gewinnen will. Oder auch nur dabeisein.
\nWas w\u00e4re die Alternative? Olympiagold f\u00fcr jeden?<\/p>\n

Hey, ich will einen Nobelpreis! Intellektuell reicht’s zwar nicht, aber f\u00fcr solche F\u00e4lle gibt es ja noch den f\u00fcr Frieden, der wahrscheinlich aus genau diesem Grund gerne an Politiker vergeben wird. Strenggenommen will ich ihn gar nicht, ich f\u00e4nde es aber cool zu sagen, dass ich ihn ablehne.
\nEs sein denn, jeder bek\u00e4me ihn. Dann nehme ich ihn \u00fcberhaupt nicht an, Dann lehne ich ihn rundweg, und zwar ab.<\/p>\n

Ich verliere noch ein Wort zum Thema Leistung<\/em>, in der Hoffnung, dass ich es sp\u00e4ter wieder finde. Wahrscheinlich liegt’s gerade unter dem Apfelbaum und treibt es dort mit dem roten Faden, der mir ebenfalls abhanden gekommen ist. <\/p>\n

Wo war ich stehengeblieben?<\/p>\n

Ach ja. Leistung.<\/p>\n

Nein, weder krankhafter Ehrgeiz noch Ellenbogen, sondern schlicht Leistung im Sinne des Erfahrens eigener Grenzen. Denn das Sch\u00f6ne daran ist, vor allem wenn einem die Chance geboten wird, seine Grenzen auf verschiedenen Gebieten auszutesten, dass mit der Grenze auch die Freir\u00e4ume definiert werden. Ich nenne einen Menschen gl\u00fccklich, der weiss, wo seine Freir\u00e4ume liegen, und der zu entscheiden vermag, auf welchem Gebiet er sie ausweiten will. Dazu muss er sie kennen – erleben! – und gegebenenfalls mit der Erkenntnis umgehen lernen, dass seine Grenzen nicht so weit gesteckt sind, wie er es gerne h\u00e4tte.<\/p>\n

Sollen wir s\u00e4mtliche Situationen abschaffen, in denen wir unsere Grenzen erkennen?<\/p>\n

Sehen tut manchmal weh.<\/p>\n

Sehen ist besser, als die Augen vor dem „Ist“ zu verschlie\u00dfen.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

„Sportfest“ war f\u00fcr mich immer ein Riesenspa\u00df, wenngleich die Ehrenurkunde f\u00fcr mich als siegerurkundenbeurkundetem Durchschnittssportler ein unerf\u00fcllter Traum blieb. Wie ich erst jetzt erfahre, k\u00f6nnte ich deshalb zeitlebens mit einem Trauma gelebt haben. M\u00fcssen die Bundesjugendspiele weg, oder besser die Sperenzien mancher Eltern?<\/p>\n","protected":false},"author":22,"featured_media":0,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[270,271],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2978"}],"collection":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/22"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=2978"}],"version-history":[{"count":17,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2978\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":2995,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2978\/revisions\/2995"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=2978"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=2978"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/das-lauferei.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=2978"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}